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Flüchtlinge am Ostbahnhof
Internationale Verbindungen nach Budapest gestoppt

Die vielen Flüchtlinge am Budapester Ostbahnhof haben nun auch Auswirkungen auf den internationalen Zugverkehr. Verbindungen aus bzw. nach Tschechien, Polen, Österreich und Deutschland wurden bis auf Weiteres angehalten. Am Mittag stoppte die ungarische Polizei einen Flüchtlingszug vor Erreichen der österreichischen Grenze und holte die Menschen aus den Waggons.

    Polizisten in Schutzkleidung und Helm zerren an einer muslimischen Frau mit ihrem Kleinkind auf dem Arm.
    Die ungarische Polizei holt eine Mutter mit ihrem Kind aus einem Zug von Budapest nach Österreich. (AFP / ISTVAN BIELIK)
    Wie die Deutsche Bahn mitteilte, endet der Eurocity zwischen München und Budapest derzeit schon an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn in Hegyeshalom. Das polnische Bahnunternehmen PKP Intercity bat die ungarischen Behörden, Verbindungen zwischen Polen und Ungarn nur noch bis zum Grenzbahnhof Szob fahren zu lassen. Dort ist bis auf Weiteres auch Endstation für Züge aus Tschechien. Direkte Verbindungen zwischen Budapest nach Westeuropa gibt es damit vorerst nicht mehr.
    Am Mittag stoppte die ungarische Polizei einen Zug, der mit 200 bis 300 Flüchtlingen von Budapest nach Österreich unterwegs war, schon 40 Kilometer vor der Grenze in Bicske. Die Menschen wurden aus den Waggons geholt und in ein Aufnahmelager gebracht. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei. Einige Flüchtlinge warfen sich auf die Gleise und weigerten sich, den Bahnhof von Bicske zu verlassen. Sie riefen "Deutschland, Deutschland!" und hielten Plakate in die Höhe, auf denen "Hilfe" oder "SOS" stand.


    Orban spricht von "deutschem Problem"
    Am Vormittag hatte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban die Flüchtlingskrise in Europa zu einem "deutschen Problem" erklärt. Bei einem Treffen mit Spitzenvertretern der EU in Brüssel sagte er, kein Flüchtling, der sich derzeit am Budapester Ostbahnhof aufhalte, habe vor, in Ungarn zu bleiben. Vielmehr wollten alle weiter in die Bundesrepublik. Deshalb handle es sich nicht um ein europäisches Problem, so Orban.
    Neben EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) widersprach dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Während eines Staatsbesuchs in der Schweiz erinnerte sie Orban an die Genfer Flüchtlingskonvention, die den Schutz von Kriegsflüchtlingen regelt. Die Konvention gelte "nicht nur in Deutschland, sondern in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union", betonte Merkel. Deutschland tue, "was moralisch und rechtlich geboten ist".
    Damit reagierte sie auf Vorwürfe aus Ungarn und Österreich, Deutschland habe die Dublin-Verordnung außer Kraft gesetzt und den Andrang der Flüchtlinge dadurch noch gesteigert. Die Bundesregierung hatte vor einigen Tagen angekündigt, syrische Flüchtlinge nicht mehr zur Registrierung in andere europäische Länder zurückzuschicken, wenn sie dort erstmals EU-Boden betreten haben.
    EU-Ratspräsident Donald Tusk forderte nach einem Treffen mit Orban in Brüssel erneut mehr Solidarität innerhalb der Europäischen Union. "Mindestens 100.000 Flüchtlinge" müssten fair auf die EU-Mitgliedsländer verteilt werden. Alle Staaten müssten ihre Anstrengungen diesbezüglich verdoppeln und sich solidarisch zeigen mit den Ländern, die bisher die meisten Flüchtlinge aufgenommen hätten.
    (am/ach)