Ahmed Ahmed spielt beim FSV Bischofsheim in der Nähe von Frankfurt. Die Verantwortlichen vom Verein seien auf die Flüchtlinge zugekommen, sagte er: "Sie haben einfach Bälle mitgebracht - es war eine gute Idee." Zweimal die Woche trainieren sie, am Wochenende finden häufig Spiele statt.
Die anderen Spieler kämen aus aller Welt - Verständigung sei dennoch kein Problem: "Fußball braucht keine Sprache," so Ahmed, "Fußball hat eine Sprache, die man überall versteht." Durch den Sport habe er Freunde gefunden - auch deutsche.
Thomas Geiß hat für den SG Egelsbach, auch im Frankfurter Raum, die Flüchtlingsmannschaft "Refugees United" gegründet. Das Interesse der Flüchtlinge für den Sport sei von Anfang an groß gewesen, so Geiß. Die Gruppe sei offen, es könne jeder mitspielen.
"Politiker können nur Rahmenbedingungen schaffen"
Sport habe die Chance, Bildung zu vermitteln. Entscheidend sei aber die Möglichkeit des Kontakts zu anderen Flüchtlingen und zu Deutschen: "Die Begegnung ist das A und O, Menschen zusammenzuschalten und ihnen Ängste zu nehmen." Der Sportverein könne hier Lücken ausgleichen, die die Politik nicht ausgleichen kann. "Politiker können Rahmenbedingungen schaffen, leben müssen das die Menschen."
Geiß hält die Integration der Flüchtlinge zumindest in seiner Gemeinde für möglich: "Vor einigen Jahren hatte Egelsbach 9.500 Einwohner, dann kam ein Neubaugebiet und auf einmal hatten wir 1.500 Einwohner mehr - da werden wir auch mit 200 Flüchtlingen zurechtkommen."
Das Interview in voller Länge:
Jasper Barenberg: Nicht nur Politiker tun sich dieser Tage erkennbar schwer, Regeln für den Umgang mit den vielen Flüchtlingen zu finden. Das ist auch eine enorme Herausforderung für den Sport zum Beispiel. Viele Turnhallen sind inzwischen Notunterkünfte, und doch machen sich Vereine und Verbände auf den Weg, bei der Integration der Flüchtlinge zu helfen. Die SG Egelsbach zum Beispiel nahe Frankfurt am Main. Dort hat Thomas Geiß eine Mannschaft für Flüchtlinge gegründet: Refugees United. Oder Ahmed Ahmed, der vor einem Jahr aus dem Irak nach Deutschland gekommen ist und inzwischen in einer Flüchtlingsmannschaft kickt. Ich habe vor dieser Sendung Gelegenheit gehabt, mit beiden zu sprechen, und mit Thomas Geiß unter anderem darüber, wie alles anfing.
Thomas Geiß: Es ging los, als die Sportjugend Hessen uns von der SG Egelsbach gefragt hat, ihr macht doch seit Jahren schon eine tolle Flüchtlingsarbeit mit der christlichen Flüchtlingshilfe zusammen, könntet ihr euch vorstellen, in dieses Modellprojekt "Flüchtlinge und Sport" mit einzusteigen und etwas anzubieten für junge geflüchtete Menschen. Das funktioniert eigentlich schon seit vielen Jahren bei der SG Egelsbach geräuschlos. Wir haben seit 27 Jahren die christliche Flüchtlingshilfe bei uns, entstanden aus einer Bürgerinitiative, und Kinder, die kommen, werden sofort in den Verein eingebunden. Aber junge Erwachsene, da gab es noch kein Angebot, und wir haben uns überlegt, gibt es nicht die Möglichkeit, mit denen was zu machen. Wir sind in die Flüchtlingshilfe gegangen, haben gefragt, welche Vorstellung habt ihr von Sport, möchtet ihr irgendwas machen. "Wir würden gern kicken!" Also haben wir gesagt, gut: Wir überlegen uns, wie wir es hinbekommen, dass Menschen in die Lage versetzt werden, Fußball zu spielen. Wer geflüchtet ist, denkt nicht daran, seine Hallenschuhe mitzunehmen. Also musste erst mal Kleidung beschafft werden, und das haben wir dann auch getan.
Ahmed: "Die sind zu uns gekommen - das war eine gute Idee"
Barenberg: Wer kam? Wie war dieses erste Training? Wer ist da gekommen?
Geiß: Das erste Training war sehr spannend. Wir hatten eigentlich mit zwölf Personen gerechnet, aber es waren 20 Leute da. Und nachdem wir dann das zweite Mal das Training angeboten hatten von 22 Uhr bis 24 Uhr - nun muss man immer dazu sagen: Hallenzeiten sind auch bei uns knapp -, waren plötzlich 30 Personen da. Und als wir dann beim dritten Mal 40 Personen waren, haben wir gesagt, wir müssen jetzt langsam aufhören damit, Werbung zu machen, sonst kommen wir nicht mehr zum Fußballspielen. Aber es war natürlich auch so, dass wir teilweise länger als 24 Uhr gespielt haben und teilweise wir um zwei Uhr nachts dann gesagt haben, morgen Früh müssen wir raus, bitte lasst uns auch nach Hause gehen.
Barenberg: Ahmed Ahmed, Sie spielen nicht in diesem Team "Refugees United", sondern beim FSV Bischofsheim, auch in der Frankfurter Region. Erzählen Sie uns: Sie sind aus dem Irak nach Deutschland gekommen. Wie haben Sie von dieser Mannschaft erfahren?
Ahmed Ahmed: Das war alles erst mal sehr schnell. Als ich nach Maintal gekommen bin, das war vor einem Jahr oder so. Dann sind die Leute von "Sport und Flüchtlinge" zu uns gekommen. Sie haben einfach ein paar Bälle und so was mitgebracht und die Leute haben Bälle gesehen, okay, warum nicht. Wir haben dann ein bisschen Passen, Kicken und so was gespielt. Dann haben die Leute gesagt, warum kommt ihr nicht zu uns und spielt mit uns. - Die sind zu uns gekommen. Das war eine gute Idee, finde ich. Danach haben wir immer in der Halle gespielt. Dann haben sie vorgeschlagen, dass wir eine dritte Mannschaft vom FSV Bischofsheim machen, die alle Flüchtlinge sind. Das war eine gute Idee. Wir haben immer zweimal jetzt in der Woche Training, manchmal Spiele. Nächsten Samstag haben wir auch ein Spiel. Das geht schon.
"Der Fußball hat eine Sprache, die man miteinander versteht"
Barenberg: Wer spielt bei Ihnen mit?
Ahmed: Die sind alle aus Eritrea, Syrien, von überall. Wir sind eine Weltmannschaft.
Barenberg: Aus der ganzen Welt?
Ahmed: Ja genau.
Barenberg: Und wie verstehen Sie sich? Oder anders gefragt: Gibt es da schon manchmal Punkte, wo Sie sich nicht verstanden haben, sei es rein sprachlich oder sei es, weil Sie aus unterschiedlichen Kulturen kommen und andere Gewohnheiten haben?
Ahmed: Ich fange mit meinem Zimmernachbarn an. Er spricht kein Deutsch, kein Englisch, kein Arabisch, die drei Sprachen, die ich sprechen kann. Er ist bei mir seit einem Jahr und wir sprechen bis jetzt mit Händen und Füßen. Also glaube ich, der Fußball braucht keine Sprache. Der Fußball hat eine Sprache, die man miteinander versteht. Ich habe jetzt viele Freunde in der Mannschaft, wo wir vorher nicht Freunde waren. Durch den Fußball haben wir uns kennengelernt.
Barenberg: Was würden Sie sagen, wie wichtig ist dieses Fußballtraining und wie wichtig ist das Engagement in diesem Verein, das Fußballspiel in diesem Verein für Ihr alltägliches Leben?
Ahmed: Ich habe nicht einfach in Deutschland angefangen. Vor 14 Monaten bin ich nach Deutschland gekommen und das war eine Katastrophe. Ich war eigentlich hoffnungslos. Ich hatte keine Hoffnung, was zu machen. Dann kam der Sport, kam das "Sport und Flüchtlinge"-Projekt: Jiu-Jitsu, Fitness, Fußball, Handball, alle Möglichkeiten sind gekommen. Dann hat man nicht mehr viel Zeit. Wir sind dann schnell mit der Mannschaft engagiert, diese Fußballer, Volleyball-Spieler und so was. Sprachlich hat das auch geholfen, mit deutschen Leuten Kontakt zu haben. Ja, das hat viel geholfen.
Geiß: "Die Begegnung ist das A und O"
Barenberg: Thomas Geiß, würden Sie sagen, das ist eine ganz typische Geschichte für das, was passiert, wenn es so eine Möglichkeit gibt, Sport zu machen, in Ihrem Fall Fußball?
Geiß: Was passieren kann, ja. Der Sport hat die Chance, Bildung rüberzubringen, Bewegung und Begegnung vor allem. Begegnung ist das A und das O, Menschen zusammenzuschalten, Ängste zu nehmen. Wenn die homogene Gruppe, die als Fremde gesehen wird, plötzlich Gesichter bekommen, das ist eine tolle Sache und das macht auch viel, viel Spaß.
Barenberg: Mancher sagt ja vielleicht, dass es Nachteile geben könnte, wenn man sich überlegt, dass nur Flüchtlinge unter sich in einer Mannschaft spielen. Was antworten Sie denen, die sagen, ist das nicht zu abgeschottet, warum macht ihr die Türen nicht auf und lasst sie überall mitspielen?
Geiß: Die Gruppe ist offen. Freitagsabends ist die Gruppe offen. Es kann jeder mitkommen, es kann jeder mitspielen, es sind alle eingeladen. Warum wir mit Flüchtlingen angefangen haben ist: Die Menschen, die hier herkommen und wir als homogene Gruppe "Flüchtlinge" sehen, kommen aus verschiedenen Ländern. Ahmed hat es gerade gesagt gehabt: Eritrea, Somalia, aus Afghanistan, aus dem Irak. Die sind sich auch alle fremd. Die müssen sich auch erst mal kennenlernen. Wir schmeißen sie alle in einen Topf. Und es ist toll, wenn sie über den Sport eine Gemeinsamkeit finden und auch mit Deutschen dann eine Begegnung finden.
"Wir können das alles leisten"
Barenberg: Wenn Sie in die Zukunft schauen: Wir erleben im Moment, dass noch sehr viel mehr Menschen kommen als zu der Zeit, wo Sie dieses Projekt gestartet haben, ganz zu schweigen von der Zeit, wo Sie schon seit vielen Jahren etwas Ähnliches tun. Wie beurteilen Sie das, was im Moment passiert? Wie beurteilen Sie Ihren Anteil daran, dass so etwas wie die Integration und die Betreuung und die Begleitung von so vielen Menschen, die zu uns kommen, gelingen kann in Zukunft?
Geiß: Egelsbach ist eine Gemeinde gewesen vor sechs Jahren mit 9.500 Einwohnern. Wir haben ein Neubaugebiet dazubekommen und haben 1.500 Einwohner dazubekommen. Da werden wir auch mit 200 Flüchtlingen zurechtkommen, die dazugekommen sind. Es hat keiner weniger seit einem Jahr in Egelsbach, auch in ganz Deutschland. Keiner, der in irgendeiner Form Bedenken hat bei dem Thema, hat weniger, als er vorher hatte. Von daher: Wir können das alles leisten. Der Sport vor allem kann hier Lücken ausgleichen, die Politik nicht ausgleichen kann. Politiker können Entscheidungen treffen, können Rahmenbedingungen schaffen. Das leben müssen die Menschen und die Menschen in den Sportvereinen sind so engagiert, dort sind so viele Hilfsbereite. Wir hatten vor zwei Wochen ein Helfertreffen gehabt und wollten Leute animieren, mitzuhelfen, in Egelsbach für Flüchtlinge etwas zu tun. Am Anfang waren 50 Stühle gestellt, wir haben 80 Stühle nachstellen müssen. Wir haben ein großes Netzwerk geschaffen innerhalb von unserer Gemeinde.
Barenberg: Thomas Geiß vom Fußballverein SG Egelsbach und der Fußballer Ahmed Ahmed, der gerne Schiedsrichter werden möchte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.