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Flucht nach Großbritannien
Lage am Eurotunnel immer dramatischer

Trotz aller Hindernisse versuchen immer wieder Flüchtlinge, auf das Gelände des Eurotunnels in Calais zu gelangen, um von dort nach Großbritannien zu kommen. Und immer wieder kommen dabei Menschen ums Leben. Politiker fordern drastischere Maßnahmen gegen den Flüchtlingsstrom.

Von Ursula Welter |
    Flüchtlinge sitzen in der Nähe der Autobahn A16 bei Calais und warten auf ihre Chance, über den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen.
    Flüchtlinge sitzen in der Nähe der Autobahn A16 bei Calais und warten auf ihre Chance, über den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen. (afp / Philippe Huguen)
    Es ist der neunte Tote, der seit Anfang Juni zu beklagen ist, die Lage im Norden Frankreichs spitzt sich immer weiter zu. Etwa 1.500 Flüchtlinge, die BBC spricht von 2.000, haben in der vergangenen Nacht versucht, auf das Gelände des Eurotunnels in Calais zu gelangen, ein Mann aus dem Sudan kam dabei ums Leben, als er nach Polizeiangaben von einem Lastwagen erfasst wurde.
    Auch diesmal gab es Festnahmen, aber die Sicherheitsbehörden auf französischer Seite geben sich fatalistisch: "Wir, die Kollegen, versuchen weiter alles, um unsere Arbeit zu machen", sagte der Polizeigewerkschafter Gilles Debove , aber die Sicherung des Geländes sei schwierig. "Das ist eine Fläche, die etwa der Innenstadt von Paris entspricht, teilweise zugewachsen, das ist sehr schwer für eine Truppe von knapp 60 Beamten."
    Die Verantwortung für die Lage an der Verbindung nach Großbritannien auf nordfranzösischer Seite hatten sich Tunnelbetreiber und französische Regierung zuletzt gegenseitig zugeschoben und auch im Verhältnis zwischen Paris und London wurde die angespannte Lage in Nordfrankreich zu einem diplomatischen Zankapfel.
    "Eurotunnel" appellierte heute früh an die Regierungen, "angemessen" auf die dramatische Situation zu reagieren. Gestern hatten Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve und seine britische Kollegin konferiert, Großbritannien kündigte daraufhin an, seinerseits knapp zehn Millionen Euro zu investieren, um die Sicherheit auf französischer Seite zu erhöhen.
    Camp-Räumung in Paris
    Zwischen 3.000 und 5.000 Flüchtlinge, zumeist aus dem Sudan, Eritrea und Äthiopien, sollen sich im Raum rund um Calais aufhalten, in der Hoffnung, nach Großbritannien gelangen zu können. "Das ist ein Drama", sagte in einem Fernsehinterview heute früh der konservative Abgeordnete Xavier Bertrand, Kandidat für die Wahlen in der Region Nord-Pals-de Calais, die im Dezember stattfinden. "Ein menschliches Drama, das alle Bewohner der Region Calais durchleben, und das kann so nicht weiter gehen."
    Die Maßnahmen gegen den Flüchtlingsstrom müssten drastischer sein und an den Ursprüngen ansetzen, forderte der Oppositionspolitiker: "Wir brauchen eine Blockade gleich im Mittelmeer vor den Küsten Libyens. Um solche Dramen zu verhindern, muss man die Flüchtlinge hindern, ihre Länder zu verlassen."
    In der Hauptstadt Paris wurde unterdessen heute früh erneut ein wildes Camp geräumt, das etwa 200 Flüchtlinge im 18. Arrondissement errichtet hatten. Die Räumung sei ruhig verlaufen, teilten die Behörden mit, den Menschen seien alternative Unterkünfte angeboten worden.
    Nach offiziellen Angaben kamen im ersten Halbjahr 137.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Frankreich, viele mit der Absicht, andere europäische Länder zu erreichen, darunter Deutschland und Großbritannien.