Es ist schlimm, hier zu sein, sagt die rumänische Schlachterin Anna Popescu – und bittet in die Wohnung, in der sie 24 Stunden am Tag leben muss. Es ist Anfang Mai, die ersten Corona-Fälle sind in der Fleischfabrik von Westfleisch aufgetreten. In den kommenden Wochen werden sich mehr als 2.000 osteuropäische Arbeiter beim größten Fleischfabrikanten Tönnies infizieren – auch wegen schlechter Arbeits- und Lebensbedingungen.
Popescu ist in Quarantäne, sie wurde zwar negativ auf Corona getestet. Raus darf sie aber trotzdem nicht. "Es ist eine sehr kleine Wohnung für all die Personen, die hier leben." Reporter: "Wie viele Wohnen denn hier?" – Popescu: "Acht. In drei Zimmern."
Die Rumänin wohnt in einem der Zimmer zusammen mit ihrem Mann. 220 Euro werden ihr dafür vom gesetzlichen Mindestlohn abgezogen. Popescu heißt eigentlich anders, sie will nicht, dass ihr Chef von dem Interview erfährt.
Reden will sie aber schon, über die Arbeit, die sie sechs Tage die Woche bei Westfleisch geleistet hat, bis das Fleischwerk im Mai zwischenzeitlich schließen musste. "Wir stehen nachts um halb zwei auf, um drei stehen wir am Fließband, im Schlachthaus – und erst um ein Uhr am Mittag ist Schluss – fast 12 Stunden sind wir unterwegs. Sechs Tage die Woche, nur Sonntag frei. Glauben Sie mir – wenn du aus der Schlachterei zurückkommst, hast du den Verstand verloren, du kommst hierhin und kannst noch nicht mal mehr essen – du legst dich einfach nur hin. Und bist weg."
Manche arbeiten hoch kriminell
Anna Popescu ist nicht direkt bei Westfleisch angestellt. Zum Zeitpunkt des Interviews ist sie Werkvertragsbeschäftigte bei einem Subunternehmer, der für Westfleisch einen Teil der Schlachtarbeiten ausführt. Inzwischen habe sich das Unternehmen von dem Subunternehmer getrennt, gibt Westfleisch an.
Auch Branchenführer Tönnies und andere Fleischfirmen arbeiten so: Die Kerntätigkeit, das Schlachten und Zerlegen von Tieren, wird nicht von angestellten Arbeitern erledigt, sondern von Werkvertragsbeschäftigten. Das System: Die Unternehmen vergeben einen Werkvertrag zum Schlachten einer bestimmten Menge Schweine, der Subunternehmer lässt diese Arbeiten durch Osteuropäer verrichten.
Dass viele dieser Subunternehmer nicht legal – manche sogar hoch kriminell arbeiten, ist erst in der vergangenen Woche mal wieder deutlich geworden: Die Bundespolizei führte bundesweit Razzien durch, ermittelte gegen zwei Firmen, die Ukrainer und Belarussen nach Deutschland einschleusten – ausgestattet mit gefälschten EU-Pässen. Sie wurden an große Unternehmen der Fleischindustrie verliehen.
Das System Werkvertrag
Ab 2021 soll mit alledem Schluss sein: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat angekündigt, Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie ab dem kommenden Jahr zu verbieten. Großschlachtereien dürfen bei Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung dann keine Arbeiter mehr von Subunternehmern einsetzen. Außerdem soll es künftig mehr und effektivere Kontrollen durch die Arbeitsschutzbehörden geben.
Das bisherige System habe in der Vergangenheit oft zu einer "organisierten Verantwortungslosigkeit" geführt, sagte der Minister in einer Pressekonferenz zur Vorstellung der geplanten Neuregelungen. Denn: "Welcher Arbeitnehmer für welchen Arbeitgeber arbeitet, ist für die Behörden in solchen Konstruktionen kaum nachvollziehbar."
Ernst-Friedrich Pernack, zuständig für den Bereich Arbeitsschutzkontrolle im Brandenburgischen Gesundheits- und Arbeitsministerium kennt diese Konstruktionen nur zu gut. Riesenfleischbetriebe wie Tönnies und Westfleisch gibt es zwar in Brandenburg nicht, dafür viele, die auf meist osteuropäische Saisonarbeiter setzen. Wie zum Beispiel beim bekannten Beelitzer Spargel, den überwiegend polnische und rumänische Arbeiter stechen.
Pernack erklärt das System Werkvertrag wie folgt: "Es gibt einen Werkvertrag, den der Arbeitgeber mit einem bestimmten Arbeitgeber in Osteuropa abschließt, wo er sagt, er braucht hundert Leute für die und die Zeit. Und dann sagt der, ich vermittle dir die. Und dann hat der vielleicht zwei andere Unternehmen oder noch mehr, die die Leute rekrutieren. Vielleicht hat der auch ein Unternehmen, was die Unterkunft organisiert, wieder ein anderes. Und so verstreut sich das und wird immer verflochtener und man kommt am Ende des Tages an keinen Verantwortlichen mehr. Dann heißt es immer, ja, das war die andere Firma. Und das macht natürlich Analysen, wo ist der Verursacher, wo ist der Verantwortliche, wen kann ich jetzt dingfest machen, sehr schwierig."
Werkverträge gibt es nicht nur in der Fleischindustrie
Welchen Umfang das System "Verantwortungslosigkeit" im deutschen Niedriglohnsektor insgesamt hat, lässt sich kaum beziffern. Doch es ist in sehr vielen Branchen verbreitet, sagt Stanimir Mihaylov. Der Politologe ist Gewerkschaftsberater bei Arbeit und Leben in Düsseldorf, einer Weiterbildungseinrichtung des DGB und des Deutschen Volkshochschulverbands.
Jeden Tag kommen Menschen in sein Büro, die um ihren Lohn betrogen wurden. Im Hotelgewerbe, in der Landwirtschaft, in der Gastronomie, auf dem Bau. "Es ist auf jeden Fall ein System. Weil es dazu kommt, dass Löhne vorenthalten werden, dass nicht alle geleisteten Arbeitsstunden vergütet werden, dass Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder im Urlaub nicht gewährt wird. Und wenn das immer wieder passiert, wüsste ich keine Gründe zu sagen – es hat kein System. Doch, das hat eins!"
An diesem Nachmittag ist Zdravko Georgiev zu ihm gekommen. Er will mit ihm besprechen, wie viel Lohn ihm sein letzter Arbeitgeber noch schuldet. Der wollte erst gar nicht zahlen, stottert nun nach einem Gerichtsverfahren das ausstehende Geld Rate für Rate ab. Seit etwa zehn Jahren lebt Georgiev in Deutschland.
Dass ihn Subunternehmer ausbeuten, ist bei ihm nicht die Ausnahme, sondern die Regel, erzählt der 55-jährige Maler: "Alle Firmen, bei denen ich vorher gearbeitet habe, haben mich auch abgezockt, viele haben nur einen Teil des Lohns gezahlt, andere gar nichts. Sie nutzen aus, dass man aus Osteuropa kommt, sie merken, dass man sich hier nicht auskennt – und denken, sie kommen damit durch. Ich habe vorher in Portugal, Griechenland und Russland gearbeitet – da ist mir das nie passiert. Ich frage mich, warum die deutsche Regierung da nicht mehr gegen unternimmt."
Gewerkschafter Miyahlow geht das geplante Gesetz zum Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie deshalb nicht weit genug: "In der Baubranche wäre es insofern notwendig, weil dann jemand auch die Verantwortung übernehmen kann für die Missstände. Auf jeden Fall gibt es Menschen, die sich hinter diesem System verstecken wollen. Wenn es in der Baubranche eingeführt würde, hätte das Vorteile."
Werkverträge in anderen Branchen verbieten – das ist aber noch Zukunftsmusik. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht das Verbot nur in Großschlachtereien vor. Und ob er dort wirklich große Änderungen herbeiführt, ist unklar.
Ausnahmen und Schlupflöcher
Anja Piel, Vorstand im Deutschen Gewerkschaftsbund fürchtet jedenfalls, dass der Entwurf, der im September in erster Lesung im Bundestag verhandelt wurde, verwässert werden könnte: "Solange die parlamentarische Beratung und auch die Beratung durch den Bundesrat geht, sprechen wir, so viel wie wir können, mit allen Beteiligten, um dafür zu sorgen, dass das, was am Ende bei diesem Prozess rauskommt, so wasserdicht wie möglich ist."
Besonders in den Fokus geraten ist dabei die Ausnahmeregelung für kleine Schlachtbetriebe. Wer weniger als 50 Personen beschäftigt, ist von den Neuregelungen ausgenommen, die Werkverträge und Leiharbeit betreffen. Eigentlich soll diese Ausnahme kleine Handwerksbetriebe schützen, den Schlachter um die Ecke.
Das sei auch gut und richtig so, sagt der DGB, fürchtet aber Schlupflöcher. Ganz unberechtigt scheint die Sorge nicht: Schließlich hat der Tönnies-Konzern bereits 15 neue Tochterunternehmen in das Handelsregister beim Amtsgericht Gütersloh eintragen lassen. Noch arbeitet dort niemand. Womöglich will das Unternehmen so das drohende Werkvertragsverbot umgehen, indem in den Tochterfirmen jeweils weniger als 50 Menschen beschäftigt werden.
Das Problem habe man im Ministerium gesehen, beruhigt Arbeitsminister Heil: "Deshalb haben wir bei diesem Gesetz darauf geachtet, dass wir das Menschen- und rechtlich mögliche tun, um einen solchen Missbrauch auszuschließen. Ich will das auch zu der Meldung von einem Unternehmen sagen, das jetzt Tochterfirmen gründet: Das wird denen an dieser Stelle nichts nutzen, weil bei der Schwelle von 50 Beschäftigten, die Sie angesprochen haben, zwei Prämissen bestehen: Es müssen wirtschaftlich selbständige Einheiten sein, und es müssen Handwerksunternehmen sein."
Acht Arbeiter schlafen in einem Container
Auch der Kölner Arbeitsrechtsanwalt Martin Lützeler sieht in dem aktuellen Gesetzentwurf wenig Möglichkeiten das Werkvertragsverbot zu umgehen. Aber: "Man muss wahrscheinlich sagen, die jetzigen Betroffenen, die waren schon in der Vergangenheit erfinderisch und haben da auf ein breites Spektrum an alternativen Strukturen zurückgegriffen. Insofern ist also nicht völlig ausgeschlossen, dass man ein Schlupfloch herausfindet und den Weg erstmal versucht. Ich muss sagen, wenn ich mir den Gesetzentwurf so ansehe, habe ich so das Gefühl, da ist nahezu alles abgedeckt, was so an Schlupflöchern auftauchen könnte."
Mitte Mai auf einem großen Spargelhof bei Bonn. Etwa 150 rumänische Erntehelfer rufen "Geld, Geld, Diebe Diebe". Sie protestieren gegen die Arbeitsbedingungen und ihre Unterbringungen in Containern. Den Lohn für mehrere Monate Arbeit auf dem Hof haben sie nicht oder nur teilweise erhalten. Eine der Arbeiterinnen spricht ins Megafon. Eine Aufnahme der anarcho-syndikalischen Gewerkschaft FAU: "Ich bete dafür, dass die Leute das Geld für die drei Monate bekommen, damit sie nach Hause gehen können."
Zu Beginn der Coronakrise war es osteuropäischen Saisonarbeitern nicht erlaubt, nach Deutschland zu reisen. Dann aber beklagten Landwirte, dass die Ernte mit deutschen Arbeitskräften nicht zu schaffen sei – und so wurden schließlich 80.000 Erntehelfer eingeflogen. An mehreren Höfen in Deutschland wurden die Hygienemaßnahmen nicht eingehalten, die Unterbringung war oft katastrophal.
So auch auf diesem Hof, erklärt Julian Kohlberg von der FAU: "Das waren 20-Fuß Überseecontainer, umgebaut zu Wohnanlagen. Ein Container hat 14 Quadratmeter Grundfläche und pro Container waren etwa fünf bis acht Personen untergebracht. Zusammengefasst: Privatsphäre gleich null – und die sanitären Anlagen waren alle gemeinschaftlich angelegt, und wir haben keine Belege darüber, dass dort irgendwas gereinigt wurde."
Kontrolleure haben es schwer
Um solche Zustände künftig zu verhindern, will die Bundesregierung Mindestanforderungen zur Zitat "menschengerechten Gestaltung der Wohnverhältnisse" in Gemeinschaftsunterkünften festlegen. Genauere Richtlinien gibt es im Gesetzentwurf bisher dazu nicht.
Dennoch ein wichtiger Schritt, sagt Gewerkschafter Kohlberg: "Das ist eigentlich schon längst überfällig, es ist nicht so, dass die Situation in Bornheim zum ersten Mal 2020 passiert ist. Und man kann eine riesige Liste jetzt vorlegen mit Dingen, die verbessert werden müssten. Aber am Ende des Tages bringt das alles überhaupt nichts, wenn der Staat es nicht kontrolliert."
170.000 Betriebe besichtigten die Arbeitsschutzbehörden im Jahr 2018. Von insgesamt über zweieinhalb Millionen, über die die Behörden die Aufsicht haben. So die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. In zwei Drittel der Fälle wurde anlassbezogen kontrolliert, also, weil es etwa Unfälle oder Beschwerden gab. Dann kommen die Arbeitsschützer auch gerne mal unangekündigt.
Insgesamt beanstandeten die Behörden mehr als 300.000 Verstöße gegen den Arbeitsschutz. Allerdings – sie reichen von der lockeren Schraube am Baugerüst über unzureichende Arbeitsschutzschulungen bis hin zu Arbeitszeitverstößen. In Bezug auf die Unterkunft von Beschäftigten stehen die Arbeitsschützer aber bislang vor einem Problem, erklärt Ernst-Friedrich Pernack vom Brandenburgischen Sozial- und Gesundheitsministerium:
"Dass die Arbeitsschutzbehörden bisher ausschließlich in Unterkünfte gucken konnten, die vom Arbeitgeber direkt zur Verfügung gestellt werden, auf dem Betriebsgelände. Also der Spargelbauer, der da nebenan eine Unterkunft hat, die er zur Verfügung stellt für die Saisonarbeiter, die durften wir angucken, nicht aber eine Unterkunft, die außerhalb des Betriebsgeländes liegt."
Das soll sich künftig ändern: Die Einhaltung der Mindestanforderungen, die dann in allen Gemeinschaftsunterkünften gelten, soll überall durch die Arbeitsschutzbehörden kontrolliert werden können – unabhängig davon, ob sie sich auf dem jeweiligen Betriebsgelände befinden oder nicht.
Um den Lohn geprellt
Ovidiu Mindrila steht vor der Mall of Berlin – ein riesiges Luxus-Einkaufszentrum aus Marmor und Glas, inklusive Büros, Wohnungen und Hotel in Berlin Mitte. Eröffnet 2014, Baukosten etwa eine Milliarde Euro. Mehrere Monate lang hat der rumänische Arbeiter hier für einen Subunternehmer auf dem Bau geschuftet, Zementsäcke und Bauschutt geschleppt. Seinen vollen Lohn hat er nicht erhalten. "Es fühlt sich einfach mies an. Ich habe hier so lange und hart gearbeitet und mein Geld nicht bekommen."
Wie er wurden Dutzende seiner Kollegen um ihren Lohn geprellt, einige verloren ihre Wohnung, mussten auf der Straße leben, hatten kein Geld, um sich Essen zu kaufen, erzählt er. "In den ersten Wochen hat mir der Subunternehmer sechs Euro pro Stunde gezahlt – dann sieben. In den letzten beiden Monaten hat er mir gar nichts mehr gezahlt."
Auch einen Arbeitsvertrag hat Mindrila nie erhalten – wie viele andere Arbeiter, die von dem Subunternehmen beschäftigt wurden, hat er schwarzgearbeitet. "Er hat uns gesagt, klar ihr bekommt einen Arbeitsvertrag. Ich habe immer wieder danach gefragt. Am Ende jeden Tag. Aber es gab keinen."
Kein voller Lohn, kein legaler Arbeitsvertrag – und das bei einem Mammutprojekt. Eine Schwarzarbeitskontrolle der dafür zuständigen Zollbehörde, habe es nur einmal gegeben, erzählt Mindrila. "Als die Kontrolleure kamen, hat uns der Chef gesagt, versteckt euch irgendwo, in einem der Zimmer. Damit die uns nicht entdecken – ohne Papiere. Wir hatten ja keinen Vertrag, keine Papiere, nichts. Wenn die uns entdeckt hätten – ohne irgendwas!"
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls, die für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständig ist – in diesem Fall hat sie jedenfalls nichts gebracht. Und auch die Kontrollen zur Einhaltung des Arbeitsschutzes können längst nicht alle Betriebe im Blick haben, sagt Ernst-Friedrich Pernack vom Brandenburgischen Gesundheits- und Arbeitsministerium. Gut 50 Arbeitsschutzkontrolleure gibt es in dem Bundesland. Zu wenig für die etwa 67.000 Betriebsstätten mit etwa einer Million Beschäftigten. "Wir sind mit dem Personal, was wir haben, nur in der Lage einen bestimmten Prozentsatz der Betriebe zu besichtigen. Und deshalb müssen wir Prioritäten setzen."
"Mindestbesichtigungsquote"
Deshalb werden vorrangig jene Branchen unter die Lupe genommen, in denen besondere Risiken bestehen: das Bauwesen und die Metallindustrie mit einer besonders hohen Unfallgefährdung, aber auch das Gesundheits- und Pflegewesen und nicht zuletzt eben auch die Fleisch- und Saisonbetriebe im Land. Insgesamt schaffen es die Brandenburger Kontrolleure, etwa drei Prozent der Betriebsstätten pro Jahr zu kontrollieren.
Ernst-Friedrich Pernack: "Das ist sehr wenig. Bundesweit schwankt das natürlich zwischen den Ländern etwas, aber im Schnitt sind wir unter drei Prozent."
Das soll jetzt mehr werden. Auch das ist im Gesetzentwurf vorgesehen. Und zwar nicht nur für die Fleischindustrie, sondern für alle Branchen. Künftig soll es eine sogenannte Mindestbesichtigungsquote geben. Die Länder, die für die Arbeitsschutzkontrollen zuständig sind, müssen spätestens ab 2026 sicherstellen, dass in jedem Jahr wenigstens fünf Prozent der vorhandenen Betriebe kontrolliert werden.
"Das ist schon nahezu eine Verdoppelung, das ist eine riesen Kraftanstrengung für die Länder, denn die Personen müssen im Haushalt erstmal fixiert werden. Sie müssen ausgebildet werden, zwei Jahre lang, deswegen auch die Frist bis 2026. Ich wünsche mir natürlich, dass das nicht bei den fünf Prozent stehen bleibt, weil fünf Prozent heißt, alle zwanzig Jahre wird ein Betrieb besichtigt."
Monument der Ungerechtigkeiten
Ovidiu Mindrila und ein weiterer Bauarbeiter von der Mall of Berlin haben schließlich auf die Zahlung ihres Lohns geklagt. Etwa 4.000 Euro schuldet ihm der Subunternehmer noch, sagt der Bauarbeiter. Doch da das Subunternehmen und auch seine Auftraggeber Insolvenz angemeldet hatten, forderten Mindrila und seine Kollegen das Geld vom Bauherrn.
Der Prozess zog sich über Jahre hin – 2019 haben sie vor dem Bundesarbeitsgericht verloren. Der Bauherr sei nicht für die ausstehenden Löhne verantwortlich, so das Gericht. Auch hier: Subunternehmerketten und "organisierte Verantwortungslosigkeit".
"Ich verstehe das Urteil bis heute nicht, es gab ja zahlreiche Beweise dafür, wie viel ich gearbeitet habe. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass so etwas in Deutschland möglich ist. Ich hätte gedacht, dass die Firmen in Deutschland seriös sind – aber das sind sie wohl nicht."
Ovidiu Mindrila wendet sich ab vom Glitzerbau der Mall of Berlin. Mitten im Zentrum der Hauptstadt, für ihn ein steingewordenes Monument für die Ungerechtigkeiten im Niedriglohnsektor, im doch so reichen Deutschland.
Hubertus Heils Gesetzentwurf für das Verbot von Werkverträgen in der Fleischbranche wird Bauarbeitern wie Mindrila jedenfalls nichts bringen. Die Ausbeutung wird weitergehen, zumindest, in anderen Branchen.