Archiv


Fliegen am Rande des Nervenzusammenbruchs

Männer, die ihre weibliche Seite ausleben; ein Frauen-Duo in einer unkonventionellen Polizistenkomödie, eine alleinerziehende Mutter aus Südafrika in einer Lügendetektorfirma und eine 70-köpfige Frauengruppe, die über ihre Männer spricht. Diese Woche kommen im Kino die Frauen zum Zuge.

Von Jörg Albrecht | 03.07.2013
    Die Großaufnahme eines Frauengesichts. Für Pedro Almodóvar sieht so der Kinohimmel aus. In seinem neuen Film "Fliegende Liebende" dürfen zwar auch Männer mitspielen. Die aber leben ganz offensichtlich ihre weibliche Seite aus. Zumindest jene Männer, die sich an Bord von Flug PE 2549 nach Mexiko-Stadt um das Wohl der Passagiere kümmern. Noch ahnt niemand von den Turbulenzen, in die die Maschine geraten wird – und was das für die Menschen an Bord bedeutet.

    "Habt ihr noch mal mit dem Tower gesprochen? – Ja. … Und? – Besser du weißt es nicht."

    Nein – einen klassischen Katastrophenfilm hat Pedro Almodóvar natürlich nicht gedreht. Der Titel "Fliegende Liebende" deutet es an. Der spanische Regisseur liefert stattdessen seine Version von einer "Reise in einem verrückten Flugzeug". Die Holzklasse ist mit einem Schlafmittel in Tiefschlaf versetzt worden. Aber in der Business Class geht es rund. Die bevorstehende Notlandung sowie eine Dosis Meskalin im Tomatensaft sorgen für ungeahnte emotionale und physische, ja sogar orgiastische Ausbrüche. Passagiere entblößen ihre Seele und ihre Körper: unter anderem ein frisch vermähltes Paar und eine Hellseherin, ein Finanzjongleur und die Chefin von einem Escort-Service, die – laut eigener Aussage – mit den 600 wichtigsten Männern Spaniens Sex hatte. Der König inklusive.

    "Die wollen mich liquidieren. Der spanische Geheimdienst. – Nein. Die haben nichts damit zu tun. – Woher wollen Sie das wissen? … Jetzt beruhigen Sie sich bitte! – Sehen Sie mich nicht so an! Ich bin nicht irre."

    Aber doch wenigstens neurotisch. Figuren am Rande des Nervenzusammenbruchs – die hat Almodóvar hier auf engstem Raum zusammengepfercht. Figuren, die exzentrisch, melodramatisch und vollkommen schamlos sind. Das Resultat ist eine überkandidelte Komödie, eine bunt-schrille Farce mit ein paar eingestreuten gesellschaftskritischen Kommentaren. Kein wirklicher Überflieger und ein Almodóvar auf Autopilot.

    "Fliegende Liebende" von Pedro Almodóvar – akzeptabel.

    " ... Ich arbeite mit dir zusammen, solange wir uns einig sind, dass das hier mein Fall ist. – Das ist eigentlich nicht korrekt. – Schön, dass du das auch so siehst."

    Zwei, die anfangs überhaupt nicht miteinander können, die aber miteinander müssen, weil es die Umstände erfordern und die nur wenig später zu richtig guten Kumpels werden. Das ist das Konzept hinter der sogenannten Buddy-Komödie. Das Genre wird gern genommen bei Geschichten aus dem Alltag von Polizisten. Bislang sind diese Buddies durch die Bank männlich. Bis jetzt. In "Taffe Mädels" von Paul Feig geben Sandra Bullock und Melissa McCarthy das ungleiche Duo aus gesetzestreuer Bundesbeamtin und rüder Straßenpolizistin. Sie werden gemeinsam auf einen Fall angesetzt. Der ist natürlich pure Nebensache und wird vom Drehbuch auch genauso behandelt. Was hier zählt, ist derber Humor, Slapstick und das Improvisationstalent zweier Komödiantinnen, von dem in der deutschen Fassung kaum etwas übrig bleibt.

    "Taffe Mädels" von Paul Feig - zwiespältig

    " … Also soll ich ihm den Schwanz wegschießen? – Oh, mein Gott! ... Dreh dich um! Ich brauche dich dann für den Lügendetektortest. Dreh dich um! – Nein! ...""

    Ein Lügendetektor kommt auch im nächsten Film zum Einsatz. Der heißt so wie seine Titelheldin: "Layla Fourie" ...

    ""Sind Sie sich der Bedeutung dieses Tests bewusst? – Ja. ..."

    Layla, eine schwarze, alleinerziehende Mutter aus Südafrika, hat einen neuen Job. Sie arbeitet für eine Sicherheitsfirma, die sich auf Lügendetektortests spezialisiert hat.

    "... Warum haben Sie sich ausgerechnet für den Lügendetektor entschieden? ..."

    Wird Layla von ihrem neuen Chef gefragt.

    " ... Lügen führen zu Lügen. Ich weiß auch nicht. … Wenn wir ehrlicher wären, dann ginge es uns besser."

    Große Worte, an denen sich Layla schon bald selber messen lassen muss. Auf dem Weg zu ihrem ersten Einsatz in einem Casino überfährt sie einen Mann, der plötzlich mitten auf der Straße steht. Aus Angst davor, im Gefängnis zu landen und ihren kleinen Sohn allein zurücklassen zu müssen, lässt Layla die Leiche verschwinden. Der Zufall oder – sollte man besser sagen? – ein konstruiertes Drehbuch will es so: Einer der Bewerber für die Kasino-Jobs ist der Sohn des Toten.

    Die in Berlin lebende Filmemacherin Pia Marais, die selbst südafrikanische Wurzeln hat, porträtiert in ihrem dritten Spielfilm "Layla Fourie" eine Frau in Gewissensnöten. Den offensichtlichen Schwächen der zu schematischen und gewollten Handlung steht eine durchaus eindrucksvolle Inszenierung gegenüber. In der werden die Bedrohungslage, das Gewaltpotenzial und das steigende Sicherheitsbedürfnis in Südafrika gegenwärtig.

    "Layla Fourie" von Pia Marais - zwiespältig

    Ganz ohne Männer kommt dagegen "His & Hers" aus, ein bereits im Jahr 2009 fertiggestellter Dokumentarfilm aus Irland. Und das, obwohl sich hier 70 Frauen jeden Alters genau mit ihnen beschäftigen: mit Männern. Die Collage reicht dabei vom Mädchen, dessen Vater nicht will, dass es Jungs küsst ...

    "Daddy says: Don´t be kissing any boys ..."

    ... bis zur verwitweten Seniorin, die sich immer wieder nach ihrem Mann sehnt.

    "And there are nights, wenn I go to bed ..."

    Sie alle reden über ihre Väter, ihre Söhne, ihre Ehemänner und über ihr Verhältnis zu ihnen. Entstanden ist ein emotionaler, mal amüsanter, mal bewegender Bilderbogen.

    "His & Hers" von Ken Wardrop - empfehlenswert