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Flüchtlinge
Immer mehr stranden in Griechenland

Mehr als 850.000 Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr in Griechenland an. Im Januar sind es trotz ungünstiger Wetterbedingungen schon wieder mehr als 45.000 gewesen. Die meisten von ihnen wollen weiter nach Mittel- und Nordeuropa, was aber zunehmend schwieriger wird. Und Griechenland ist mit der Aufnahme der Menschen völlig überlastet.

Von Jerry Sommer |
    Flüchtlinge in einem Schlachboot erreichen die griechische Insel Lesbos.
    Flüchtlinge in einem Schlachboot erreichen die griechische Insel Lesbos. Das Bild entstand am 8. Oktober. (picture alliance / dpa / Yannis Kolesidis)
    Auf dem kleinen Platz "Plateia Victorias" im Zentrum von Athen schlägt ein Flüchtling die Trommel. Etwa ein Dutzend junger Männer klatschen, schreien und ein paar tanzen auch. So vertreiben sie sich die Zeit. Ein 20-jähriger Marokkaner erzählt, dass er 700 Euro für die Überfahrt mit dem Schlauchboot aus der Türkei auf eine griechische Insel bezahlt habe. An der Grenze zu Mazedonien sei er nicht durchgelassen und zurück nach Athen gebracht worden: "Wir wollen nicht in Griechenland bleiben, wir wollen nach Frankreich oder Deutschland."
    Er hofft, dass die Grenzen bald wieder geöffnet werden – auch für Marokkaner. Boher, ein junger Iraner steht ebenfalls auf dem Platz, zusammen mit einer Iranerin, die schon lange in Athen lebt. Er hatte Glück, die 60-jährige Shirin hat ihn bei sich aufgenommen. Inzwischen hat der 18-jährige hier in Athen einen Asylantrag gestellt, erklärt sie: "Er will nicht in einem Staat leben, der den Menschen sagt, was sie anzuziehen haben, in dem es keine Freiheit gibt. Er möchte Boxer werden. Aber Sportler werden im Iran nicht respektiert."
    Die Handlungsmöglichkeiten sind beschränkt
    Von den 850.000 Flüchtlingen, die vergangenes Jahr nach Griechenland kamen, haben weniger als 15.000 Asylanträge in Griechenland gestellt. Das ist nicht verwunderlich. Denn das Land steckt in einer tiefen sozialen und wirtschaftlichen Krise. Ein bis zwei Milliarden Euro – genau weiß es wohl auch die Regierung nicht - hat Griechenland im vergangenen Jahr für die Flüchtlinge ausgegeben, obwohl das Land harte Sparauflagen erfüllen muss. Und die EU-Unterstützung war bisher bescheiden. Die Leiterin des Athener Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, Nicole Katsioulis, findet: "Griechenland versucht das Bestmögliche zu tun. Aber die Handlungsmöglichkeiten sind sicherlich beschränkt. Alles kann Griechenland nicht finanzieren. Griechenland ist mit der Finanzierung überfordert."
    In Athen hat die Regierung bisher Unterbringungsmöglichkeiten für maximal 1.400 Flüchtlinge geschaffen. Die Hälfte der Plätze befindet sich in neu errichteten, kleinen Wohnhütten. Die übrigen 700 sind sehr behelfsmäßig: im Anbau des Hockeystadions, das 2004 für die Olympischen Spiele gebaut wurde – und in der Zwischenzeit leer stand.
    Im Büro dieses Flüchtlingslagers kümmert sich die Leiterin, die 25-jährige Kristina Christidou um alles. In den letzten zwei Monaten lebten hier nur etwa 150 bis 200 Flüchtlinge. Die meisten von ihnen bleiben nur ein paar Tage, erholen sich ein wenig, bevor sie weiter fahren an die griechisch-mazedonische Grenze. Aber in letzter Zeit nimmt die Zahl der Flüchtlinge aus Ländern wie Pakistan, Algerien und Marokko zu. Denn für diese hat Mazedonien seine Grenze grundsätzlich geschlossen.
    Kristina: "Im Augenblick stammt die Hälfte der Flüchtlinge, die von den Inseln ankommen, aus Ländern wie Syrien und Afghanistan. Denen ist die Weiterreise erlaubt. Aber andere werden an der Grenze abgewiesen."
    "Hier können doch nicht viele bleiben"
    Der 18jährige Marokkaner Halid ist einer von ihnen. Seine Eltern haben ihm die gefährliche Überfahrt finanziert, denn in Casablanca gebe es keine Arbeit, sagt er. Er wollte nach Deutschland. Aber an der Grenze zu Mazedonien wurde auch er zurückgeschickt: "Jetzt will ich zurück nach Marokko. Ich erhalte ein Ticket und 400 Euro für die freiwillige Rückführung. Am Mittwoch reise ich ab."
    Wie die anderen schläft er in den kahlen Räumen des Stadionanbaus. Die meisten Feldbetten stehen nebeneinander auf den Gängen. Aber obwohl das Lager nur zu einem Drittel voll ist, gibt es nicht für alle Feldbetten. Auch Tische oder Stühle fehlen. Für das Allernötigste ist zwar gesorgt. Doch ohne Freiwillige würde es nicht funktionieren. Die ärztliche Versorgung hat zum Beispiel die Nichtregierungsorganisation "Ärzte der Welt" übernommen, denn Flüchtlinge haben es schwer, im staatlichen Gesundheitssystem aufgenommen zu werden. Und die Vorbereitung und Verteilung des angelieferten Essens organisieren 15 freiwillige Helferinnen. Katarina, eine 45-jährige Frau mit drei Kindern, ist eine von ihnen. Sie helfe gern, Griechen und Europäern sei das große Problem doch bewusst, meint sie. Nur hat sie eine Sorge: Wenn die Grenzen zu anderen europäischen Ländern immer mehr geschlossen würden, würde Griechenland mit dem Flüchtlingsproblem allein gelassen werden. Das aber würde das Land überlasten. Katarina: "Hier können doch nicht viele bleiben. Wir haben ja jetzt schon große wirtschaftliche Probleme."