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Flucht aus Tibet

Tibet – diesem Land hat sich die Filmemacherin Maria Blumencron verschrieben. Nicht wenige Kinder, behauptet sie, wurden von ihren Eltern über verschneite Pässe Hunderte von Kilometer durch den Himalaya in die Schulen des Dalai Lama nach Nordindien geschickt. Nun ist daraus ein Spielfilm entstanden.

Von Josef Schnelle |
    "Es gibt viele Gründe, nach Tibet zu reisen. Die Touristen im Bus waren hergekommen wegen der buddhistischen Klöster und der fremden Kultur. Ich wollte eigentlich nur einen Berg bezwingen."

    Die österreichische Schauspielerin und Filmemacherin Maria Blumencron ist in mancher Hinsicht umstritten. In drei Dokumentarfilmen und drei Büchern hat sie ihre Tibet-Faszination ausgelebt. Ihr Erweckungserlebnis - der Anblick zweier erfrorener tibetischer Mädchen in einer Schneehöhle - kommt leicht verfremdet auch im Film vor, in dem Jungstar Hanna Herzsprung sie verkörpert. Maria Blumencron erfuhr, dass jedes Jahr mehr als 1000 Kinder über die verschneiten Pässe des Himalaya illegal nach Indien fliehen, um in der Nähe des Dalai Lama im Exil - dem indischen Provinzstädtchen Dharamsala - eine bessere Zukunft zu finde

    Bei "Beckmann" und in anderen einschlägigen Talkshows wurde Maria Blumencron, die auch einen Unterstützerfonds gründete und ein tibetisches Mädchen adoptiert hat, zu ihrem Lebensthema befragt. Nun hat sie also einen Spielfilm zum Thema gedreht, der mit spektakulären Naturaufnahmen und mit großer Emotionalität bewegt. Für die Abenteurerin Johanna bleibt es nicht bei dem gescheiterten Versuch der Bezwingung eines Achttausenders - des sechsthöchsten Berges der Erde. Johanna wird nach einem Sturz in eine Gletscherspalte in die Fluchtbemühungen einiger Kinder involviert und lernt den tibetischen Untergrund kennen. Die wichtigsten Ratschläge bekommt sie von Tashi.

    "Ihr könnt euch in den Höhlen verstecken. Sobald die Chinesen vorbei sind, führst du die Kinder über die Grenze. Ich mach euch den Weg frei."

    Ein Teil dieses Films wurde unter klandestinen Bedingungen in Tibet gedreht, ein Teil in 3500 Metern Höhe in Ladakh/Indien und - als wegen der politischen Verhältnisse gar nichts mehr ging an den Originaldrehorten - auf dem Jungfraujoch in den Schweizer Alpen. "Wie zwischen Himmel und Erde" ist kein politisch ausgewogener kluger Film. Man sollte eher der Faszination der Landschaft und der Abenteuergeschichte folgen, als ihn als Kommentar zur Situation der Tibeter unter dem Joch der Chinesen zu sehen, auch wenn der hässliche chinesische Major Wang Bao alle Klischees eines James-Bond-Bösewichts übererfüllt.

    "Also fangen wir wieder an. Wo ist der "Golden Boy"? - "Keine Ahnung, was Sie damit meinen." – "Sie arbeiten wofür? Den tibetischen Untergrund?" – "Tibetischer Untergrund?" – "Ihre Freundin Meto ist eine Terroristin. Wo ist ihr Komplize? Reden Sie!"

    Der fiktive "Golden Boy" gilt in der Geschichte als der legitime Nachfolger des 14. Dalai Lama, der in Deutschland so beliebt ist, wie sonst nur Pop-Stars. Vielleicht ist die Auswahlmethode samt Wiedergeburtsvermutung ja einigermaßen merkwürdig. Doch dem kleinen Auserwählten ins indische Exil zu verhelfen, das ist schon eine guter Kern des Films. Aber er birgt auch weiteres Konfliktpotenzial. Alle Kinder retten oder nur den künftigen 15. Dalai Lama?

    "Der Dalai Lama wird älter. Wir müssen seine Nachfolge sichern. Der "Golden Boy" ist auserwählt. Auch wir sind auserwählt worden, ihm den Weg zu bereiten, um ins Exil zu gehen." - Du kannst doch nicht gehen. Was soll den bloß aus den Kindern werden?" – "Der "Golden Boy" muss rausgebracht werden aus Tibet." – "Aber doch nicht von Dir. Diese Kinder sind völlig abhängig von Dir. Sie sind Dir anvertraut worden." – "Du kannst das nicht verstehen."

    In ihrer wahren Geschichte konnte Maria Blumencron die Kinder nicht retten. Nach der Verhaftung durch die Chinesen und zwei Tagen in deren Gewahrsam gab sie auf. Ihre Filmfigur lässt sie nun vollenden, was ihr selbst nicht gelang. Das macht den Film sehr persönlich und engagiert. Schade nur, dass Maria Blumencron zwischen ihrem Sendungsbewusstsein für die tibetische Sache und ihrem Vergnügen am spannenden Abenteuer so oft die Perspektive wechselt. Viel Schnee. Viel Klischee.