Als Georg Classen, der Sprecher des Berliner Flüchtlingsrates, in das Studio kommt zum Interview, da ist er sehr aufgebracht. Er berichtet von einer Demonstration vor dem ehemaligen Wilmersdorfer Rathaus an diesem Tag, einer Unterkunft für rund 1.000 Flüchtlinge, die dort seit 2015 untergebracht sind. Aus Protest haben viele von ihnen ihre Zimmer verlassen, sie verlangen vor dem Gebäude eine menschenwürdige Bleibe und eine menschenwürdige Behandlung.
Keine Lebensmittel in die Unterkunft, das sei die Vorgabe, so Classen, ein Mann habe etwas Brot mit auf sein Zimmer nehmen wollen, "wo es zu einer Eskalation kam. Die Flüchtlinge berichteten mir, dass ein Bewohner von der Security zusammengeschlagen wurde massivst, sie zeigten mir auch ein Foto, wo er eben im Krankenhaus liegt".
Zusammenleben auf engem Raum problematisch
Die meisten Flüchtlinge in Berlin – 6.000 von ihnen mussten gar jahrelang in Turnhallen ausharren – wollen am liebsten eine normale Wohnung beziehen und raus aus den Massenunterkünften. Mohammad, 29, hat nach seiner Flucht aus dem zerbombten Aleppo zunächst in den Hangars des alten Flughafens Tempelhof eine Bleibe gefunden, aber "das war wirklich sehr sehr schlimm dort. Es gab viele Leute und immer laut und – Entschuldigung – die Security dort sind sehr schrecklich. Das war nicht gut!"
Für Georg Classen vom Flüchtlingsrat hat die Stadt Berlin Großes geleistet, als Tausende Flüchtlinge schnell untergebracht werden mussten.
Für Georg Classen vom Flüchtlingsrat hat die Stadt Berlin Großes geleistet, als Tausende Flüchtlinge schnell untergebracht werden mussten.
"Aber dass es in so einer Unterkunft, wo so viele Menschen auf so engem Raum zusammen leben müssen, zu Konflikten kommt, dass das irgendwann eskaliert, ist klar. Und viele sagten auch sie suchen eine Wohnung, aber sie finden keine."
Daher steht im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag von Berlin, die neue Regierung wolle prüfen, wie allen Geflüchteten die Anmietung einer Sozialwohnung mit Wohnberechtigungsschein ermöglicht werden kann.
"Und sie hat auch die feste Absicht, dafür zu sorgen, dass Menschen, egal, woher sie kommen, Wohnraum finden. Das ist erstmal das Kernanliegen, was man so beschreiben kann. Aber natürlich ist das nicht immer so ganz einfach, weil der Wohnberechtigungsschein macht natürlich noch keine Wohnung und wie Sie wissen gibt es leider in Berlin zu wenig sozialen Wohnraum weswegen wir große Anstrengungen unternehmen, um den Anteil an sozialem Wohnraum in dieser Stadt zu erhöhen."
Staatssekretär: Besserung in Sicht
Sebastian Scheel ist Baustaatssekretär und sieht das Problem mit den Wohnberechtigungsscheinen für Flüchtlinge im Kontext der gesamten Wohnungspolitik, aber solange nicht genügend Wohnungen zur Verfügung stehen, müsse man eben auf Containerdörfer und sogenannte modulare Unterkünfte ausweichen.
Viel zu teuer in Relation zum sozialen Wohnungsbau und auch nicht gut für die Integration, kontert der Flüchtlingsrat. Diese Argumente versteht der Staatssekretär und deswegen habe Bausenatorin Katrin Lompscher von der Linkspartei auch eine Ausführungsverordnung erlassen, die die Vergabe von Berechtigungsscheinen an Flüchtlinge präzisiere. Besserung sei so in Sicht.
"Es ist natürlich anstrebenswert und wir arbeiten auch daran, dass natürlich die Flüchtlinge in die Gesellschaft integriert werden und dabei sind natürlich zentrale Unterkünfte nur die zweitbeste Variante."
Mohammad aus Syrien hat seine Erfahrungen gemacht mit Massenunterkünften. Dass er aber keinen Wohnberechtigungsschein mehr bekommt, hat einen anderen, sogar erfreulichen Grund: Der Elektroingenieur fand Arbeit in einem Großbetrieb in Spandau.
"Das ist nicht einfach in Berlin eine Wohnung zu finden. Aber ich habe bei einer deutschen Familie gewohnt und das war sehr toll. Aber jetzt muss ich wieder eine Wohnung suchen, weil der Mann, wo ich gewohnt habe, er ist gestorben und ich muss umziehen, leider!"
"Das ist nicht einfach in Berlin eine Wohnung zu finden. Aber ich habe bei einer deutschen Familie gewohnt und das war sehr toll. Aber jetzt muss ich wieder eine Wohnung suchen, weil der Mann, wo ich gewohnt habe, er ist gestorben und ich muss umziehen, leider!"
Warten auf Klärung der Vergabe
Von privaten Vermietern, die gerne Flüchtlinge aufnehmen wollen, berichtet auch Georg Classen, "die teilweise auch um die Flüchtlinge zu unterstützen mit dem Mietpreis runtergehen und sagen, ich verlange jetzt hier 200 Euro weniger, damit das Sozialamt die Mietkosten dann auch akzeptiert und die beschweren sich auch bei uns, dass sie nicht hinreichend unterstützt werden von den zuständigen Behörden. Da dauert die Mietprüfung teilweise sechs oder sieben Wochen lang und solange soll der Vermieter dann die Wohnung freihalten bis er dann die Zusage vom Sozialamt hat."
Mohammad ist nicht mehr angewiesen auf die Hilfe des Staates, der verstorbene Gastvater hat einen Makler unter seinen Schwiegersöhnen. "Der Mann von Tochter von dem Mann, bei dem ich gewohnt habe, hat mir geholfen. Und natürlich ohne seine Hilfe kann ich nicht eine Wohnung finden."
Die Flüchtlinge in Berlin, die nicht so viel Glück hatten wie Mohammad, müssen weiter warten auf die Klärung der Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zwischen Senat und Bezirken. Staatssekretär Sebastian Scheel:
"Also der Senat hat es ja beschlossen, insofern ist es beim Rat der Bürgermeister, die haben es erstmal in ihren Ausschuss überwiesen, dort wird es beraten und wir gehen jetzt fest davon aus, dass Anfang Juni in der nächsten Sitzung des Rates der Bürgermeister dazu auch eine Entscheidung fällt, so dass wir dann noch vor der Sommerpause Nägeln mit Köpfen gemacht haben."
"Also der Senat hat es ja beschlossen, insofern ist es beim Rat der Bürgermeister, die haben es erstmal in ihren Ausschuss überwiesen, dort wird es beraten und wir gehen jetzt fest davon aus, dass Anfang Juni in der nächsten Sitzung des Rates der Bürgermeister dazu auch eine Entscheidung fällt, so dass wir dann noch vor der Sommerpause Nägeln mit Köpfen gemacht haben."