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Fliegenkontrolle aus dem All

Tsetse-Fliegen übertragen die Schlafkrankheit und die Rinderseuche Nagana. Viele Länder investieren viel Geld in die Bekämpfung der Insekten und setzen Flugzeuge ein, die Gifte sprühen. Aber oft verpufft der Aufwand, weil gerade gar keine Tsetses vor Ort sind. Hilfe könnte aus dem All kommen.

Von Volkart Wildermuth |
    Hier brummen Tsetse-Fliegen in einem Labor. Ein Geräusch, das Angst machen sollte, meint der Insektenforscher Professor David Rogers von der Universität Oxford.

    "Tsetse-Fliegen sind heute die wichtigste Bremse für die Entwicklung Afrikas. Auf zehn Millionen Quadratkilometern fruchtbaren Bodens kann man in Afrika keine Rinder halten. Man kann sagen, die Tsetse-Fliegen halten Afrika in einem Stadium vor der landwirtschaftlichen Revolution."

    Rinder liefern nicht nur Fleisch und Milch, ihr Dung steigert die Erträge der Felder, ihre Kraft zieht Pflug und Karren. Werden die Rinder krank, sinken die Einnahmen der Bauern. Geschätzter Schaden laut der Welternährungsorganisation FAO: 4,5 Milliarden Dollar im Jahr. Seit Jahrzehnten wird versucht, Tsetse mit Insektiziden und Fallen zu kontrollieren. Das funktioniert im Prinzip, ist aber aufwendig und teuer. Vor allem für Ländern wie Kenia, wo die Fliegen nicht immer an der gleichen Stelle und zur gleichen Zeit auftreten, so Prof. Joseph Messina von der Michigan State University.

    "Die Fliegen sind sehr von ihrer Umgebung abhäng, vom Klima, der Temperatur und der Landschaft. Nur wenn man in Raum und Zeit sehr präzise ist, kann man die Tsetse-Fliegen kontrollieren."

    Diese Präzision möchte Joseph Messina steigern und zwar vom All aus, mit Daten der beiden NASA Satelliten Terra und Aqua. Diese Satelliten beobachtet die Erde in verschiedenen Frequenzbändern, und ermöglichen so Aussagen über die Tages- und Nachttemperatur und den Pflanzenbewuchs erlauben. Alle acht Tage werden diese Daten veröffentlicht und Joseph Messina leitet daraus die Verbreitung der Tsetse-Fliegen ab. Das ist gar nicht so einfach, eine sinnvolle Interpretation der High-Tech-Informationen ist nur möglich, weil Forscher seit der Kolonialzeit genau vermerkt haben, bei welchen Temperaturen bei welcher Feuchtigkeit und welcher Art der Landnutzung die Fliegen gehäuft auftreten. Die Kombination aus Satellitendaten und langfristigen Erfahrungen erlaubt eine ziemlich genaue Vorhersage der Tsetse-Population in Raum und Zeit. Das hat Joseph Messina auch direkt vor Ort überprüft.

    "Wir haben uns Orte ausgesucht, an denen unser Modell sagt: da sind Fliegen, die Kenianischen Behörden aber meinten, da wäre nichts. An sieben stellen haben wir also nach infizierten Rindern gesucht, mit Tierärzte und Bauern gesprochen und Fliegenfallen aufgestellt. An sechs der sieben Stellen wurden wir fündig. Das funktioniert seht gut und ist effektiv."

    Über die zielgenaue Fliegenbekämpfung per Satellit könnte Kenia das Tsetse-Problem mit etwa 20 Millionen Dollar im Jahr in den Griff bekommen. Eine flächendeckende Fliegenkontrolle würde dagegen über 100 Millionen Dollar kosten.

    "Die Kenianer sind glücklich mit dem Modell. Ich bin sicher, die zuständigen Behörden werden unser Modell einsetzten."

    Zumal es Joseph Messina kostenlos zur Verfügung stellt. Wenn bekannt ist, wo die Tsetse sich vermehrt, ist die Kontrolle im Übrigen recht einfach. Die Fliegen lieben die Farbe Blau und lassen sich leicht mit blauen Tüchern in Fallen locken. Die Fallensteller kommen allerdings auch mit Satellitenhilfe immer etwas zu spät. Die Daten der beiden NASA Satelliten sind bei ihrer Veröffentlichung schon 45 Tage alt. In der Praxis ist das nicht so schlimm, weil Tsetse Fliegen sich nur langsam vermehren. Trotzdem will Joseph Messina in Zukunft die Daten aus dem All in regionale Klimamodelle einspeisen.

    "Die können dann eine Woche oder einen Monat im Voraus berechnen, wie warm es sein wird und wo es regnet. Wir könnten vorhersagen, wo die Tsetse sein wird und einen Ausbruch stoppen, bevor er sich richtig entwickelt hat. Das ist die vorderste Front der Forschung."