"Deutschland ist schön, Deutschland ist perfekt. Mein Freund hat gesagt: Du hast Arbeit, sicher geben sie dir Papiere."
Hasib, 21 Jahre alt, sitzt im Schatten eines Kirschbaums auf einer Wiese in Bozen in Südtirol. Er stochert in den Nudeln in seinem Plastikschälchen, während er von seinem Leben in Deutschland erzählt. 2015 ist Hasib aus Afghanistan nach Europa geflohen. Über die Balkanroute kam er nach Deutschland und hat dort einen Asylantrag gestellt. Doch geholfen hat ihm weder sein Job als Tellerwäscher in einem Fünf-Sterne-Hotel in Frankfurt, noch dass er aus Baglan kommt, einer Stadt im Nordosten Afghanistan, die 2016 von den Taliban eingenommen wurde. Aus Angst vor einer drohenden Abschiebung sei er schließlich im Dezember 2017 mit dem Zug nach Italien geflohen, so erzählt es Hasib.
"Italien ist nicht gut, sie geben dir kein Geld, keine Unterkunft, du schläfst in der Scheiße. Aber sie geben dir Papiere in Italien, ich komme für die Papiere."
Italien schätzt Schutzbedürftigkeit anders ein
Tatsächlich liegt die Chance für Afghanen, in Italien einen Schutzstatus zu bekommen, bei über 90 Prozent. Deutlich höher als in allen anderen EU-Staaten. Und so sitzen neben Hasib rund zwei Dutzend weitere Asylbewerber auf der Wiese vor der Mensa in Bozen, wo freiwillige Helfer jeden Mittag Essen an Bedürftige ausgeben. Asylsuchende, deren Anträge in anderen EU-Staaten abgelehnt wurden. Sie kommen aus Schweden, aus Dänemark und Norwegen, aus Österreich und aus Deutschland. Federica Dalla Pria vom Projekt Antenne Migranti, die seit mehreren Jahren schon mit Flüchtlingen in Bozen arbeitet, schildert ihre Beobachtungen so:
"Diese Bewegung hat schon Ende 2016 angefangen, als die ersten Afghanen und Pakistaner aus Deutschland nach Italien gekommen sind. In den letzten ein, eineinhalb Monaten sind auch verstärkt Leute aus Österreich gekommen."
Im Oktober 2016 hatte die EU mit der afghanischen Regierung ein Rücknahmeabkommen in Kraft gesetzt, das ermöglicht, abgelehnte afghanische Asylbewerber auch ohne Ausweisdokumente abzuschieben. Auch wenn sich die Sicherheitslage in Afghanistan nicht verbessert hat, hat Deutschland seitdem 14 Flüge mit insgesamt 234 Menschen nach Kabul geschickt. Dies gehe wieder einmal zu Lasten Italiens, glaubt Mario Deriu, weil die Menschen eher in ein anderes EU-Land fliehen würden, als sich abschieben zu lassen. Mario Deriu ist Präsident der Polizeigewerkschaft in Bozen. Er sagt:
"Die Europäische Union muss ein einheitliches Asylverfahren schaffen, sonst werden all diese Menschen weiterhin mit falschen Hoffnungen durch ganz Europa irren."
Keine einheitlichen Grenzkontrollen
Mario Deriu kritisiert auch die Unausgewogenheit bei den Grenzkontrollen. Denn während die Züge aus dem Süden am Brenner gleich dreimal, von deutschen, österreichischen und italienischen Polizisten kontrolliert würden, würden die Italiener mit der Kontrolle der Züge aus dem Norden alleingelassen.
Die Afghanen, die in Bozen gestrandet sind, hadern derweil weiter mit ihrem Schicksal. So wie der 41-jährige Mohammad, der 2012 in Deutschland einen Erstantrag stellte. Fünf Jahre hat er in Deutschland gelebt, vier Jahre lang hat er in einer Reinigungsfirma in München gearbeitet. Zweimal wurde er abgelehnt, zweimal hat er dagegen geklagt. Als der dritte Negativ-Bescheid im Oktober 2017 eintraf, sei er weiter nach Italien.
"Jeden Tag ist Krieg, und Europa und Deutschland sagen, Afghanistan ist ein sicheres Land. Wenn es ein sichereres Land ist, was machen die Soldaten in Afghanistan? Warum sind unser Präsident und seine Familie in Europa und Amerika? Alle Leute lieben ihr Land; ich liebe auch mein Land. Seit sechs Jahre bin ich weg von zu Hause."
In Italien hat Mohammad erneut Asyl beantragt. Bis zu zwei Jahre müsse er auf eine Entscheidung warten. Für Mohammad sind es zwei weitere Jahre der Ungewissheit.