Archiv

Flüchtlinge auf Kos
"Im Lager wird es immer enger"

Vor einem Jahr saßen auf auf der griechischen Insel Kos tausende Flüchtlinge fest, es kam zu Unruhen. Mittlerweile hat sich die Lage beruhigt - Einheimische wie Touristen haben sich mit der Situation arrangiert. Doch im neu gebauten Flüchtlingscamp wird es immer enger. Viele Flüchtlinge müssen im Freien schlafen.

Von Wolfgang Landmesser |
    Die Fähre im Meer, vom Ufer aus gesehen. Im Vordergrund sieht man am STrand eine Flüchtlingsfrau von hinten mit zwei Kindern. Eines planscht im Wasser.
    Vor einem Jahr: Eine griechische Fähre bei ihrer Ankunft im Hafen von Kos, wo sie Flüchtlinge aufnehmen sollte. Tausende Geflüchtete saßen im vergangenen August auf der Insel fest. (AFP / LOUISA GOULIAMAKI)
    Unter einem gewölbten Dach warten ungefähr 30 Männer auf Decken und Schlafsäcken. Ihnen gegenüber sitzen vier griechische Polizisten. Erst vor drei Tagen sind die jungen Männer mit einem Boot von der türkischen Küste auf Kos angekommen. Sie sind registriert worden und warten jetzt auf ihre Papiere, sagt Abdul aus Pakistan.
    Das Camp liegt auf einem Hügel, ungefähr 15 Kilometer von der Inselhauptstadt entfernt. Es wurde erst in diesem Frühjahr gebaut – einer von fünf sogenannten Hotspots auf den griechischen Inseln. Alle Flüchtlinge, die noch auf Kos ankommen, werden hierhin gebracht.
    "Im Lager wird es immer enger", erzählt Ali, der seit eineinhalb Monaten hier ist. Inzwischen müssten viele im Freien schlafen.
    Mit seinen Freunden ist der 24-Jährige unterwegs zum Strand; einige der Jungs habe kleine Handtücher über den Schultern. Abends müssen sie wieder ins Camp zurück. Sie warten auf Papiere, um arbeiten und die Insel verlassen zu können. Deswegen hat Ali wie die meisten hier Asyl beantragt.
    Aber die Verfahren ziehen sich hin. Nicht anerkannte Asylbewerber müssen in die Türkei zurück. Gerade für Pakistaner wie Ali stehen die Chancen schlecht, weil sie als Wirtschaftsflüchtlinge gelten.
    "Es gibt hier keine Probleme mit den Flüchtlingen"
    Auf dem Dorfplatz von Pili sind keine Flüchtlinge zu sehen. Es ist Mittagszeit. In der Taverne von Katerina Drossou sitzen ein paar Touristen. Insgesamt läuft das Geschäft deutlich schlechter als letztes Jahr, sagt die Wirtin. Dabei habe sich die Flüchtlingssituation inzwischen beruhigt.
    "Es gibt hier keine Probleme mit den Flüchtlingen. Klar, es gab die Proteste gegen den Bau des Camps, sehr viele haben dagegen demonstriert. Am schlimmsten war, was letztes Jahr im Hafen passiert ist, die Bilder damals. Jetzt ist eigentlich alles gut."
    Yvonne und Rob aus Holland trinken gerade ihren griechischen Kaffee. Eigentlich wollten sie in die Türkei fliegen. Aber nach dem Putschversuch buchten sie um. Die Bilder aus dem letzten Jahr, als Tausende Flüchtlinge auf Kos festsaßen und es zu Unruhen kam, schreckten sie nicht ab. Erst heute, nach einer knappen Woche Urlaub, haben sie auf der Straße die ersten Flüchtlinge gesehen.
    "Ich habe mir schon überlegt, wo sie überhaupt sind. Zu Hause in Holland sehen wir Flüchtlinge, aber hier eigentlich nicht."
    Letztes Jahr lagerten die Flüchtlinge in einem improvisierten Camp mitten im Hauptort Kos. Jetzt sind hier nur noch wenige untergebracht. Im ehemaligen Hotel Zikas leben minderjährige und besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie der 20-jährige Mohammed aus dem syrischen Aleppo.
    Seine schwere Augenkrankheit hat sich im Camp von Pili verschlimmert, deswegen hat ihm das UN-Flüchtlingshilfswerk ein Zimmer hier besorgt. Jetzt wartet er auf die Entscheidung über seinen Asylantrag. Auf keinen Fall möchte er zurück in die Türkei. Aber viel Hoffnung hat er nicht.
    "Wir haben kein Geld, wir wissen nicht, wie es weitergehen soll, wir haben keine Zukunft. Die Situation ist insgesamt sehr schwierig."
    Er würde gerne Französisch studieren, aber in Aleppo war daran nicht zu denken. Seine Eltern, die in der umkämpften Stadt geblieben sind, können ihn nicht unterstützen, erzählt er. Sie seien krank und brauchten eigentlich seine Hilfe.
    Das Warten ist zermürbend für die Flüchtlinge
    "Weder ich kann ihnen helfen noch sie mir", sagt der junge Mann mit verzweifeltem Lächeln.
    Im Haus gegenüber hat der UNHCR neun Familien untergebracht. Die Wohnungen sind mit dem Notwendigsten ausgestattet. Eine kleine Kochzeile im Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein kleines Bad. Basad Chamo aus dem kurdischen Teil Syriens lebt hier mit seiner hochschwangeren Frau und seinem kleinen Sohn. Die Familie möchte weiter nach Deutschland, wo schon seine Mutter und seine Schwester sind.
    "Wir sind zufrieden mit der Unterbringung hier", sagt Basad. Aber das Warten ist zermürbend. Vor fünf Monaten sind sie auf der Nachbarinsel Kalymnos gelandet und vor einem Monat hier untergekommen. Bis zur Entscheidung könne es noch mal ein halbes Jahr dauern, haben ihm die Leute von der Asylbehörde gesagt.
    Aber jetzt freut sich Basad erst mal auf seine Tochter, die er sich schon so lange wünscht.
    "Seit sieben Jahren warten wir auf eine Tochter. Zu Hause hatte meine Frau schon zwei Fehlgeburten. Das Baby jetzt hat sie bisher behalten, trotz der ganzen Aufregung, der Flucht über die Berge und das Meer. Es sieht so aus, als ob dieses Kind unbedingt leben will."