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Flipflops auf Mauritius

Wer nach Mauritius fährt und nicht in den dortigen Bergen wandern will, braucht eigentlich nur ein Paar feste Schuhe und Flipflops. Auf Mauritius haben die Flipflops die Sandale oder andere Zehentreter komplett verdrängt.

Von Antje Allroggen |
    Vielleicht liegt Mauritius gar nicht im Indischen Ozean, sondern in der Karibik. So könnte man erklären, warum es hier so viele junge Männer mit langen dunklen Rasterlocken gibt, die auf dem Kopf gehäkelte Mütze tragen, gestreift in den Jamaika-Farben. Wie in vielen anderen afrikanischen Ländern auch wird auf Mauritius sehr gerne Reggae gehört und Bob Marley hoch verehrt. Berühmt wurde die jamaikanische Musik auf der ehemaligen Ile de France vor mehr als 25 Jahren, als Kaya, ein Musiker aus Mauritius, auf die Bühne ging und Regimekritik im Reggae-Sound übte. Identitätsstiftend wurden die Rhythmen, als er den Reggae mit der traditionellen Sega mischte und sogar sein Leben für die Freiheit seiner Musik ließ.

    Und auch das Mädchen aus Ipanema geht längst nicht mehr nur am Strand der Copa Cabana entlang. Seit einiger Zeit hat es auch die ehemalige Ile de France erreicht.

    Dass das Mädchen aus Ipanema so leichtfüßig am Strand entlanggehen konnte, lag sicherlich an ihren Schuhen – sie muss einfach Flipflops getragen haben! Nur so konnte sie dem Bossa nova der 60er-Jahre eine anmutige Form geben. Auch auf Mauritius gibt es dunkelhäutige Schönheiten, deren Gang vielleicht nicht immer so elegant-grazil aussieht wie der des Mädchens aus Ipanema, vielleicht aber doch ähnlich klingt.

    Wie an den anderen angesagten Badeorten dieser Welt ist das Angebot an Flipflops auf Mauritius überwältigend. Flipflops in bunten Farben, Flipflops mit kleinen Strasssteinchen, Flipflops mit applizierten Blumen, Flipflops im Army-Stil, Flipflops mit Mickey Mäusen. Der angesagteste Flipflop-Laden auf Mauritius heißt übrigens "Ipanema" – ein englisches Label, das das brasilianische Super-Model Gisèle Bündchen seit zehn Jahren mit Flipflops über die Laufstege gehen lässt.

    Man denkt beim Tragen einfach immer an Strand und Exotik, sagt Shirley. Früher, als sie noch ein Kind war, durfte sie die Plastikschuhe mit dem schmalen Zehenriemchen nur im Haus tragen. Sie galten als zu unfein, um sie auch in den Bussen oder auf den Gehwegen von Mauritius spazieren zu tragen, erinnert sie sich heute.

    "Als ich jünger war, schämte ich mich, mit Flipflops an den Füßen Bus zu fahren. Die Leute hätten sagen können, dass ich ja gar keine richtigen Schuhe trage. Aber ich glaube, heute sehen die Leute das nicht mehr so. Die Flipflops sind ein öffentliches Vergnügen geworden, einfach jeder trägt sie hier."

    Und das, obwohl die kreolisch oder französisch sprechende Bevölkerung auf Mauritius den onomatopoetischen Begriff "Flipflop" gar nicht kennt, sondern die Plastiktreter weniger lautmalerisch "savattes" nennt. Kaum jemanden hindert es auf Mauritius daran, auf die neumodische Zehenstegsandale zu verzichten. Selbst auf Hochzeiten trage die Braut auf Mauritius Flipflops, wenn auch mit einem kleinen dezenten Absatz versehen, erzählt Shirley.

    Bräute auf Mauritius tragen sie, auch die christlichen Geistlichen, muslimischen Muezzins oder indischen Prediger. Der Flipflop ist auf Mauritius ein Schuh, der kultur-und religionsübergreifend getragen wird, meint Shirleys indischstämmige Freundin Rita.

    "Es gibt Leute unterschiedlichster religiöser Herkunft, die auf Mauritius leben: Hindus, Moslems, Christen. Selbst die Hindus tragen hier Flipflops, wie auch die Christen indische Sandalen, die Champalas, tragen. Auch Shirley, die Katholikin ist, trägt eine indische Sandale. Jeder kann hier Flipflops tragen."

    Auch die Kinder auf Mauritius lieben Flipflops. Die Einheimischen häufig in viel zu großen Größen – Hauptsache, sie haben überhaupt einen Schuh am Fuß. Aber auch Kinder, die auf der Insel Urlaub machen oder eine Zeitlang hier leben - so wie wir:

    "Ich war einfach dumm am Anfang und wusste noch nicht so viel. Dann hab ich die einfach da abgestellt, ganz nah am Meer, und dann waren die auf einmal weg, und ich hab sie nicht mehr wiedergefunden. Auf jeden Fall waren die aus Deutschland und da war so pink, gelb, grün und ein bisschen blau drauf. In der Schule darf man die leider nicht tragen, aber sehr viele Kinder tragen trotzdem Flipflops, sogar meine Lehrerin steht fast jeden Tag mit Flipflops da. Hier hab ich jetzt zwei Paar Flipflops, aber es gibt Leute wie meinen Geigenlehrer, die haben für den Strand ein Paar Flipflops, für zuhause ein Paar Flipflops und auch für die Gartenarbeiten ein Paar Flipflops und zum Ausgehen, auch Feste, haben die auch ein Paar Flipflops. Das ist richtig cool und witzig."

    Als ich neulich im Flugzeug auf dem Weg von Deutschland nach Mauritius neben einer Luxemburgerin saß, die einen Mann von der Insel geheiratet hat, sagte sie mir, dass sie immer ein Paar Flipflops in ihrem Gepäck habe; ohne die sei man nicht richtig auf Mauritius angekommen. Ganz andere Assoziationen verbindet Willy mit den Plastikschuhen. Er ist in Kenia aufgewachsen und lebt seit einigen Jahren auf Mauritius:

    "In Kenia sind Flipflops sehr beliebte Schuhe. Meistens sind sie aus Autoreifen hergestellt. Vor allem der Massai-Stamm trägt sie. Man kauft so ein Paar und hat sie ein ganzes Leben lang. Deshalb nennen wir sie die Tausendmeilen-Schuhe. Weil man mit diesen Schuhen ohne Probleme 1000 Meilen zurücklegen kann, weil sie überhaupt nicht schwer sind. Als Kind habe ich immer so ein Paar gehabt, sie waren immer handgemacht, wir haben sie nie in einem Geschäft gekauft, sie waren für mich die vollkommenen Schuhe."

    In diesen Teilen Afrikas, die es auf Mauritius durchaus auch gibt, ist das Mädchen aus Ipanema noch nie gewesen: In den Slums der Städte oder in kleinen Häusern aus Wellblech, die die Touristen der Insel nur selten zu Gesicht bekommen, tragen die Menschen Flipflops, weil sie schlichtweg kein Geld für andere Schuhe haben. Sie bewegen sich mit einem abgewetzten Stück Plastik, das ihnen als Fußsohle dient und durch einen locker gewordenen Riemen um den dicken Zeh gehalten wird.

    Shirley ist weder arm noch wohlhabend. Sie verdient als Kindergärtnerin weniger als drei Euro in der Stunde. Um sich ein Paar neue Schuhe zu kaufen, geht sie nicht in den Ipanema-Laden von Grand Baie, sondern fährt mit dem Bus auf den Markt von Goodlands. So machen es alle, die nicht so viel Geld verdienen. Die wenigen anderen tragen nicht nur ihre Flipflops, sondern auch ihre braun gebrannten Füße zur Schau: An den Zehen dieser Frauen befindet sich roter, rosafarbener, mitunter sogar blauer Nagellack. Die ganz modebewussten tragen selbst ihre Zehennägel im French-Nail-Look.

    Auch ich habe die Flipflops erst auf Mauritius so richtig schätzen gelernt, noch nie habe ich so viele Paare besessen wie hier. Zuhause lagen sie meistens im Keller. Flipflops brauchen einfach die Sonne, am besten noch die tropische, Palmen und das Meer. Sie sind das erste Kleidungsstück, das in mein Handgepäck verschwindet, wenn ich "Heimaturlaub" mache und das Flugzeug in Plaisance im Süden von Mauritius betrete. Strümpfe verhüllen den gebräunten Fuß, der wieder in einen regendichten festen Schuh gesteckt wird, und das Mädchen aus Ipanema nimmt Abschied. In Deutschland, wo viele Leute dazu übergegangen sind, selbst im Sommer Stiefel mit Fellfutter zu tragen, wird es mir fehlen.