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Flucht in die Selbstbestimmung
Wie sich Asylbewerberinnen in Deutschland emanzipieren

Für geflüchtete Frauen ist das Leben in Deutschland eine Chance, um sich aus traditionellen Geschlechterrollen zu befreien. Sie finden männliche Freunde, eigenes Einkommen, ein Leben abseits der Familie. Doch das führt zu Konflikten mit traditionell eingestellten Männern aus ihren Herkunftsländern.

Von Claudia van Laak |
Man sieht zwei Frauen mit Kopftuch von hinten auf einer Allee.
Auf neuen Wegen: Frauen aus konservativen islamischen Ländern fühlen sich durch die Gesetze hierzulande sicher und entwickeln neues Selbstbewusstsein (picture-alliance / Ralf Hirschberger)
Eine helle Altbauwohnung im Berliner Stadtteil Oberschöneweide. Am weißen Küchentisch sitzt Fatima Almehio. Ihre vier Kinder Sima, Hasna, Hala und Bashir haben sich im Halbkreis hinter sie gestellt - als wollten sie ihrer Mutter den Rücken stärken. Die Syrerin möchte ihre Geschichte erzählen. Wie sie vor drei Jahren ihren Mann in Aleppo zurückgelassen hat und mit ihren vier Kindern nach Berlin gekommen ist. Wie sie einen Kulturschock erlitt - küssende Paare auf der Straße! - und wie Fatima Almehio langsam, aber sicher realisierte: Verglichen mit ihrem Heimatland Syrien geht es den Frauen in Deutschland besser.
"Guck mal, wenn die Frau hier zur Arbeit geht, dann ist sie genauso wie ein Mann. Aber wenn sie in Syrien ist, braucht sie immer die Hilfe eines Mannes. Ohne diese Hilfe kann sie gar nichts."
Fatima Almehio ist 33. In einem Alter, in dem manche deutsche Frau zum ersten Mal Mutter wird, hat die Muslima bereits einen Sohn und drei Töchter auf die Welt gebracht. Bei ihrem ersten Kind - Bashir - war sie gerade einmal 17.
"In unserer Heimat, in unserer Kultur ist es ein bisschen anders. Männern arbeiten, Frauen sind zuhause."
Kontrolle rund um die Uhr
In Aleppo wurde sie rund um die Uhr von ihrem Ehemann und ihrer Schwiegermutter kontrolliert, erzählt Almehio. Das Haus sei das Reich der Frauen. Alles vor der Tür gehöre allein den Männern. Verheiratete Frauen, die ein eigenes Leben abseits ihrer Familie haben? Undenkbar. In Berlin lernte sie Mütter kennen, die sich abends mit einem alten Freund trafen. Ohne Ehemann.
"Das war eine Überraschung für mich. Ich finde, das ist viel, viel besser als in unserer Kultur. Sie haben viel frei Kopf, nicht wie bei uns. - Den Kopf frei meinen Sie? - Ja, den Kopf frei. Habe ich es andersrum gesagt?"
Fatima Almehio muss kichern. Sie ist eine fröhliche Frau. Wenn sie lacht, wirft sie den Kopf nach hinten und schüttelt ihre langen, dunklen, glatten Haare. Den Kopf hat sie erst seit Kurzem frei. Das Kopftuch - den Hijab - hat sie bewusst abgelegt: "Ja, ich bin Muslima. Ich akzeptiere das. Aber ich bin auch frei."
Leicht war es nicht, den Hijab abzulegen
Sie steht auf, geht ins Schlafzimmer zum Kleiderschrank und steigt auf einen Stuhl. Die Kopftücher wollte sie nicht mehr sehen, deshalb hat sie sie ganz hinten in den Schrank gepackt.
"Wie viele gibt es denn noch? Hast Du sie alle verwahrt? Versteckt da oben?", fragt die Reporterin. Fatima Almehio streckt sich und greift in das oberste Fach: "Manchmal mache ich sie wie einen Schal um den Hals. Manche sind dünn, manche sind dick. Wenn Winter ist, geht das."
Pink, beige, hellblau. Gestreift, gepunktet, geblümt. Baumwolle, Seide. Ein großer Stapel Kopftücher, den Fatima Almehio jetzt nicht mehr braucht, um sich zu verhüllen. Nur um sich zu wärmen und zu schmücken. Leicht war es nicht, den Hijab abzulegen.
"Also hinter mir haben sie viel geredet: ‚Die Frau ist nicht sauber, die Frau ist nicht gut. Weil, sie hat keinen Mann und macht, was sie will. Sie ist unnormal.‘ Sie haben viel über mich geredet. Aber das ist egal. Interessiert mich nicht."
Üble Nachrede - im Namen des Islam
Sie - das sind die syrischen Männer in der Flüchtlingsunterkunft und im Deutschkurs. Junge Männer, die ihre Söhne sein könnten. Trotzdem fühlten sie sich berufen, die 33-Jährige im Namen der Ehre, im Namen des Islam zu kritisieren. Doch Fatima Almehio bekam Unterstützung von anderen Frauen. Von Roya Vahedi zum Beispiel, die im Flüchtlingsheim arbeitet und inzwischen eine gute Freundin geworden ist.
"Fatima kam auch einmal mittags zu uns ins Büro mit Kopftuch und sie hat geweint. Erinnerst Du Dich? Sie hat gesagt: ‚Ich wurde heute in der Schule gemobbt und die Jungs haben mich sehr schlecht behandelt.‘"
Roya Vahedi legt beschützend den Arm um die Schulter ihrer Freundin Fatima. Die gebürtige Iranerin ist 1986 vor dem Mullahregime nach Deutschland geflohen. Sie kennt den Kampf muslimischer Frauen um Selbstbestimmung: "Fatima, bleib stark. Das ist deine Meinung, es ist dein Leben, es geht niemanden an. Viele mischen sich leider ein. Es ist nicht einfach, sich dagegen zu wehren. Man muss sehr stark sein. Und Fatima hat gezeigt, dass sie stark ist. Darüber freue ich mich sehr."
"Ich habe gesagt: Nee, nicht mehr mit Kopftuch!", erinnert sich Fatima Almehio. "Ich bin hier in Europa, ich lebe in Deutschland. Ich muss es anders machen. Danach habe ich Schritt für Schritt getan. Mit meinen Kindern, meinem Leben, mit allem."
Fatima floh mit vier Kindern
Fatima Almehio ist eine Ausnahme, nicht typisch für die vielen hunderttausend Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind. 70 Prozent der Erwachsenen sind Männer, nur 30 Prozent Frauen. Sie fliehen in der Regel zusammen mit ihren Ehemännern und Kindern.
"Es ist so, dass Flucht extrem riskant ist. Und für Frauen riskanter als für Männer", erläutert Herbert Brücker, Direktor des Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung in Berlin. "Darum fliehen Männer sehr häufig alleine oder im Verband mit Freunden. Frauen flüchten fast immer nur im Familienverband oder zumindest im Verband mit Verwandten. Eine junge, alleinstehende Frau wird in der Regel nicht flüchten."
Junge Männer, meist in Gruppen unterwegs - das ist das prägende Bild in der Öffentlichkeit. Männer dominieren auch die Deutschkurse. Frauen sind hier deutlich unterrepräsentiert. Nicht zuletzt verdienen nur wenige Frauen ihren Lebensunterhalt selbst, indem sie arbeiten gehen. Die allermeisten sind zuhause, kümmern sich um ihre Kinder.
"Der Hauptgrund ist die ganz andere familiäre Situation von Männern und Frauen. Gut 70 Prozent der Frauen haben Kinder oder Kleinkinder. Bei den geflüchteten Männern sind es nur 30 Prozent. Der Anteil ist also viel geringer."
Traditionelle Rollenverständnisse
Integrationsforscher Brücker hat die Ansichten und Wertvorstellungen der Geflüchteten empirisch untersucht. Ein unerwartetes Ergebnis: Wird nach den unterschiedlichen Rollen von Frauen und Männern gefragt, unterscheiden sich die Antworten der Geflüchteten nicht stark von denen der Deutschen.
"Wenn wir solche Fragen stellen, wie: ‚Ist die Bildung ihrer Söhne wichtiger als die ihrer Töchter?‘ Dann haben wir vergleichbare Größenordnungen wie in der deutschen Bevölkerung. Wenn wir Fragen stellen wie: ‚Ist es für die Unabhängigkeit einer Frauen wichtig, erwerbstätig zu sein?‘ Dann sind die Antwortwahrscheinlichkeiten gleich verteilt wie in der deutschen Bevölkerung."
Die Erklärung von Migrationsforscher Brücker: Diejenigen, die nach Deutschland geflohen sind, seien nicht repräsentativ für die Herkunftsgesellschaft. Gekommen seien die höher Gebildeten, eher westlich Orientierten. Doch die Forschungsergebnisse sind widersprüchlich.
"Wir wissen aus qualitativen Befragungen, die wir mit Psychologen durchgeführt haben in den Haushalten von Geflüchteten, dass, je näher wir herankommen an die persönliche Situation der Geflüchteten, an die Arbeitsteilung im Haushalt, an das Bild der Frau in der Öffentlichkeit, dass es dann eben doch Unterschiede gibt. Und die spielen auch eine Rolle."
Konservatives Familienbild bei der Mehrheit
Sex vor der Ehe wird von einer großen Mehrheit der Befragten abgelehnt, ebenso Abtreibung und Homosexualität - Indizien für ein traditionelles Rollenverständnis, für ein konservatives Familienbild, das auch mit dem Islam zu tun hat.
"Es ist in der Tat so, dass die Religiosität der Geflüchteten sehr viel verbreiteter ist als in der deutschen Bevölkerung. Aber das ist jetzt keine Überraschung. Das Kopftuch ist etwas weniger verbreitet, als wir annehmen. Ich würde sagen, ein Drittel der Frauen trägt Kopftuch."
In der iranisch-afghanischen Frauengruppe Pol - persisch für Brücke - tragen nur zwei von 15 Frauen ein Kopftuch. Die Initiative ist aus der "Women‘s Welcome Bridge" heraus entstanden, einer Online-Plattform für Berlinerinnen und geflüchtete Frauen. Jeden Dienstag trifft sich die "Brücke" im Berliner Frauenbildungszentrum "Raupe und Schmetterling".
"Als Frau kann ich hier jede Menge Sachen machen"
Im silbernen Samowar blubbert der schwarze Tee, daneben steht ein Topf mit Linsensuppe. An diesem Nachmittag geht es ums große Ganze. Um die Liebe - in der alten Heimat und in der neuen. Um den Rechtsstaat - warum gilt im Iran vor Gericht die Aussage einer Frau weniger als die eines Mannes? Und natürlich um die Freiheit. Was bedeutet es, eine Frau zu sein - im Iran, in Deutschland, in Afghanistan?
"Das ist ein ganz großer Unterschied", erzählt Nastaran Mousavi. "Unsere Beziehungen, unser Verhalten wird in unseren Heimatländern ganz genau beobachtet. Ob ich mit jemandem eine Beziehung habe oder nicht und warum ich eine Beziehung zu einem Mann habe. Hier ist es kein Thema, einen Mann einfach als Freund zu haben. Das ginge gar nicht im Iran oder in Afghanistan."
Die Afghanin trägt kleine Perlenohrringe. Die schwarzen Haare hat sie zu einem schlichten Zopf zurückgebunden. Das Kopftuch hat Mousavi in Deutschland abgelegt. Die Frauen hier in der Gruppe haben mich dabei unterstützt, sagt sie und lächelt in die Runde.
"Im Iran und in Afghanistan kann man vieles nicht tun. Als Frau kann ich hier jede Menge Sachen machen. Hier hat man nicht das Gefühl, dass der Mann der Bessere ist. Ich selber fühle mich als die Bessere."
Gesetze vermitteln Sicherheit
Elahe Mirzamohamadi nickt. Die Mutter zweier Kinder ist nach ihrem Jurastudium mit ihrer Familie nach Berlin geflüchtet, träumt davon, in Deutschland Richterin zu werden. Im Iran werden Frauen systematisch diskriminiert, erzählt sie. Ein Ehemann darf seine Frau schlagen und vergewaltigen. Er kann sich jederzeit von ihr scheiden lassen. Umgekehrt gilt dieses Recht nicht.
"Der Punkt ist, dass man hier eine gesetzliche Unterstützung hat. Das führt dazu, dass sich hier ein Selbstbewusstsein entwickelt. Und was auch noch wichtig ist: Die Gesetze vermitteln den Frauen ein Gefühl von Sicherheit."
In Berlin unterstützt ein Netzwerk von Alt- und Neuberlinerinnen die vor kurzem nach Deutschland gekommenen Frauen. Diejenigen, die vor 20 oder 30 Jahren aus streng konservativen islamischen Ländern in eine liberale westliche Demokratie geflüchtet sind, geben ihre Erfahrungen weiter. Ähnlich wie Roya Vahedi die Syrerin Fatima Almehio auf ihrem Weg in ein unabhängiges Leben unterstützt, macht es bei der iranisch-afghanischen Frauengruppe "Pol" Soheila Azadbakht.
Ehemänner ertragen ihren Machtverlust oft nicht
Viele Ehen werden hier auf eine harte Probe gestellt, weiß die gebürtige Iranerin, die die Frauengruppe leitet. Die Ehemänner ertrügen ihren Machtverlust oft nicht.
"Es ist so, dass sie dort bestimmen. Bei jeder Sache. Wenn du zum Beispiel alleine verreisen willst, dann muss der Mann unterschreiben. Und hier hat er nicht die Möglichkeit, irgendein Papier zu unterschreiben. Die Rolle wird denen einfach abgesprochen. Und damit kommen sie nicht klar. Ich möchte gerne bestimmen, habe aber auf einmal keine Macht."
Und keinen Status in der neuen Gesellschaft. Zum Beispiel der syrische Polizeichef, der in seinem Heimatland 1.000 Polizisten unter sich hatte. Die Familie lebte in Luxus, die Ehefrau in einem goldenen Käfig. In Berlin wohnen sie nicht mehr in einer Villa, sondern in einem Flüchtlingsheim. Zu sechst auf 40 Quadratmetern. Die Kinder sprechen inzwischen besser Deutsch als der Vater, haben Freunde in Berlin. Auch die Ehefrau geht hier eigene Wege. Der Sozialarbeiter Mehmet Kiratli kennt diese Familie aus seiner Beratungsarbeit. Er arbeitet bei einem Projekt der Berliner Volkssolidarität: "Beratung für Männer – gegen Gewalt". Denn einige Männer reagieren auf den Macht- und Statusverlust mit Gewalt.
"Der Mann sieht keine Zukunft und zweifelt daran, warum er überhaupt geflohen ist. Ob es nicht besser gewesen wäre, dazubleiben und das dort alles zu ertragen. Und in dieser Situation - das trifft auf beide zu, dass beide ihre Emotionen nicht im Griff haben - da kommt es dann schon zu Gewalt. Dass die Männer hier Schuld suchen, nicht bei sich, sondern bei der Frau. Und es dann zur körperlichen Auseinandersetzung kommt."
Immer wieder: Die Ehefrau ist Eigentum ihres Mannes
Der 58-jährige Sozialarbeiter Mehmet Kiratli ist in der Türkei geboren. Deshalb fällt es ihm nicht schwer, die Probleme der syrischen, iranischen, irakischen Familienväter zu verstehen. Kiratli wird in die Flüchtlingsunterkünfte gerufen, wenn Männer dort ihre Frauen und Kinder geschlagen haben. Oder er spricht in der Beratungsstelle der Volkssolidarität mit Straftätern, die das Gericht zu ihm geschickt hat. Oft sei Unverständnis die erste Reaktion der Verurteilten, erzählt der Männerberater.
"Indem dann gesagt wird: Wie? Ich habe jetzt 20 oder 30 Jahre so gelebt, habe meine Kinder so großgezogen und von heute auf morgen soll ich meine Lebensweise, auch mit meiner Frau, ändern? Das geht doch nicht. Wenn die Frau selbstbestimmt leben möchte, dann hätte sie ja nicht heiraten dürfen. Wenn sie geheiratet hat, dann hat sie mir - ich mag das gar nicht sagen - ihr Recht, überhaupt zu sprechen, abgegeben."
Die Ehefrau ist Eigentum ihres Mannes - auf solche Vorstellungen trifft Sozialarbeiter Mehmet Kiratli immer wieder. Manchmal begännen die Probleme schon mit einem eigenen Facebook-Konto der Ehefrau.
"Der Mann sagt: Wir haben einen Account für uns und diesen Account kontrolliere ich und ich muss wissen, mit wem und wohin du schreibst. Somit hat der Mann auch die Kontrolle über die Frau. Und die Frauen lassen sich das nicht bieten und gehen dagegen an. Unter Umständen dann bis zu einer Anzeige."
Heimbetreiber schalten Polizei oft zu spät ein
Ob es in Flüchtlingsfamilien eher zu Gewalt kommt als im Durchschnitt der Bevölkerung, dazu gibt es keine Statistiken oder Untersuchungen.
Polizeihauptkommissar Michael Bendix-Kaden vom Berliner Landeskriminalamt jedenfalls widmet sich intensiv dem Schutz von Frauen und Kindern in und außerhalb von Asylbewerberheimen. Die Zentralstelle Prävention im LKA bietet Handreichungen für Flüchtlingsunterkünfte und die Möglichkeit für Heimbetreiber und Mitarbeiter, anonym bei der Polizei um Hilfe zu bitten. Polizeihauptkommissar Bendix-Kaden hat die Erfahrung gemacht, dass Heimbetreiber die Polizei zu spät einschalten. Der Grund sei, "dass man ein Stück weit die Unterkünfte freihalten möchte von dem Verdacht, dass dort Gewalt vielleicht auch in großem Maßstab eine Rolle spielt. Da kann ich bloß sagen: Wehret den Anfängen."
Eskaliert die Gewalt, brauchen die Opfer - meist Frauen und Kinder - sofort Schutz. Sie benötigen einen Platz in einem Frauenhaus. Gerade daran mangelt es in der Hauptstadt. Nach EU-Vorgaben bräuchte Berlin 500 Plätze, aktuell stehen allerdings nur 301 zur Verfügung. Viele geschlagene, misshandelte Frauen müssen deswegen warten. Ihnen bleibt oft nichts anderes übrig, als die Wohnung weiterhin mit ihrem gewalttätigen Ehemann zu teilen.
Sich wehren gegen permanente Vergewaltigung
Nach Angaben der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen konnte in den ersten Monaten dieses Jahres nur eine von drei Betroffenen sofort in ein Frauenhaus vermittelt werden. Außerdem sind die Frauenhäuser nicht auf Mütter mit drei, vier, mitunter fünf Kindern eingerichtet – durchaus üblich in Flüchtlingsfamilien, sagt Hauptkommissar Bendix-Kaden.
"Das ist dann oftmals schwierig, weil dann nur Plätze angeboten werden für eine Frau und ein paar der Kinder, dann aber nicht alle Kinder mitkönnen. Dann muss man gucken: Wo können die anderen Kinder untergebracht werden? Das sind mitunter so alltägliche Herausforderungen, vor denen dann die Einsatzkräfte stehen. Aber vor allen Dingen die Frauen selbst, die dann oftmals verzweifeln."
Und doch beobachtet auch der LKA-Beamte, dass viele Flüchtlingsfrauen zunehmend selbstbewusster werden. Der Polizeihauptkommissar erzählt von einer Syrerin, die bereits in ihrer Heimat, aber dann auch später in Deutschland permanent von ihrem Ehemann vergewaltigt wurde.
"Für sie war das aber Normalität. Erst, nachdem sie mehr als ein halbes Jahr hier in Deutschland weilte, und auch im Kontakt war mit den Sozialberaterinnen in der Flüchtlingsunterkunft, ist ihr bewusst geworden, dass das, was da passiert ist, Unrecht ist und dass sie das nicht erdulden muss."
Besser Deutsch lernen, Ausbildung beginnen
Fatima Almehio aus Aleppo ist ohne ihren Ehemann nach Berlin gekommen. Sie ist stolz auf ihre vier Kinder, die inzwischen besser Deutsch sprechen als ihre Mutter. Der 14-jährigen Hasna merkt man die arabische Muttersprache kaum noch an. Sie spricht fast akzentfrei Deutsch, trifft sich kaum noch mit den Freundinnen aus dem Flüchtlingsheim. Meine beste Freundin darf ich nur noch heimlich treffen, erzählt das Mädchen aus Aleppo. Die Eltern der Freundin hätten es ihr verboten, weil Hasna kein Kopftuch trage.
"Sie will es jetzt auch nicht mehr tragen. Sie hat gesagt, dass sie es wegmachen möchte. Aber ihre Eltern sind dagegen. Und wir haben nicht so viel Kontakt, weil ihre Eltern denken, dass ich schlecht bin, weil ich auch kein Kopftuch trage. Und weil ich anders bin. Ich gehe ja raus wie die anderen, mit kurzer Hose und so. Und sie darf es nicht."
Hasna hat zudem ein ungewöhnliches Hobby - das Boxen. Anfangs war Mama skeptisch, erzählt die 14-jährige und zwinkert ihrer Mutter zu. Doch jetzt sei sie stolz, weil ihre Tochter immer gewinne.
"Ich wollte immer Boxerin werden und das bin ich jetzt auch. Meine Mutter hat es mir früher nicht erlaubt. Jetzt hat sie gesagt: Darfst Du machen. Seit drei Jahren boxe ich und bin richtig gut. Und eigentlich hat sich meine Mutter positiv verändert und ich find´s richtig gut. Also, wir haben uns wirklich verändert."
Fatima Almehio will sich jetzt scheiden lassen. Die vierfache Mutter will auf eigenen Beinen stehen. Ihr Ziel: Besser Deutsch lernen und dann mit einer Ausbildung zur Erzieherin beginnen.