Archiv

Flucht aus Aleppo
Türkei lässt syrische Flüchtlinge an der Grenze warten

An der Grenze von Syrien und der Türkei harren zehntausende Flüchtlinge aus. Die Türkei lässt die Menschen aus Aleppo und Umgebung nicht ins Land. Hilfsorganisationen versorgen sie, aber die Menschen haben Angst, dass die syrischen Regierungstruppen ihnen bis an die Grenze nachsetzen.

Von Thomas Bormann |
    Zwei Männer sitzen an einer Mauer.
    Flüchtlinge am Grenzübergang Oncupinar in der Stadt Kilis. (picture alliance / dpa / Sedat Suna)
    Zu Tausenden harren sie aus am Grenzzaun. Sie frieren und sie haben Angst: Flüchtlinge aus der umkämpften Stadt Aleppo und dem Umland. Eine Frau, die schon seit vorgestern mit ihren Kindern hier wartet, zeigt auf den geschlossenen Grenzübergang zur Türkei:
    "Die müssen doch jetzt die Tore öffnen und uns in die Türkei lassen. Hier können wir nicht bleiben. Syrien ist zerstört. Schauen Sie sich doch um. Überall Krieg, über uns die Kampfflugzeuge, wir können hier nicht einmal schlafen."
    Ein paar hundert Meter von dieser Frau entfernt, auf der türkischen Seite der Grenze, steht Süleyman Tapsis. Er ist der Gouverneur der türkischen Grenzprovinz Kilis und erläutert in einer improvisierten Pressekonferenz unter Regenschirmen: Alles sei unter Kontrolle. Für alle Flüchtlinge werde gesorgt, allerdings auf der syrischen Seite der Grenze:
    "Wir haben dort Unterkünfte für 30.000 bis 35.000 Menschen geschaffen. Deshalb gibt es momentan keine Notwendigkeit, die Flüchtlinge in die Türkei zu lassen. Wir haben sie mit allem versorgt, was sie zum Leben brauchen."
    Hunderte Zelte, aber nicht alle sind beheizt
    In der Tat: Türkische Hilfsorganisationen bringen Lebensmittel über die Grenze, sie haben hunderte Zelte für die Flüchtlinge aufgestellt. Aber nicht alle Zelte sind beheizt. Es ist bitterkalt, nur 3 bis 7 Grad, und es regnet immer wieder. Die Flüchtlinge frieren. Ein kleines Kind, gerade mal ein Jahr alt, soll schon erfroren sein, klagen die Flüchtlinge. Und: Sie fühlen sich unsicher, wenn sie aus der Ferne das Geschützfeuer hören. Sie haben Angst, die syrischen Regierungstruppen könnten bis hierher, an die Grenze vorstoßen.
    Die türkischen Behörden aber halten die Grenze geschlossen. Abdulkerrem Hanura, der als Grenzpolizist auf der syrischen Seite arbeitet, findet das falsch. Wenigstens Frauen und Kinder sollte die Türkei durchlassen, sagt er, und schildert die Not in seinem Heimatland:
    "In den letzten 15 Tagen haben die Russen ihre Luftangriffe im gesamten Norden des Landes konzentriert. Sie haben Krankenhäuser und Wohnsiedlungen angegriffen. Den Menschen bleibt nichts anderes als zu flüchten."
    Russland kämpft gemeinsam mit den Regierungstruppen des syrischen Diktators Assad. Während russische Kampfflugzeuge Bomben abwerfen, rücken Assads Truppen auf dem Boden vor. Sie wollen die Rebellen verdrängen, die noch Teile der Millionenstadt Aleppo kontrollieren. Auch das nördliche Umland Aleppos ist noch in der Hand der Rebellen, ebenso der Grenzübergang zur Türkei, an dem sich jetzt die Flüchtlinge sammeln.
    Flüchtlinge fühlen sich an der Grenze nicht sicher
    Die türkische Regierung hatte schon mehrfach vorgeschlagen, dieses Gebiet im Norden Syriens zu einer Schutzzone zu erklären: einer Schutzzone, in der Flüchtlinge angesiedelt werden, einer Schutzzone, die von internationalen Truppen verteidigt wird, so die türkischen Pläne.
    Noch hat aber kein anderes Land diesen Schutzzone-Plänen zugestimmt. Deshalb fühlen sich die syrischen Flüchtlinge hier nicht sicher, deshalb flehen sie darum, dass die Türkei sie aufnimmt – wie dieser Mann:
    "Wir sind mit unseren Familien hierhergekommen, mit Kindern und mit Babys. Wir wollen in die Türkei, die doch schon so vielen Menschen geholfen hat. Präsident Erdogan hat doch gesagt, die Syrer seien Brüder. Er darf uns nicht im Stich lassen."