Verzweifelte Notrufe gehen fast jeden Tag im Seenotrettungszentrum in Rom ein. "Helft uns!", ruft die verzweifelte Frau, "unser Boot ist am Sinken." Mit etwa 150 weiteren Flüchtlingen ist sie irgendwo draußen auf dem Mittelmeer. "Was ist eure Position?", will der Offizier am anderen Ende der Leitung wissen. Und dann sagt er noch: "Madam, beruhigen Sie sich. Wir schicken Hilfe."
Viele haben diese Hilfe bekommen. 170.000 sind allein im letzten Jahr über das Mittelmeer nach Italien gekommen. In diesem Jahr haben es laut Vereinten Nationen schon 103.000 Bootsflüchtlinge nach Europa geschafft. Über die Hälfte von ihnen nach Italien, fast genauso viele nach Griechenland. Die meisten wurden auf See gerettet - von Schiffen der Marine, der Küstenwache oder von Handelsschiffen.
Wer über das Meer nach Europa will, muss auf schnelle Rettung hoffen. Und alle müssen sich den Diensten der Schlepper anvertrauen. Oft haben die Flüchtlinge keine Ahnung, was sie erwartet. Zum Beispiel Suleiman Usman: Er ist 17, kommt aus Nigeria, vor etwas mehr als einem Jahr ist er in Sizilien gelandet.
"Ich wusste nicht, dass das SO ist. Denn diese Araber haben viele Geschichten erzählt und nicht die Wahrheit. Ich habe gedacht, sie bringen uns auf ein großes Schiff. Und dann habe ich gesehen, dass wir fast 400 waren, und ich habe gefragt: Mit so vielen wollen wir los? Und da haben sie uns gesagt: In sechs Stunden, vielleicht in zehn, bist Du in Italien. Sie retten Euch, dann seid Ihr in Lampedusa. Damals hatte ich keine Ahnung, und ich habe gesagt: Okay, kein Problem. Und dann sind wir aufgebrochen."
Schlepper kassieren ab
Suleimans Reise war ein Höllentripp. Aber da hatte er schon viel hinter sich, immer wieder hat er die Schlepper bezahlen müssen. Ein Jahr vorher war er aus dem Norden Nigerias aufgebrochen, dort, wo die islamistische Organisation Boko Haram das Land terrorisiert. Etwas Geld von der Mutter und der Großmutter hatte er dabei. Zwei Wochen war er im Niger, dann ging es eine Woche durch die Sahara bis nach Libyen. Dort musste er neues Geld verdienen, denn die Schlepper haben um die 1.000 Euro für die Überfahrt kassiert. Und die war lebensgefährlich:
"Unser Boot hatte Probleme, es war schon kaputt - und wir alle sind im Meer gelandet. Wir kamen aus vielen Ländern: aus Eritrea, aus Nigeria, aus arabischen Staaten. Wir waren fast 400. Einige sind gestorben. Weder die Polizei noch das Militär hat uns gesagt, wie viele überlebt haben. Wir wissen, dass viele gestorben sind. Ich habe es gesehen."
Am 13. Mai 2014 kam er in Catania an. Ein Handelsschiff hatte 206 von ihnen gerettet. 17 Leichen wurden geborgen, unter ihnen zwölf Frauen und zwei Kinder. Suleiman ist sich sicher, dass auf dem kleinen Flüchtlingsboot fast 400 Menschen waren.
An die libyschen Strände werden beinahe täglich Leichen angespült. Mit nur zwei Schiffen sollen die Männer von der Küstenwache in Misrata 600 Kilometer Küste bewachen. Ein aussichtsloses Unterfangen – in einem Land, in dem verschiedene Gruppen und bewaffnete Milizen um Macht und Einfluss konkurrieren und Terrororganisationen wie der selbst ernannte Islamische Staat und Al-Qaida zunehmend Fuß fassen.
Ahmad flüchtete 2013 vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Bis er in Europa, in Deutschland ankam, verging ein Jahr. Sein Plan: Von Zuwara im Westen Libyens wollte er nach Europa übersetzen. Zwei Anläufe brauchte er dafür – im Vergleich zu anderen Flüchtlingen ist das wenig.
"Das erste Mal haben wir 25 Tage auf unsere Überfahrt gewartet. Jeden Tag haben sie uns einen anderen Grund genannt, warum es noch nicht losging. Das Essen, das sie uns gaben, reichte, um zu überleben, mehr nicht. Wasser hatten wir nur wenig. Und die Toiletten..."
Umkehren ist nicht möglich
Mitten in der Nacht hieß es dann aufbrechen. In seiner Gruppe seien sie etwa 150 gewesen – alle aus Syrien, erinnert sich Ahmad. An Bord des Holzbootes waren dann 450 Menschen, vielleicht auch mehr. Erst hier führen mehrere Schlepper ihre Flüchtlingsgruppen zusammen.
"Der Schlepper hatte uns gesagt, dass das Boot gut sei, dass nur wenige Flüchtlinge darauf fahren würden. Wir sollten keine Angst haben. Alles sei sicher und in bester Ordnung. Und als wir ankamen, haben wir festgestellt, dass das alles Lügen waren. Es gab Leute, die versucht haben, umzukehren, weil sie Angst hatten. Aber sie wurden daran gehindert. Umkehren, das ist unmöglich. Der Weg ist klar: Entweder du kommst an oder du stirbst."
Sarah Khan vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen ist für Libyen zuständig.
"Die Menschen werden einfach in ein Boot gesetzt, auch wenn sie nicht wollen. Es gibt keine Netzwerke, die dich wieder nach Hause zurückbringen. Der Weg geht nur nach Norden."
In Libyen verdienen viele am Geschäft mit der Flucht. Der Schlepper verlangt 600 bis 1000 Dollar für die Fahrt von Libyen nach Italien - die Low-Budget-Route nach Europa, woanders zahlen Flüchtlinge mehr. Der Preis richtet sich nach dem Herkunftsland: Syrer zahlen mehr als Afrikaner, weil bei ihnen, wissen die Schlepper, mehr zu holen ist. Inzwischen nehmen immer weniger Syrer die Route über Libyen.
Zu gefährlich ist die Reise durch das Bürgerkriegsland. Die meisten Flüchtlinge auf den Straßen von Tripolis stammen aus Ländern südlich der Sahara. Sie stehen am Straßenrand und warten auf einen Job. Auch Ahmad hat während seiner Flucht immer wieder gearbeitet, um das Geld für den Schlepper zu verdienen.
Beim ersten Anlauf hatte Ahmad kein Glück. Das Boot wurde gestoppt und zurück nach Libyen gebracht. Fünf Tage wurden Ahmad und die anderen Flüchtlinge von Bewaffneten festgehalten. Geschlagen wurden sie in dieser Zeit nicht. In anderen Abschiebelagern Libyens sieht es hingegen anders aus.
Auf dem Mittelmeer das Leben verlieren
Ahmad musste versprechen, dass er keine weiteren Fluchtversuche unternimmt. Dann durfte er gehen. Sein erster Anruf galt dem Schlepper. Wieder zahlte er 1.000 Dollar, wieder wartete er mit Hunderten anderen in einer viel zu kleinen Wohnung, wieder riskierte er, auf dem Mittelmeer sein Leben zu verlieren.
Doch diesmal kam die italienische Küstenwache und nahm Ahmad und die anderen an Bord. Viele schaffen es nicht lebend bis nach Europa - aber auch nicht tot. Rund 1.800 Menschen sind in diesem Jahr auf dem Mittelmeer auf dem Weg nach Italien gestorben. Ganz genau weiß das niemand. Die Toten haben kein Gesicht, ihr Grab ist das Mittelmeer.
6, 7, vielleicht 800 liegen an einer Stelle auf dem Meeresgrund, in 375 Meter Tiefe, 70 Meilen vor der Küste Libyens. Das Unglück vom 19. April dieses Jahres gilt als die bisher schlimmste Flüchtlingskatastrophe auf dem Mittelmeer. In den frühen Morgenstunden, es war ein Sonntag, kam der Notruf. Recht schnell waren Schiffe in der Nähe, aber sie konnten nichts mehr tun. Das etwa 25 Meter lange Boot kippte um und sank. Allein im Bauch des Schiffes waren Hunderte eingesperrt. Nur 28 Menschen haben überlebt. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi unterbrach seinen Wahlkampf, kam nach Rom und nannte die Schuldigen beim Namen, er sagte den Schleppern den Kampf an:
"Die Menschenhändler zu bekämpfen, bedeutet, die Sklavenhändler des 21. Jahrhunderts zu bekämpfen. Das ist eine Frage der Menschenwürde und der Gerechtigkeit. Die Tatsache, dass in diesem Moment 1002 Männer in den italienischen Gefängnissen einsitzen, die von unserer Polizei verhaftet wurden, kann nicht bedeuten, dass Europa uns den Kampf überlassen kann, der ein Kampf für die Zivilisation ist."
Besonders ernst ist die Lage auf Sizilien. Hier gehen die meisten Migranten an Land. Hier platzen die Aufnahmezentren aus allen Nähten. Und hier werden auch die Prozesse geführt gegen die, die man festgenommen hat - worauf Renzi so stolz ist.
Der Schlepper vom Dienst
Der Rechtsanwalt Massimo Ferrante verteidigt einen, der an der Katastrophe vom 19. April beteiligt war. Mohammed heißt er, kommt aus Tunesien und hat dort Fischernetze repariert, bevor er sich darauf eingelassen hat, das Boot zu steuern. Jetzt sitzt er im Gefängnis - die Staatsanwälte werfen ihm fahrlässige Tötung in hunderten Fällen vor. Doch einen großen Erfolg im Kampf gegen die Schleuser will sein Anwalt in diesem Prozess nicht erkennen:
"Der Schlepper vom Dienst, ob er nun als Schlepper losfährt oder erst auf der Überfahrt zum Kapitän gemacht wird, begibt sich in Lebensgefahr. Er ist unfähig, ein Boot zu navigieren. Es passiert oft, dass er sich erst während der Fahrt darüber klar wird, dass er das nicht kann und darum bittet, zurückkehren zu dürfen. Und die Antwort ist bezeichnend: Wenn du zurückkommst, dann bringen wir dich um. Es gibt nicht nur einen Verantwortlichen. Er ist verantwortlich, weil er das letzte Glied ist. Die Lage ist wirklich dramatisch."
Mersin ist eine quirlige Hafenstadt an der türkischen Mittelmeer-Küste. Hier bieten Schlepper ihre Dienste an; denn hier wartet ihre Kundschaft. Syrien ist nicht weit. Früher fuhr zweimal die Woche eine Fähre von Mersin aus in die syrische Hafenstadt Latakia, keine 170 Kilometer entfernt. Heute haben etwa 50.000 Syrer in Mersin Zuflucht vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat gefunden. Doch nicht alle Syrer hier sind Flüchtlinge; einige sind Geschäftsleute; sie arbeiten im Schlepper-Geschäft und bieten ihren Landsleuten Passagen nach Europa an. Die Handy-Nummern der Vermittler sprechen sich unter den syrischen Flüchtlingen schnell herum. Ruft man sie an, preisen sie die Tour wie ein Sonderangebot an:
"Es kostet 4.800 Dollar pro Person," sagt die Stimme am Telefon.
"Normalerweise nehmen wir zwischen 5.000 und 5.500 Dollar. Das Schiff ist 77 Meter lang; ein Frachtschiff, das bei jedem Wetter in See stechen kann. Es kann bis zu 1.000 Passagiere aufnehmen. Der Kapitän wird das Schiff nicht verlassen, keine Sorge. Der bekommt sein Geld erst, wenn alle Flüchtlinge sicher in Italien angekommen sind."
3,8 Millionen Dollar Profit pro Fahrt
Das Schiff, für das der Schlepper nun 1.000 Passagiere anwerben will, liegt vermutlich weit draußen vor Anker, irgendwo außerhalb der türkischen Hoheitsgewässer. Ein gerade noch fahrtüchtiges, 77 Meter langes Frachtschiff ist auf dem Gebrauchtmarkt für weniger als eine Million Dollar zu haben. Die Schlepper kalkulieren ein, dass das Schiff nach der Fahrt von der italienischen Küstenwache beschlagnahmt wird. Sie machen dennoch genügend Profit: Wenn 1.000 Passagiere jeweils 4.800 Dollar bezahlen, sind das insgesamt 4,8 Millionen. Zieht man den Preis von einer Million Dollar für das Schiff ab, bleiben 3,8 Millionen Dollar Profit.
Die Flüchtlinge werden in kleinen Gruppen, auf Fischerbooten, zum Frachtschiff gebracht. Nachts, im Schutz der Dunkelheit.
Manchmal aber erwischt die türkische Küstenwache ein solches Fischerboot - wie in diesem Fall, den die Küstenwache dokumentiert hat: Der Hubschrauberpilot meldet an seine Zentrale:
"Eine Weiterfahrt ist Ihnen untersagt. Bleiben Sie in den türkischen Hoheitsgewässern! Ihr Schiff ist hiermit von der türkischen Küstenwache beschlagnahmt."
Der Kapitän des Fischerbootes kommt wegen Menschenschmuggels vor ein türkisches Gericht. Die Hintermänner aber, die Schlepper in Mersin, arbeiten weiter im Verborgenen. Sie haben zumeist nicht einmal ein schlechtes Gewissen, im Gegenteil: Sie sehen sich als Dienstleister, weil sie ihren Landsleuten eine Flucht nach Europa ermöglichen. Einen legalen Weg nach Europa gibt es für die meisten Syrer ja nicht.
In Verona, im Norden Italiens, trifft man einen, der das Geschäft der Schlepper untersucht hat – und der ihnen nahe gekommen ist wie nur wenige. Andrea di Nicola ist Kriminologe, gemeinsam mit dem Journalisten Giampaolo Musomeci hat er ein Buch geschrieben und dafür mehrere Schlepper rund um das Mittelmeer getroffen:
"Das ist ein enormes Geschäft. Ein Geschäft von Abermilliarden Dollar. Ein guter Schleuser, wie einer von denen wir im Buch berichten, kann 6,7 Millionen Dollar verdienen. Nur der eine! Das ist ein enormer Geldfluss, der aus Ländern abgezogen wird, die, wirtschaftlich gesehen, ohnehin schon im Elend stecken. Es entsteht ein großer Schaden. Das Geld wird in weitere kriminelle Machenschaften investiert und vor allem: Es schwächt die Länder immer mehr, die ohnehin schon schwach sind, weil ihnen die Ressourcen fehlen."
Schlepper verstehen sich als Dienstleister
Di Nicola hat mit den Bossen gesprochen und hat schlaue, fähige Unternehmer kennengelernt. Als eine große, kriminelle Reiseagentur beschreibt er das gut organisierte Geschäft der Schlepper. Sie verkaufen Träume von Europa, verstehen sich als Dienstleister - und finden immer neue Wege – je nachdem, wo die Schlupflöcher sind. Die Flüchtlingsboote liefern besonders dramatische Bilder, aber es gibt viele andere Routen, und vor allem: Sie können sich schnell ändern.
Di Nicola kritisiert die europäische Flüchtlingspolitik - auch, weil sie dazu führt, dass sich verzweifelte Menschen den Schleppern anvertrauen. Warum Menschen, die Asyl in Anspruch nehmen wollen, die vor Krieg und Terror flüchten dabei viel Geld ausgeben und ihr Leben aufs Spiel setzen müssen, ist ihm ein Rätsel.
"Alle diese Schleuser haben uns dasselbe gesagt: Ihr sorgt dafür, dass wir Arbeit haben. Wenn ihr euch so verhaltet, verdiene ich nur noch mehr. Ihr schließt eure Grenzen und investiert nur in Abwehr. Ihr habt Frontex? Das alles bringt mehr Geld für mich, für meine Organisation, für mein Netzwerk."
Und diese Netzwerke sitzen nicht nur in der Türkei und in Libyen - sondern auch in Ägypten.
Vor knapp zwei Jahren sind Abu Nimr und seine Familie nach Alexandria gekommen. Der Stadtteil "Sechster Oktober" könnte auch "Klein-Damaskus" heißen. Alexandria ist die Drehscheibe für Schlepper und Schleuser in Ägypten. Je chaotischer und gefährlicher die Lage im Bürgerkriegsland Libyen wird, desto gefragter sind die Schlepper in Ägypten. Wer das Geld nicht sofort bezahlen kann, bekommt einen Platz auf einem Boot auf Pump.
"Meine Frau und die beiden Töchter haben sich das Geld für ihre Überfahrt geliehen. Innerhalb eines Jahres müssen sie es zurückgeben."
Ein ausgeklügeltes System
Für Abu Nimr selbst ist an eine Fahrt mit dem Boot nach Europa nicht zu denken. In seiner Heimat Syrien haben Unbekannte auf ihn geschossen. Nur knapp hat er überlebt; noch immer hat er Projektile im Körper. Mit 5.000 Dollar steht Abu Nimr in der Schuld seiner Gläubiger. Für seine Frau und die ältere Tochter musste er bezahlen. Die jüngste Tochter ist noch keine elf Jahre alt. Deshalb war ihre Überfahrt gratis. Es sei ein ausgeklügeltes System, sagt Muhammad al-Kashef von der ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte. Für die Nichtregierungsorganisation berät er Flüchtlinge in Alexandria. Hin und wieder besucht er Abu Nimr.
"Die Syrer bezahlen für die Fahrt nicht vorab. Sie hinterlassen das Geld bei einer dritten Person. Die gibt es erst weiter, wenn die Flüchtlinge an den Küsten Europas angekommen sind."
Ein Bürgschaftssystem, mit dem der Schlepper auf langfristige Aufträge setzt, nicht wie in Libyen nur auf das schnelle Geld. Für zehn Flüchtlinge, die der syrische Makler an die Schlepper vermittelt, erhalte er selbst einen Platz auf einem Boot nach Europa, sagt Muhammad al-Kashef. Manch einer versuche so, seine Familie nach Europa zu schicken.
Eine Überfahrt von Alexandria nach Griechenland ist nicht im Angebot, obwohl die griechische Küste erheblich näher ist.
Kos, Samos, Chios, Lesbos - die griechischen Ägäis-Inseln liegen allesamt in Sichtweite der türkischen Küste. Schlepper bringen Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, aus Afghanistan und anderen Ländern in Schlauchbooten vom türkischen Festland auf die griechischen Inseln, an manchen Tagen kommen 1.000 Menschen.
Griechenland schafft es nicht, all die Flüchtlinge zu versorgen
Das frühere Hotel "Captain Elias" auf Kos ist ein solches Durchgangslager. Es stand leer, ist reif für den Abriss:
"It is very bad, very dirty place."
Es sei sehr schlecht hier, sehr dreckig, sagt Imran. Er ist 21 Jahre alt, kommt aus Afghanistan. Griechenland schafft es nicht, all die Flüchtlinge zu versorgen.
"Wir wollen raus aus Griechenland. Das Land ist arm. Hier kann uns keiner helfen. Wir haben nichts."
Sagt Rahima, eine Mutter von vier Kindern aus Syrien. Sie hat es bis Athen geschafft. Für Rahima und Tausende andere Flüchtlinge ist Griechenland eine Sackgasse. Keine Hilfe, keine Arbeit und keine Chance, in ein anderes Land weiterzuziehen. Deshalb bieten Schlepper-Organisation auch in Athen ihre Dienste an. Für mehrere tausend Euro versprechen sie: Wir bringen Euch von Griechenland nach Italien oder gleich nach Deutschland oder Skandinavien.
Derwisch Abdul ist ebenfalls aus Syrien geflüchtet, aber schon vor 15 Jahren. Er spricht perfekt Griechisch, hat hier Architektur studiert, fühlt sich in Athen zu Hause. Derwisch Abdul unterstützt seine Landsleute, die ebenfalls in Griechenland bleiben wollen, aber, so sagt er, das sind die wenigsten. Die meisten fragen als Erstes: Wie komme ich nach Westeuropa?
"Es gibt keinen legalen Weg. Leider erlaubt es der griechische Staat nicht, dass die Leute ausreisen, und die anderen EU-Länder lassen niemanden herein. Die Leute können ja auch nicht zurück ins Kriegsgebiet. So werden meine Landsleute wieder zu Opfern der Schlepper."
In Catania, auf Sizilien, sitzt Suleiman, der junge Flüchtling aus Nigeria. Er hat es geschafft, hat sogar die gefährliche Überfahrt von Libyen überlebt. Das Aufnahmezentrum, in dem er einen Platz gefunden hat, heißt "Sole e Goia" - Sonne und Freude. Aber Suleiman hat nichts zu tun - seit über einem Jahr wartet er nun schon auf seine Papiere. Er will weiter in Richtung Norden. Seinen Schleppern ist er trotzdem dankbar.