Schon wieder sind Hunderte an Land gegangen. Diesmal hat das italienische Marineschiff "Foscari" die Migranten nach Neapel gebracht. Und Kommandant Luigi Ceppodomo berichtet von einem Rettungseinsatz, wie es schon so viele gab. Auf dem Flüchtlingsboot seien rund 300 Menschen an Deck gewesen. Aber als sie begonnen hätten, die Menschen an Bord zu holen, hätten sie im Maschinenraum über 200 weitere Menschen entdeckt. "Da stand überall das Wasser. Und dann gab es da viel Diesel. Und mit der Hitze, die dort herrschte, konnte man die Luft praktisch nicht atmen", erinnert sich Ceppodomo.
Über 2.000 Migranten sind allein in den letzten zwei Tagen in Italien angekommen. Mehr als 32.000 sind es seit Beginn des Jahres. Die Zahl derer, die es nicht geschafft haben, kann man nur schätzen. Menschenrechtsorganisationen gehen von rund 1800 Toten auf Mittelmeer seit Januar aus.
Für die Menschen, die mit den Schiffen der Marine oder Küstenwache in den Häfen ankommen, beginnt die Erstversorgung, die schon Routine ist. Auch in Neapel ist das so, berichtet die Präfektin Gerarda Maria Pantalone: "Wir haben ein abgestimmtes System, wir haben uns schon mit den anderen Polizeipräsidien abgesprochen, die Transportmittel stehen bereit - aber erst nach der Identifizierung und vor allem nach den Gesundheitskontrollen. Wir haben uns vorbereitet, um die nötige Hilfe zu leisten."
Ein gewaltiges Verteilungsproblem
Das klingt professionell - aber tatsächlich hat Italien ein gewaltiges Verteilungsproblem. Etwa 80.000 Migranten leben zur Zeit in den Aufnahmelagern des Landes, darunter sind über 14.000 Minderjährige. Die Verteilung ist sehr ungleich: Fast ein Viertel der Flüchtlinge bleiben auf Sizilien, viele in Regionen Süditaliens, in den reichen Norden des Landes kommen relativ wenige.
Dafür versuchen dort rechtspopulistische Politiker aus dem Thema Migration Kapital zu schlagen. Allen voran ist Matteo Salvini von der Lega Nord. Er sagt: "Wir sprechen von einem Heer von angeblichen Flüchtlingen, von Gespenstern, von Illegalen: Wo sind die, was essen sie?" Und er meint weiter: "Wer vor einem Krieg flieht, den nehme ich bei mir zuhause auf, denn er ist mein Bruder. Aber bei den anderen zigtausenden illegalen Einwanderern ist es unmoralisch, dass sie monatelang Frühstück, Mittagessen und Abendbrot im Hotel bezahlt bekommen, während es Italiener gibt, die nicht bis zum Monatsende kommen und die im Auto schlafen."
Von den 170.000 Migranten, die 2014 Italien erreicht haben, gelten laut den Vereinten Nationen zwei Drittel als schutzbedürftig. Es sind Menschen aus Syrien, Eritrea, Somalia zum Beispiel, die vor Krieg und Terror fliehen. Stimmung wird also mit einer Minderheit gemacht und vor allem im Norden Italiens ist der politische Widerstand, Migranten aufzunehmen, groß.
Krisengipfel in Rom
Das Innenministerium hat vor ein paar Tagen schon wieder ein verzweifeltes Rundschreiben an die Regionen Provinzen und Kommunen losgeschickt - mit der Bitte, weitere Plätze für die Aufnahme zu schaffen. Die Reaktion kam prompt, zum Beispiel von Roberto Maroni, Regionalpräsident der Lombardei. Unter Silvio Berlusconi war er mal Innenminister und stand für eine Flüchtlingspolitik der harten Abschreckung. "Ich unterschreibe die Meinung meines Kollegen Luca Zaia voll und ganz. Er hat gesagt, im Veneto gibt es null Plätze, auch in der Lombardei gibt es null Plätze", sagt er nun. Man könne diese Notlage nicht so managen, dass "irgendwer denkt, man kann die Illegalen umherschicken, ohne die Gemeinden miteinzubeziehen". Dafür gebe es keine Bereitschaft, "es sei denn, man setzt sich an einen Tisch und diskutiert das". Doch das sei unmöglich.
Aber genau ein solches Treffen soll es an diesem Donnerstag geben. Innenminister Angelino Alfano hat Vertreter der Kommunen und Regionen zum Gipfeltreffen nach Rom geladen. Sein Ziel: "Wir wollen nur Gerechtigkeit. Eine gerechte Verteilung der Migranten in allen europäischen Ländern und auch in allen italienischen Regionen. Ich bin der Innenminister, und meine Aufgabe ist es, die zu begraben, die tot ankommen, und die in Würde aufzunehmen, die hier lebend ankommen."
Auch angesichts der großen Zahlen schafft Italien das zur Zeit nicht. Eine Regelung für die Verteilung der Migranten in Europa scheint in weiter Ferne. Ab Ende der Woche beteiligen sich nun auch Schiffe der Deutschen Marine an der Seenotrettung. Was mit den Geretteten passiert, ist aber weiter unklar.