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Fleisch aus dem Labor
Eine Ausstellung will Lust auf Zuchtfleisch machen

Weil die Fleischerzeugung alles andere als gut für das Klima ist, forschen Ernährungswissenschaftler an Alternativen. Im Labor züchten sie Würste oder Riesensteaks, alle aus künstlichem Fleisch. Welche interessanten und teils bizarren Gerichte dabei möglich sind, zeigt eine Ausstellung in München.

Von Tobias Krone |
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Sieht aus wie Fleisch, ist es aber nicht - das vegane Schnitzel (picture alliance / dpa / Marius Becker)
Die pizzagroße Scheibe auf dem Tisch - man könnte sie für den Durchschnitt eines ausgewachsenen Eichenstamms halten, würde nicht das leicht blutige Rosa hindurchschimmern. Das hier ist kein Holz, das hier könnte die Zukunft unserer Ernährung sein – medium gebraten. Caroline Illinger, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums Mensch und Natur in München:
"Im Moment ist man ja bei der Steakgröße sozusagen an die Dimensionen des Tiers gebunden und mit Zuchtfleisch ist man da sozusagen völlig frei. Da könnte man ein gigantisches Steak herstellen."
Kostproben gab es bereits
Rinderfilet in Übergröße. Ganz ohne Rind und ganz ohne schlechtes Gewissen. Denn hier in der Ausstellung "Meat The Future" ist eine Zukunftsvision des Fleischessens zu sehen. Fleisch nicht vom Schlachthof, sondern aus dem Labor, Zuchtfleisch oder In-Vitro-Fleisch genannt. 2013 hatte es Premiere.
"Das war ein sehr teurer Hamburger. Er hat 250.000 US-Dollar gekostet. Ich habe das nicht gegessen. Aber man hat gesagt, er sei ein bisschen trocken. Inzwischen ist der Preis sehr stark gesunken. Es ist immer noch teuer aber – jetzt zum Beispiel kann man eine gezüchtete Wurst für 250 US-Dollar kriegen."
Sagt der Leiter des Biotopia-Naturkunde-Museums-Projekts Bayern Michael John Gorman. Bei dieser rasanten Entwicklung rechnen Wissenschaftler damit, dass in ein paar Jahren Zuchtfleisch zu erschwinglichen Preisen auf unserem Tisch landen wird.
Fleischerzeugung ist schlecht fürs Klima
Die Zeit sei reif dafür, denn Tierhaltung sei ein riesiges globales Umweltproblem. Weil 60 Prozent aller landwirtschaftlichen Fläche allein für die Erzeugung von Rindfleisch draufgehen – und es immer mehr Fleischesser gibt, werden Wälder abgeholzt für Sojafelder. Außerdem stößt die Viehzucht fast ein Fünftel aller Treibhausgase weltweit aus. Viele umweltbewusste Menschen verzichten heute deshalb auf Fleischprodukte. Die Nahrungsmittelindustrie aber experimentiert mit dem In-Vitro-Fleisch, um der anwachsenden Weltbevölkerung auch künftig den tierischen Eiweißgenuss zu ermöglichen. Wie wäre es etwa mit transparentem Sashimi in Neon-Pink, nicht aus dem bedrohten Blauflossen-Thunfisch, sondern aus der Petrischale, wie es die Ausstellung hier auf appetitliche Weise präsentiert. Dass sich die Verbraucher an das künstlich hergestellte Fleisch gewöhnen – das ist die große Herausforderung. Ophelia Deroy, Professorin für Philosophie und multisensorische Wahrnehmung von der Ludwig-Maximilians-Universität München:
"Etwas, das nach Fleisch aussieht, nach Fleisch riecht, aber sich zum Beispiel nicht nach Fleisch anfühlt, wenn man es in den Mund nimmt, weil der Fettanteil und die Textur nicht stimmen – das wird keinen Erfolg haben."
Es fehlt noch der richtige Biss
Deshalb feilen Forscher nicht nur an der künstlichen Muskelfaser mit dem richtigen Fleischgeschmack, sondern auch an deren authentischem Biss. Michael Gorman:
"Man hat jetzt Techniken entwickelt mit elektrischen Impulsen und so weiter, um diese Muskeln zu trainieren."
Viele Gerichte in der Ausstellung, die das niederländische Kollektiv aus Wissenschaftlern und Künstlern "Next Nature Network" aus Plastikimitaten erschaffen hat, sind noch Zukunftsmusik: Etwa Fleisch aus dem eigenen Bioreaktor für Zuhause oder ein Schnitzel vom längst ausgestorbenen Mammut. Bis auf dieses letzte Beispiel wäre übrigens alles ohne Gentechnik möglich – denn allgemein werden bei der Fleischzüchtung tierische Stammzellen einfach durch Nährstoffe synthetisiert also vermehrt – ähnlich wie beim Herstellen von Arzneimitteln. Die Ausstellung will kreative Ideen für den Fleischgenuss in zehn Jahren geben, will provozieren. Aber auch ein bisschen Lust auf Zuchtfleisch machen. Denn obwohl gerade junge Verbraucher in den Städten vom Tierfleisch auf Laborfleisch umsteigen würden – Vernunft allein reiche nicht aus. Ophelia Deroy:
"Wir können die Leute nicht erziehen, es gibt keine intellektuelle Entscheidung etwas zu essen, wenn man es nicht gern isst. Wir können nicht an den Weltverbesserer appellieren, wir müssen einfach gutes Essen machen."