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Fluch und Segen der Subventionen: Ein Winzer in Nea Aghialos

Im ganzen Land ist Nea Aghialos wegen des Weins und des Tsipouro bekannt, vergleichbar mit dem italienischen Grappa. Darauf hat sich der 44-jährige Nikos Tokalis spezialisiert. Er produziert den ersten biologisch hergestellten Tsipouro Griechenlands – 80 Tonnen jährlich.

Von Panagiotis Kouparanis | 10.06.2010
    Zum biologischen Anbau kam er zufällig. Als er in Athen Landwirtschaft studierte, wurden Tests mit einem biologischen Insektizid durchgeführt. Als eine Kiste davon übrig blieb, durfte er sie mitnehmen. Er besprühte damit ein Weinfeld seines Vaters.

    "In diesem Jahr war der Wurmbefall besonders schlimm. Das einzige Feld in Nea Aghialos, das Trauben produzierte, war meins. Die Folge davon ist, dass heute 95 Prozent des Weins bei uns in der Umgebung nach dieser Methode behandelt werden. Nicht weil die Weinbauern zu Bioproduzenten geworden sind, sondern weil diese Methode effektiv ist."

    Den Wein baut er kontrolliert biologisch an, beim Weizen wiederum arbeitet er konventionell. Er hat das mehrmals durchgerechnet, sagt Tokalis, und legt dabei fast automatisch die Hand auf seinen Laptop, den er immer - auch auf den Feldern – dabei hat.

    Rund 12 Prozent der griechischen Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Mit durchschnittlich fünf Hektar leben sie mehr schlecht als recht. Der Agrarunternehmer Nikos Tokalis bewirtschaftet dagegen fast 60 Hektar, baut nicht nur Wein und Weizen an, sondern auch Oliven- und Mandelbäume. Die meisten Felder hat er gepachtet.

    Die Steuer für den reinen Alkohol ist seit 2009 vier Mal gestiegen - insgesamt um 90 Prozent. Nach der letzten Erhöhung im Mai wurden mehrere Aufträge für Tsipouro storniert.

    Jetzt geht es für Tokalis nicht darum, Gewinne zu machen, sondern durchzuhalten. Und er appelliert, die Situation endlich als Chance zu begreifen, um Missstände abzuschaffen. Aber diese Bereitschaft sieht er noch nicht, sagt Nikos Tokalis mit wegwerfender Armbewegung.

    "Ich kenne viele Landwirte, die Felder von Leuten gepachtet haben, die in Athen leben. Diese Leute, die Landbesitzer, kommen am Tag der Antragstellung für Agrarsubventionen hierher und fahren danach wieder ins Athener Nobelviertel Kolonáki, wo sie wohnen. Der Landwirt, der tatsächlich das Land kultiviert, geht leer aus, er macht aber mit, weil er seine Familie ernähren muss."

    Wer hat bei den Subventionen betrogen, bei den Steuern, wer ist bestochen worden? Tokalis drängt darauf, jetzt Tabula rasa zu machen, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen – sonst sieht er auf Griechenland soziale Unruhen zukommen.

    Das aber will Nikos Tokalis auf keinen Fall.

    "Die produktiven Kräfte des Landes müssen freigesetzt werden. Der griechische Bürger ist intelligent, er ist fleißig. Aber er darf nicht ständig von einer Bürokratie drangsaliert werden, die nur nach Bestechungsgeld trachtet. Mit anderen Worten: Die Beamtenscharen müssen reduziert werden."

    Im Herbst möchte Nikos Tokalis auch mit der Herstellung von Wein beginnen. Die Destilliermaschinen aus Italien sind bereits aufgestellt. Er hat es überschlagen – mehr als 20 Unterschriften aus verschiedenen Ämtern muss er noch zusammentragen, damit er sie in Betrieb nehmen kann. Doch er hat Zweifel, ob er die bürokratischen Hürden rechtzeitig überspringen wird.

    Es ist Nacht geworden in Nea Aghialos. Nikos Tokalis muss noch Büroarbeiten erledigen. Er weiß nicht, wann er damit fertig wird, aber eins ist sicher, sagt er augenzwinkernd: morgen früh um viertel nach Fünf klingelt sein Wecker.