Im deutsch-arabischen Zentrum in Berlin-Neukölln treffen sich regelmäßig Frauen, die aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak geflüchtet sind. Sie trinken zusammen Kaffee, tauschen sich über ihre Kinder aus, nähen gemeinsam. Aber sie reden selten über ihre Flucht und das, was sie bis heute traumatisiert, sagt eine der Frauen:
"Die anderen Leute, wenn Du sagt, Du hast Depressionen, alle hier lachen dich aus."
Mit ihrem Mann und drei Kindern ist sie aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Erst als die anderen Frauen weg sind, beginnt sie zu erzählen, wie es ihr heute damit geht:
"Wegen dieses Kriegs, wir haben den Krieg erlebt. Depression, Angst. Wenn ich schlafe nachts und ich kriege Angst, manchmal träume ich, es sei noch Krieg, und ich träume und dann wache ich auf und schwitze und so und ich... und ich rege mich auf und dann gucke ich und sehe, ah, in Deutschland und sage: Gott sei dank, warum habe ich das geträumt."
"Internettherapie für viele Störungsbilder sehr effektiv"
Viele der Geflüchteten leiden an Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen, sagt Maria Böttche, Psychologin beim Zentrum Überleben in Berlin. Für solche Menschen sei eine psychotherapeutische Behandlung eigentlich unerlässlich. Schwierig wird es nur, wenn es nicht genügend entsprechend sprachkompetente Psychologen gibt, die Betroffenen nicht reden wollen oder sogar noch unterwegs sind. In solchen Fällen könne das Internet helfen:
"Internettherapie hat sich einfach für viele Störungsbilder als sehr effektiv erwiesen. Das ist für Leute, die entweder keine Möglichkeit haben oder auch für Leute, die sagen, ich finde Psychotherapie irgendwie komisch und ich will nicht verrückt sein, ist es so ein niedrigschwelliger Ansatz zu sagen, na, dann mache ich das doch mal, ohne dass mich jemand sieht."
Für Menschen, die in fremden Ländern eine solche Betreuung suchen, hat das Zentrum Überleben ein Programm entwickelt, das ähnlich wie ein Briefaustausch funktioniert. Die Betroffenen können in ihrer Sprache schreiben und bekommen dann eine individuelle Rückantwort eines Therapeuten. Für Menschen, die keinen stationären Computer haben und z.B. noch auf der Flucht sind, gibt es jetzt zwei entsprechende Apps zur Selbsthilfe, erklärt Maria Böttche:
"Es wurde immer wieder an uns herangetragen, es gibt nicht so richtig Basicsachen für Psychoindikationen, das heißt, wie können wir den Leuten erklären, warum sie Schlafstörungen haben, da gibt es nichts auf Arabisch oder auf Farsi. Und dann haben wir uns überlegt, okay, wir machen mal eine App, wo man als spezifisch geflüchteter Mensch einmal findet, warum habe ich eine bestimmte Symptomatik, und Entlastung findet, ich bin nicht verrückt. Und zum anderen so minimale Tipps bekommt, was könnte ich machen, wenn ich Schlafstörungen habe."
Wie hilfreich sind solche Apps wirklich?
Almhar und Smilers heißen jetzt die Apps, in denen es um Bewältigung von Schuldgefühlen, Stress und Angst, aber auch um Entspannung und Selbstwahrnehmung geht.
"Konzentriere Dich auf Deinen Körper und Deine Umgebung, konzentriere dich bewusst auf alles, was du riechen, hören, fühlen oder sehen kannst. Das sind die Sinne, mit denen wir die Welt wahrnehmen. Konzentriere dich auf diese Sinne, auf einen nach dem anderen."
Auf Englisch oder Arabisch gibt es die Apps, hauptsächlich zielen sie auf Selbsthilfe ab, es gibt aber auch die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme mit einem Psychologen, den das Zentrum Überleben vermittelt. Laila Khayati, Projektkoordinatorin im deutsch-arabischen Zentrum in Neukölln bezweifelt allerdings, dass Apps wirklich vielen Betroffenen helfen können. Wer auf der Flucht ist, sei mit nichts anderem beschäftigt, als zu überleben:
"Weil die haben nicht alle Handys und die haben nicht alle Internet, die haben nichts. Menschen die auf der Flucht sind, die können gar nicht schlafen. Du hast immer Angst, wenn du schläfst, vielleicht kommt jemand und holt dich zurück oder so, es ist gar keine Sicherheit da, und der Raum bietet das auch gar nicht an, dass man wirklich einschläft."
60 Downloads in den ersten drei Wochen
Und doch zeigt eine erste Bilanz: Drei Wochen nach dem Start sind die Apps bereits 60 Mal heruntergeladen worden, von Menschen aus Syrien, Afghanistan, Ägypten und Deutschland.