"Ich habe nach dem Abitur die Fachhochschulausbildung der Allgemeinen Inneren Verwaltung des Bundes, das ist eine dreijährige Fachhochschulausbildung, dual, also ein halbes Jahr Studium, ein halbes Jahr Praktikum, immer so aufgeteilt. Und danach bin ich direkt zum Bundesamt gegangen."
Katrin Dölz ist Anfang 20, als sie ihr Studium als Diplomverwaltungswirtin abschließt und als Sachbearbeiterin im gehobenen Dienst anfängt. Entscheiderin wird sie genannt – kein Job wie jeder andere. Dölz urteilt wie bundesweit derzeit rund 550 ihrer Kollegen über die Asylanträge von Flüchtlingen, über Asyl oder Abschiebung, bleiben oder gehen:
"Ich sage das denn auch, wenn die zur Anhörung kommen, dass es jetzt drauf ankommt."
Die Anhörung ist die Grundlage ihrer Entscheidung. Dann sitzt die heute 48-Jährige in dem roten Klinkerbau in der Außenstelle Berlin-Spandau hinter ihrem Schreibtisch aus Furnierholz, zwischen sich und dem Flüchtling nur eine Akte, eine Karaffe mit Wasser und die Sprachbarriere, die ein Dolmetscher überwinden soll.
"Und dann lass ich mir die Asylgründe von dem Antragsteller erst einmal vollständig schildern, die Geschichte, und stelle dann entsprechende Nachfragen. Also zur Glaubwürdigkeit, zur Plausibilität oder was noch erforderlich ist, um die Entscheidung zu treffen."
Dölz muss herauszufinden, ob die gesetzlich anerkannten Asylgründe vorliegen. Und, ob der Flüchtling die Wahrheit erzählt. Dafür muss sie das Asyl- und Ausländerrecht kennen, Befragungstechniken beherrschen, in Datenbanken zur Situation im Herkunftsland recherchieren und in Einzelfällen Angaben des Flüchtlings mithilfe von Verbindungsbeamten im Ausland überprüfen.
Gesetzlich anerkannte Asylgründe
Zudem hat sie sich Detailwissen zu 14 Ländern angeeignet, darunter die Westbalkanstaaten und Vietnam, aus denen sie Asylanträge bearbeitet: durch Seminare, die das BAMF mit Fachleuten organisiert, aber auch durch individuelles Aktenstudium.
"Wenn ich jetzt ein neues Land bearbeite, muss ich mich da auch wieder einarbeiten."
Ein Job mit hohem Fachwissen also, für den das BAMF nun händeringend neue Leute sucht: Rund 800.000 Geflüchtete werden erwartet, ein Entscheider müsste Monat für Monat über das Schicksal von über 120 Flüchtlingen urteilen, Dölz aber sagt, sie schaffe nur 30 bis 50 Entscheidungen im Monat.
Dabei hat das BAMF bereits nachgerüstet, binnen einem Jahr hat sich die Zahl der Entscheider verdoppelt, doch es reicht nicht. Der neue Chef Frank-Jürgen Weise fordert weitere Stellen, die Zahl der Entscheider müsste sich nochmals auf dann 1.000 verdoppeln. Um schnell neues Personal zu finden, wurden die Zugangsvoraussetzungen für Bewerber inzwischen gesenkt, erklärt der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt.
"Wobei das BAMF relativ großzügig jetzt auf die Fachrichtung verzichtet hat und gesagt, wer ein Bachelorabschluss hat, ist bei uns geeignet, auch Aufgaben des gehobenen Dienstes wahrzunehmen."
Abstriche gibt es auch bei der internen Ausbildung: Die Einarbeitung für die Neuen wurde zentralisiert und auf drei Monate verkürzt, teilt die BAMF-Pressestelle mit. Zudem plant das Amt, auch Studenten der Verwaltungswissenschaften schon während der Praktikumsphase zumindest im mittleren Dienst einzusetzen.
"Not kennt kein Gebot", sagt Dauderstädt.
"Das kann keine Dauerlösung sein, aber in der Phase, in der wir uns jetzt befinden, müssen wir auf die Reserven, die es überhaupt gibt, zurückgreifen."
Pensionäre könnten wieder arbeiten
Auch bereits pensionierte Entscheider könnten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Zurzeit werde geklärt, wie sie entlohnt werden können, ohne dass ihnen etwas vom Ruhegeld abgezogen wird. Würden die ehemaligen Beamten befristet wieder eingestellt, würde auch am Status der Entscheider gerüttelt: Da sie hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, werden sie in der Regel verbeamtet. Doch Pensionäre, so Dauderstädt, "können ja nicht erneut in ein Beamtenverhältnis berufen werden, sie bekommen also einen Arbeitsvertrag wie ein Arbeitnehmer."
Hilfen wurden zugesagt
Das alles kostet Zeit. Deshalb springen dem Bundesamt mittlerweile auch Mitarbeiter aus anderen Behörden bei. Das Verteidigungsministerium entsendet in diesem Jahr bis zu 800 Mitarbeiter, Zivilisten und Soldaten. Auch Zoll und Justizministerium haben Hilfe zugesagt, vor allem bei der Registrierung der Flüchtlinge.
Kurzfristig einsetzbare Entscheider bekommt das BAMF hingegen vom Innenministerium: Für drei bis sechs Monate wechseln knapp einhundert Mitarbeiter des gehobenen Diensts in sogenannte Entscheidungszentren, die Einarbeitung wurde nochmals auf zwei Wochen verkürzt. Die Besonderheit: Diese Entscheider hören die Flüchtlinge nicht persönlich an, sondern urteilen nach Aktenlage. Aber - laut Innenministerium - nur über unstrittige Asylanträge aus Syrien, Afghanistan und Eritrea.
Der Bund ist also in personeller Not, doch aus der Flüchtlingskrise Kapital schlagen, das will der Beamtenbund nicht.
"Also wir erpressen den Staat dabei wegen der Angewiesenheit nicht", stellt Dauderstädt klar.
"Wir werden aber uns aber darum kümmern müssen, dass nicht wegen der Sparzwänge, die wir jetzt insgesamt vor Augen haben durch die Aufwendung für die Flüchtlinge, der Öffentliche Dienst in der nächsten Einkommensrunde abgekoppelt wird."
Dauderstädt weiß auch um die Mehrarbeit, die jetzt auf die Mitarbeiter in den Behörden zukommt, die vorübergehend Kollegen an das BAMF entsenden. Doch: Im Moment gebe es einfach andere Prioritäten.