Ernährung
Die Krise der Metzgereien

Um die Lage der Fleischereien in Deutschland ist es nicht gut bestellt. Vielerorts machen Läden zu und verschwinden aus dem Stadt- und Dorfbild. Fehlende Fachkräfte sind nur eine Ursache. Doch es gibt auch neue Geschäftsmodelle.

    Die Rollladen einer geschlossenen Fleischerei sind heruntergelassen.
    Geschlossene Fleischerei: Die Ursachen für die Krise der Betriebe sind mannigfaltig. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Personalmangel, Konkurrenz durch die Discounter, neue Ernährungsgewohnheiten: Viele Metzgereien und Fleischereien stehen vor dem Aus. Aber manche Läden machen weiter – mit neuen Ansätzen und kreativen Lösungen, damit die Kasse hinter der Wursttheke klingelt.
    Ein Überblick über die Lage einer Branche, die sehr spezifische, aber teils auch eher allgemeine Probleme von Handwerksbetrieben hat.

    Inhalt

    Wie viele Metzgereien gibt es in Deutschland?

    Laut dem Jahrbuch 2024 des Deutschen Fleischer-Verbands gibt es noch etwas mehr als 10.000 Meisterbetriebe. Damit hat sich die Zahl seit 2002 fast halbiert. In Bayern gibt es laut Fleischer-Verband noch relativ viele Betriebe: Hier würden auf 100.000 Menschen 30 Fleischereien kommen. Anders im Osten Deutschlands. In Mecklenburg-Vorpommern etwa sind es nur 15 Fleischereien pro 100.000 Einwohner. In vielen Betrieben gibt es Überlegungen, ob das Geschäft schließen soll.
    Eine Grafik zeigt die Anzahl der Betriebe im Fleischerhandwerk in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2023. Seit 2002 hat sich die Zahl der Fleischereien fast halbiert auf 10.335 im Jahr 2022.
    Anzahl der Betriebe im Fleischerhandwerk in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2023 (Deutscher Fleischer Verband / Statista)

    Warum geben Fleischereien auf?

    Gründe für den Schwund an Betrieben gibt es viele, etwa veränderte Essgewohnheiten, vegetarische und vegane Alternativen, aber auch das knappe Budget der Kunden, die statt zum Fleischer um die Ecke zum Supermarkt gehen. Auf die Qualität werde dann eben nicht geschaut, sagt Reinhard von Stoutz, Mitglied der Geschäftsleitung des Deutschen Fleischer-Verbands. Das größte Problem der Fleischereien sei es, Nachwuchs zu finden.
    Die Zahl der Auszubildenden im Fleischerhandwerk sinkt stetig. So machten laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks 2023 rund 2.300 junge Menschen eine Ausbildung zur Fleischerin oder zum Fleischer. Das sind knapp fünf Prozent weniger als im Vorjahr und bedeutet einen weiteren Tiefstand. Zur Jahrtausendwende wollten noch gut 9.500 Azubis das Fleischerhandwerk erlernen.

    Welche Probleme sind typisch für Handwerksbetriebe allgemein?

    Der Fachkräftemangel ist ein Problem, das auch andere Branchen im Handwerk kennen. Die Debatte über Ursachen und Lösungsansätze ist nicht neu. Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, beklagt eine „Über-Akademisierung“ in der Bundesrepublik: „Die Anzahl der Studenten ist in den letzten 20 Jahren massiv gestiegen, um weit über eine Million. Und identisch ist natürlich die Anzahl der Auszubildenden in der beruflichen Bildung zurückgegangen. Und jetzt sehen wir, dass uns plötzlich die Fachkräfte fehlen. Deswegen ist es im Interesse der Gesellschaft, die berufliche Bildung zu stärken.“
    250.000 Fachkräfte fehlen laut Dittrich insgesamt im Handwerk. Laut dem arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft ist im Handwerk jede zweite offene Stelle unbesetzt. 113.000 von 226.000 Stellen können nicht besetzt werden. Dittrich fordert mehr gesellschaftliche Anerkennung für Handwerksberufe – und unter anderem staatliche Förderung, damit Azubis günstig wohnen können.

    Welche Bedeutung hat der Rückgang des Fleischkonsums?

    Die Ernährungsgewohnheiten haben sich verändert. Die meisten Deutschen essen weiterhin zwar regelmäßig Fleisch, greifen zu Schnitzel, Kotelett und Würsten, trotz aller vegetarischen und veganen Trends. Aber es wird von Jahr zu Jahr weniger. Laut Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft verzehren die Deutschen im Durchschnitt aktuell 51,6 Kilogramm Fleisch pro Jahr. 2018 waren es noch gut 60 Kilogramm.
    Auch der kritische Blick auf den Fleischkonsum hat in den letzten Jahren zugenommen. Einst war der Fleischkonsum ein Symbol des Wohlstands. Jetzt ist er für viele ein Krisensymbol. Vor allem die Auswirkungen der industriellen Fleischproduktion, der Blick auf die Massentierhaltung und das Tierwohl sind immer mehr Thema. Hinzu kommen die Folgen für das Klima.
    Der Fleischkonsum müsse dringend auf die Hälfte reduziert werden, fordert Patrick Müller vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: „Das hat vor allem den Grund, dass es gesundheitlich schädlich ist, in so hohen Mengen Fleisch zu konsumieren, wie wir es aktuell tun. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sagt, wir sollten es auf maximal ein Drittel reduzieren." Zudem habe die Tierhaltung ganz erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. "Die Emissionen von Gülle, die Methan-Emissionen der Rinderhaltung tragen ganz erheblich zur Klimakrise bei. Und eine notwendige Möglichkeit, das zu verhindern, ist, die Tierzahlen massiv zu senken.“

    Wie stellen sich Fachbetriebe auf die Zukunft ein?

    Zahlreiche Betriebe stellen sich bereits so auf, dass sie die Nachfrage von Kunden nach hochwertigem, lokal produziertem Fleisch nachkommen. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher würden Wert auf Nachhaltigkeit und artgerechte Tierhaltung legen, sagt John Paul Lange, Geselle der Landfleischerei Lehmann: „Das ist ganz einfach: Was sie im Supermarkt zu kaufen kriegen, das ist Massentierhaltung und wird alles importiert. Was es beim örtlichen Fleischer zu kaufen gibt, das kommt ja aus der Region, also aus der Nähe. Da würde ich lieber drei Euro mehr bezahlen als drei Euro weniger, wo ich weiß, wo es herkommt.“
    Es brauche auch nicht in jedem Ort so viele Fleischereien, sagt Reinhard von Stoutz vom Deutschen Fleischer-Verband. Jeder Fleischer oder Metzger müsse auch nicht jeden Tag seinen Laden öffnen. So gebe es bereits einige Geschäfte, die nur an drei, vier Tagen geöffnet hätten. Diese bräuchten nicht so viel Verkaufspersonal vorhalten, das kostenintensiv sei. Aber auch Fleisch-Automaten sind für so manche Fleischerei eine Alternative, damit Kunden – gerade im Sommer – zu Grillfleisch greifen können. Auch an Lieferdienste müsse man denken.
    Trotz alledem, klar scheint zu sein: Die Zahl der Fleischer und Metzger wird weiter sinken. Aber die Sorge vor dem Aussterben der Fleischereien sei unbegründet, meint Reinhard von Stoutz. „Der stetige Rückgang kann ja nicht gegen Null gehen. Das heißt irgendwann wird die Kurve flacher werden und dann wird die Zahl der Neugründungen und der Schließungen sich irgendwann die Waage halten. Und vielleicht mal mehr Neugründungen geben, weil das Konzept ja funktioniert.“
    Sein Vorschlag: Fleischereien sollten stärker den direkten Kontakt zu den Kunden suchen. Ihnen zeigen, woher das Fleisch kommt, wie die Wurst verarbeitet wird. Es gehe um ein individuelles Einkaufserlebnis.

    tei, basierend auf einem Hintergrund von Christoph D. Richter