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Flüchtlinge im Sudan
„Die Leute fühlen sich noch immer nicht sicher“

Auch nach verkündetem Ende der Militäroffensive in der äthiopischen Region Tigray flüchten zahlreiche Menschen in den Sudan. Das Land sei dafür aber nicht gerüstet und stecke in einer tiefen Krise, sagte Frauke Ossig von Ärzte ohne Grenzen. „Die Bevölkerung hat Probleme, Brot und Benzin zu bezahlen.“

Andreas Noll im Gespräch mit Frauke Ossig |
Flüchtlinge aus der äthiopischen Region Tigray kommen am Ufer des Flusses Tekeze-Setit auf sudanesischer Seite an.
Flüchtlinge aus der äthiopischen Region Tigray kommen am Ufer des Flusses Tekeze-Setit auf sudanesischer Seite an. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Nariman El-Mofty)
Anfang November ist in der Tigray-Region in Äthiopien Krieg ausgebrochen. Der Eskalation war ein langer Konflikt zwischen der äthiopischen Zentralregierung und der regionalen Macht, der Volksbefreiungsfront von Tigray, vorausgegangen. Schließlich waren Regierungstruppen in die Region einmarschiert und verkündeten am 28. November die Einnahme der Regionalhauptstadt Mekele. Die Kampfhandlungen ebben seitdem ab, die Bevölkerung leidet aber weiter. Tausende Menschen sind auf der Flucht.
Frauke Ossig von Ärzte ohne Grenzen betonte im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass die Aufnahme- und Willkommensbereitschaft im benachbarten Sudan sehr hoch sei. Nicht zuletzt sei es die dörfliche Bevölkerung, die Menschen in ihren Häusern beherberge und versorge. Dennoch gelten die Rahmenbedingungen im Sudan als denkbar schlecht: Die Regierung etabliere sich erst gerade und es gebe ohnehin bereits mehr als eine Million Flüchtlinge und Binnenvertriebene, erläuterte Ossig.
"Mit einem schlechten Gesundheitssystem kommen da natürlich 50.000 zusätzliche Flüchtlinge in einem Moment im Land an, wo das Land ohnehin zu kämpfen hat."
Hintergründe und Konfliktlinien - Eskalation in Äthiopiens Tigray-Region
Die Zentralregierung hat inzwischen verkündet, dass sie Mekele, die Hauptstadt der Region Tigray, eingenommen habe. Doch der Weg zu Frieden dürfte noch lang sein. Einblicke und Hintergründe.
Die meisten Menschen wollten nach Äthiopien zurückkehren, sagte Ossig – "und das auch schon sehr lange". Eine große Bereitschaft, komplett zurückzugehen, sehe man aber hingegen nicht.
Mehr internationale Unterstützung notwendig
Zwar könne sie über die Situation in der äthiopischen Tigray-Region selbst wenig sagen, da sie nicht vor Ort sei. "Wir hören aber, dass Leute nach wie vor auf der Flucht sind. Wir hören von Leuten, die im Sudan ankommen, dass Leute sich nicht sicher fühlen, dass Leute intern vertrieben sind, dass Leute Schwierigkeiten haben, die Grenze zum benachbarten Sudan zu erreichen, aber sich immer noch auf den Weg machen – also immer noch in einer Situation sind, wo sie sich nicht sicher fühlen."
Ähtiopiens Premier Abiy Ahmed - ″Sein Ansehen als Friedensstifter ist ruiniert″
Die Journalistin Tsedale Lemma macht Abiy Ahmed mitverantwortlich für den Konflikt in der Region Tigray. Er habe viele Fehler gemacht, sagte die Chefredakteurin des Magazins "Addis Standard" im Dlf.

Ossig zufolge sei die internationale Staatengemeinschaft in der Pflicht, mehr regionale Unterstützung zu leisten. Die Anstrengungen vor Ort reichten nicht aus.
"Hinsichtlich der humanitären Unterstützung gibt es noch sehr viel zu tun. Das permanente Camp Umm Rukuba ist überlastet. Ursprünglich war es für 10.000 Leute geplant und wird jetzt erweitert."
Dennoch werde über ein weiteres permanentes Camp diskutiert und in Hinsicht der grundlegenden Leistungen wie Obdach, Verpflegung, Wasser- und Sanitärversorgung müsse noch deutlich mehr gemacht werden.