Mehr als 15 Mal hätte er es versucht - gestern hätte er es endlich nach Europa geschafft. In eine rote Decke gehüllt sitzen Valdemar und einige seiner Schicksalsgenossen an der Hafenmole von Algeciras mit dem stolzen Namen Principe Felipe - Prinz Philipp.
Die jungen Männer und einige wenige Frauen hatten Glück: Die spanische Seenotrettung hat die fast ausnahmslos aus Schwarzafrika stammenden Migranten aus einem der wackligen Schlauchboote gerettet. Fast 400 waren es in der Nacht zum Mittwoch. Einige von ihnen müssen noch immer auf engstem Raum auf der María Zambrano, dem Rettungsschiff ausharren. Ein paar Dixi Klos wurden installiert, es gibt Wasser und Essen, aber noch keine feste Unterkunft. Die Behörden und Hilfsorganisationen stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen.
Mit Schlauchbooten über die Meerenge von Gibraltar
Jose Ignacio Landaluce, der Bürgermeister der Hafenstadt Algeciras: "Bis vier Uhr morgens haben wir Flüchtlinge in die Mehrzwecksporthalle gebracht, aber einige wenige sind zurückgeblieben. Das Problem ist, dass immer mehr Migranten kommen. Uns fehlen Fachkräfte, Polizisten, verantwortliche Politiker und es mangelt am Interesse der Medien."
Bis Mitte der Woche fischten Seerettung und Guardia Civil allein 1.400 Migranten aus der Meerenge von Gibraltar. Jede Nacht kommen weitere hinzu, werden nach Tarifa, Barbate oder Algeciras gebracht. Im Juli und August herrschen eigentlich günstige Wetterbedingungen, um die 14 Kilometer zwischen marokkanischer und andalusischer Küste zu überqueren.
Spanien ist Haupteinfallstor geworden
"Es gab viele Wellen auf der Überfahrt und viele sind gestorben", erzählt der immer noch sichtlich geschockte Givril aus dem Senegal. Fast 300 waren es bislang in diesem Jahr auf dem Weg nach Spanien laut Information der Internationalen Migrationsbehörde.
Es drohen noch mehr zu werden: Spanien ist Haupteinfallstor für illegale Einwanderung über das Mittelmeer geworden - vor allem seit die italienische Regierung den Flüchtlingen den Zugang verwehrt und der spanische Ministerpräsident, der Sozialist Pedro Sanchez, die Geretteten der Aquarius mit viel Medienhype in Valencia aufgenommen hat.
Mehr Flüchtlinge als in Italien
Nach Algeciras schaut keiner, klagt denn der konservative Bürgermeister und Senator José Ignacio Landaluce nicht ohne politische Hintergedanken: "Spanien präsentiert das Problem nicht so gut, stellt nicht klar, welcher Druck durch die Migration entsteht. Ein Druck, der über die Zahlen hinausgeht. Denn die Zahlen mögen noch gering sein, aber da kommt noch etwas auf uns zu."
Rund 23.000 sind bislang dieses Jahr nach Spanien gekommen - mehr als nach Italien. "Früher - vor zehn Jahren kamen die Migranten in ähnlicher Zahl mit Booten übers Mittelmeer - das ist also nichts Neues", betont indes Pepe Villahoz von der Hilfsorganisation Algeciras Acoge. Villahoz fordert vor allem eine menschenwürdige Unterbringung und Behandlung der Ankömmlinge, von denen einige angeblich irgendwo in den Städten und auf dem Land campieren.
Algeciras rüstet sich
Zahlen des Migrationsbüros belegen indes: Insgesamt ist die Zahl derer, die die gefährliche Mittelmeerroute eingeschlagen haben, mit rund 54.000 nur halb so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Die Route und damit die Last der Aufnahme freilich hat sich ins westliche Mittelmeer verschoben. José Ignacio Landaluce: "Algeciras wird das neue Lampedusa, aber wir haben die Lektionen von den anderen gelernt und sind effizienter."
Vor allem solidarischer - noch! Bürgermeister Landaluce bietet auch ein 20.000 Quadratmeter Terrain für ein neues modernes Internierungszentrum an. Das alte sowie ein Aufnahmezentrum für Minderjährige sollen wegen der untragbaren Zustände dort dicht gemacht werden. In den nächsten Tagen soll ein Zeltlager in San Roque für bis zu 600 Illegale eingerichtet werden.