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Flüchtlinge
Ausnahmezustand an den Grenzen

An vielen Landesgrenzen auf dem Balkan ist die Lage angesichts Tausender Flüchtlinge extrem angespannt. Nach Ungarn haben weitere Staaten ihre Grenzen geschlossen. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz findet deutliche Worte der Kritik an den derzeitigen EU-Asylregeln.

    Flüchtlinge stehen am 19.09.2015 an der Grenze in Bregana zwischen Kroatien und Slowenien hinter einem Absperrgitter, davor stehen slowenische Polizisten.
    Flüchtlinge an der kroatisch-slowenischen Grenze (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    In Österreich kamen in der Nacht rund 6.700 Menschen an. Sie waren aus Kroatien mit Bussen nach Ungarn und von dort mit Zügen nach Österreich gebracht worden. Die österreichischen Behörden rechnen mit Tausenden weiteren Flüchtlingen im Laufe des Tages. Kroatien hatte am Freitag seine Grenzen weitgehend abgeriegelt, nachdem 17.000 Menschen angekommen waren. Regierungschef Zoran Milanovic sagte, man habe nichts gegen Flüchtlinge, doch sein kleines Land mit 4,2 Millionen Einwohnern sei überfordert. Weil Ungarn an seiner südlichen Grenze einen Zaun errichtet hatte, war die Zahl der Flüchtlinge in Kroatien stark angestiegen.
    Ausnahmezustand herrscht aber nicht nur an den südlichen Grenzen Kroatiens: An der Grenze zu Slowenien harren Hunderte aus, die weiter in Richtung Norden reisen wollen. Am Grenzübergang Harmica setzte die slowenische Polizei am Freitagabend Tränengas ein, als Flüchtlinge versuchten, die Polizisten am Grenzübergang zurückzudrängen. In der Menge waren auch Kinder. Sloweniens Ministerpräsident Miro Cerar hatte zuvor erklärt, wenn weiterhin so viele Flüchtlinge kämen, könne man Transitkorridore einrichten. Sloweniens Botschafterin in Deutschland, Marta Kos Marko, erklärte, ihr Land sei zur Aufnahme von bis zu 10.000 Flüchtlingen bereit. Man habe dafür die erforderlichen Kapazitäten, sagte sie der "Rheinischen Post". Ihr Land habe eine moralische Pflicht, zu helfen.
    Kroatien will derweil weiter Flüchtlinge an die ungarische Grenze bringen. Man habe Ungarn regelrecht gezwungen, die Menschen aufzunehmen und werde dies auch künftig tun, sagt Ministerpräsident Zoran Milanovic in Beli Manastir. Von dort wurden am Freitag Flüchtlinge mit Bussen und Zügen Richtung Ungarn gebracht. Ein ungarischer Regierungssprecher sagte, Kroatien habe Ungarn und die EU im Stich gelassen, weil es nicht in der Lage sei, die Außengrenze der Union zu schützen. Ein Berater von Ministerpräsident Viktor Orban deutete an, Ungarn könne in der Folge Kroatiens Zutritt zum Schengen-Raum blockieren. Dieser sieht neben dem Wegfall von Grenzkontrollen den Schutz der EU-Außengrenzen vor.
    Kroatische Polizisten festgenommen?
    Irritationen zwischen Kroatien und Ungarn hatte schon schon am Freitagabend die angebliche Festnahme kroatischer Polizisten an der gemeinsamen Grenze ausgelöst. Ein ungarischer Regierungsvertreter erklärte nach Angaben der kroatischen Zeitung "Jutarnji List", es sei ein kroatischer Zug mit 800 Flüchtlingen angekommen, begleitet von 40 bewaffneten Polizisten. Diese seien entwaffnet und der Lokführer festgenommen worden. "Das kroatische Innenministerium informiert die Öffentlichkeit darüber, dass diese Information falsch ist", hieß es prompt aus Zagreb. Die Polizisten hätten rasch nach dem Vorfall nach Kroatien zurückreisen können. Innenminister Ranko Ostojic sagte "Jutarnji List", die Beamten seien mit den Flüchtlingen nach Ungarn gefahren, um Ordnung im Zug zu gewährleisten - und zwar in Absprache mit Ungarn. Doch die ungarische Regierung habe entschieden, die Vereinbarung zu missachten.
    Im Deutschlandfunk übte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz deutliche Kritik am derzeitigen Umgang mit Flüchtlingen in der Europäischen Union: "Die Flüchtlinge werden derzeit vor allem weitergewunken, das kann nicht funktionieren", sagte der ÖVP-Politiker. "Da nehme ich uns nicht aus." Er forderte, das derzeit geltende Dublin-Abkommen, nach dem der EU-Staat, den ein Flüchtling als erstes betreten hat, für das Asylverfahren zuständig ist, zu überarbeiten. Flüchtlinge dürften nicht durch mehrere Länder ziehen und das für sie beste aussuchen - das sei zwar menschlich verständlich, könne aber nicht funktionieren.
    (swe/sdö)