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Fleischindustrie und Gesundheit
"Die Bundesregierung hat der Fleischindustrie Extrawürste gebraten"

Die Schlachthöfe dürften derzeit unter den Augen der Behörden Menschen und Tiere ausbeuten, sagte Reinhild Benning von Germanwatch.de im Dlf. Das gehe einher mit höheren Risiken etwa für Antibiotika-Resistenzen oder auch Corona-Infektionen. Gebraucht würden endlich Reglungen für eine nachhaltige Fleischproduktion.

Reinhild Benning im Gespräch mit Jule Reimer |
Frisch geschlachtete Schweine hängen im Kühlhaus eines Schlachtbetriebes an der Reihe an Haken.
Die Fleischindustrie in Deutschland will möglichst billig produzieren, um zu exportieren - jedes fünfte Kilo Fleisch geht ins Ausland (imago / Daniel Schvarcz)
Wegen der hohen Zahl von Corona-Infektionen in der Schlachtindustrie hat Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann im Deutschlandfunk strengere Arbeitsschutzgesetze für die Branche gefordert. Die Betreiber müssten mehr Verantwortung für ihre Werkvertragsarbeiter übernehmen, sagte er. Aber Coronaviren sind nicht das einzige Gesundheitsproblem in den großen Schlachthöfen, warnen Umweltschutzorganisationen: Auch antibiotikaresistente Keime könnten sich über die Fleischverarbeitung verbreiten. Darüber sprechen wir mit Reinhild Benning von Germanwatch.de
Jule Reimer: Wie kommen Sie zu dem Schluss?
Reinhild Benning: Es ist einfach so, dass am Schlachthof besonders viele Tiere eintreffen. Von denen ist ein relevanter Anteil auch belastet mit antibiotikaresistenten Keimen. Das führt zum einen dazu, dass Schlachthofmitarbeiter laut zahlreichen Untersuchungen höher belastet sind mit antibiotikaresistenten Keimen als die Normalbevölkerung, und es führt auch dazu, dass das Fleisch kontaminiert ist mit antibiotikaresistenten Keimen in unterschiedlicher Höhe – je nachdem welche Fleischsorte man nimmt.
Mikroskopische Ansicht der Listeria monocytogenes. Listeria monocytogenes ist der Erreger der bakteriellen Infektion namens Listeriose.
Krankheitserregern in Fleisch, Eiern und Rohmilch auf der Spur
Listerien, Salmonellen, Noroviren: Immer wieder landen mit Keimen belastete Lebensmittel auf dem Teller – und verursachen rund 200.000 Erkrankungen pro Jahr. Untersuchungen zeigen: Viele Einzelfälle hängen zusammen.
Hinzu kommt, dass mit dem Abwasser der Schlachthöfe auch diese resistenten Keime in die Umwelt gelangen, so dass wir wissen, Schlachthöfe sind Hotspots für die Ausbreitung von resistenten Keimen, multiresistenten Keimen auch in die Umwelt. Diese Dinge zeigen schon, die Schlachthöfe dürfen derzeit unter den Augen der Behörden Menschen ausbeuten, mit höheren Risiken etwa für Antibiotika-Resistenzen, aber wie wir sehen jetzt auch für Corona-Infektionen ausbeuten und diese Menschen belasten, ohne dass die Behörden eingreifen. Das geschieht unter den Augen der Behörden und das ist unsere Kritik. Hier muss eingegriffen werden.
"Arbeitsbedingungen für Schlachthofmitarbeiter verbessern"
Reimer: Warum, meinen Sie, geschieht das unter den Augen der Behörden?
Benning: Seit langem fordern Umweltorganisationen, aber auch Gewerkschaften, dass sich die Arbeitsbedingungen für Schlachthofmitarbeitende verbessern müssen. Hier werden Mindestlohnregeln nicht eingehalten.
Viele weiße Hühner mit roten Kamm und Kehllappen in der Nahaufnahme.
Futtermittelindustrie - Lücken bei der Antibiotika-Erfassung
Um Antibiotika-Resistenzen zu vermeiden, müssten alle Medikamente-Lieferungen etwa an die Futtermittel-Branche erfasst werden, forderte Reinhild Benning von der Umweltorganisation Germanwatch im Dlf. Hier gebe es große Lücken. Die Verantwortung dafür liege bei der Politik, nicht bei den Landwirten.
Reimer: Aber welches Interesse steht dahinter?
Benning: Das Interesse ist die industrielle Fleischproduktion in Deutschland, die so hohe Exportraten nur hat, weil Ausbeutung im Laufe des Prozesses bei Mitarbeitenden und Tieren geschehen. Dies wollen wir beenden. Das Interesse ist, eine nachhaltige Fleischerzeugung etwa nach den Vorstellungen, wie die Borchert-Kommission sie im Februar vorgelegt hat, zu erreichen. Das geht nur, wenn man alle Menschen anständig in der Lebensmittelkette behandelt.
"Umweltbelastungen bezahlen die Verbraucher"
Reimer: Möglicherweise handelt es sich aber auch um eine sehr scharfe Konkurrenzsituation zu osteuropäischen Fleischverarbeitern, zu unseren Nachbarn im Norden, im Süden, im Westen.
Benning: So ist es. Auch hier hat die Bundesregierung der Fleischindustrie schon Extrawürste gebraten. So müssen Schlachtunternehmen etwa die EEG-Umlage nicht in dem Maße bezahlen wie andere Firmen. Hier gibt es schon lauter Extrawürste so wie etwa die Umweltbelastungen aus der industriellen Fleischproduktion werden nicht den Schlachthöfen in Rechnung gestellt, sondern das bezahlen wir Verbraucherinnen und Verbraucher. Das bezahlen die Menschen, die davon betroffen sind, etwa Wassernutzer. Vor dem Hintergrund sagen wir, der Export von Fleisch im internationalen Wettbewerb ist ruinös. Das müssen wir beenden. Wir haben etwa 20 Prozent Überproduktion bei Fleisch.
Reimer: Das heißt, wir brauchen diese Mengen nicht für die Versorgung Deutschlands?
Benning: So ist es. Jedes fünfte Kilo Fleisch, was in Deutschland produziert wird, wird gar nicht hier gegessen, sondern geht in den Export. Dies wäre schon mal ein Ansatzpunkt, diese Massen abzubauen, und das kann ganz besonders jetzt erzielt werden, wenn der Ausstieg aus der Massentierhaltung nach den Vorschlägen der Experten aus Landwirtschaft, aus Lebensmittelwirtschaft, aus Umwelt- und Verbraucherorganisationen umgesetzt wird. Diese haben gemeinsam im Februar einen Ausstieg aus der Massentierhaltung skizziert in den sogenannten Borchert-Empfehlungen und dies gilt es jetzt seitens Bund und Ländern sofort umzusetzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.