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Flüchtlinge in der Wissenschaft
Forschungsprogramme sollen Integration fördern

Schnell und unbürokratisch einen Job finden oder die Dissertation fertig schreiben: Für geflüchtete Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen soll das künftig durch verschiedene Forschungsprogramme möglich werden. Das Angebot kommt bereits gut an - doch die Nachfrage ist nicht so groß, wie erwartet.

Von Anneke Meyer |
    Ein Doktorhut
    Geflüchtete Wissenschaftler und Doktoranden sollen künftig in Deutschland schneller die Möglichkeit bekommen, wissenschaftlich zu arbeiten. (dpa/picture alliance/Uni Jena)
    "Deutsche Gründlichkeit ist super. Aber es wird jetzt deutsche Flexibilität gebraucht."
    Ganz im Sinne der Bundeskanzlerin kommt das neueste Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft ohne große Formalitäten daher: Seit Ende letzten Jahres können Wissenschaftler, deren Projekte von der DFG gefördert werden, zusätzliche Mittel beantragen, um damit Flüchtlinge zu beschäftigen. Und zwar solche, die in ihrer Heimat eine Promotion begonnen oder bereits abgeschlossen haben. Und das ganz ohne Antragsformular, betont Fachbereichsleiterin Annette Schmidtmann:
    "Wir bemühen uns, so flexibel wie möglich zu sein und die Rahmenbedingungen zu lockern. Wir geben an der Stelle den geförderten Arbeitsgruppen einen Vertrauensvorschuss und sagen: Du hast diese Kontrolle oder diese Prüfung schon einmal durchgestanden. Und wenn du sagst, dass du diese Person gut integrieren kannst und das zum Nutzen des Projektes ist, dann vertrauen wir dir."
    Einzige Voraussetzung um die "Plausibilitätsprüfung" des formlosen Antrags zu bestehen: Der Wunschkandidat muss fachlich in das Projekt passen und sich als Asylsuchender in Deutschland aufhalten.
    Mit ähnlichen Initiativen wollen Helmholtz-Gemeinschaft, Fraunhofer und Max-Planck-Gesellschaft insbesondere angehenden Akademikern die Ankunft erleichtern und ihnen den Weg in deutsche Forschungseinrichtungen ebnen.
    Speziell für etablierte Wissenschaftler, Hochschullehrer und Professoren, hat die Humboldt-Stiftung die Philipp-Schwartz-Initiative entwickelt. Barbara Sheldon ist in dem Programm federführend:
    "Das Interessante und das Besondere an diesem Programm ist, dass Antragsstellende die Gasteinrichtungen sind. Wir haben hier mit dem Programm auch eine Strukturbildung im Blick. Und deshalb beinhaltet das Programm nicht nur das Profil eines einzelnen Wissenschaftlers, sondern wir fragen ganz bewusst nach einem Konzept der Uni: Wie stellt ihr euch auf, um mit einer gefährdeten Person auch umgehen zu können?"
    Die Kriterien dafür, wer als gefährdet gilt und damit für das Programm infrage kommt, sind bewusst sehr offen gehalten. Ein passender Kandidat muss nicht in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, er kann sich auch noch in seinem Heimatland befinden. Dadurch könnte den betroffenen Wissenschaftlern die Flucht samt illegaler Einreise erspart bleiben.
    Keine klaren Vorgaben
    Ein Konzept, das aufzugehen scheint. Für die erste Förderrunde mit Bewerbungsschluss Ende März, sind rund 50 Anfragen von interessierten Universitäten eingegangen.
    "Da zeichnen sich zwei Richtungen ab. Es gibt Einrichtungen, die eine konkrete Person im Blick haben, eine Forscherin, einen Forscher mit der man vielleicht auch schon kooperiert hat in früheren Phasen und jetzt ist plötzlich eine Gefährdungssituation entstanden. Und dann gibt es andere Einrichtungen, die haben keine konkrete Person im Blick, die sagen aber, wir möchten jemanden aufnehmen."
    In solchen Fällen helfen Organisationen wie "Scholars at Risk" oder der "Scholar Rescue Fund" weiter. Sie vermitteln Forscher, denen in ihrem Heimatland Gefahr für Leib und Leben droht, an passende Universitäten im Ausland. Ein Konzept, das international seit Jahren etabliert ist und langsam auch in Deutschland Fuß fasst.
    Nicht alles läuft perfekt
    Die direkte Kontaktaufnahme zwischen Flüchtlingswohnheim und Forschungsinstitut gestaltet sich dagegen bislang eher schwierig. Am mangelnden Willen der in Deutschland Forschenden liegt das nicht, wie das Beispiel des Online-Netzwerks "Chance for Science" zeigt. Auf der Plattform, die Mitarbeiter der Uni Leipzig vor gut einem halben Jahr ins Leben gerufen haben, meldeten sich in kürzester Zeit rund dreihundert deutsche Wissenschaftler an. Flüchtlinge registrierten sich nur dreißig.
    Ist das Angebot größer als die Nachfrage? Oder haben die Flüchtlinge mit wissenschaftlicher Ausbildung einfach noch nicht den Weg zu den richtigen Anlaufstellen gefunden? So genau weiß das niemand. Die DFG setzt deshalb einmal mehr auf deutsche Flexibilität:
    "Wir haben zunächst mal einen gewissen Betrag reserviert, würden aber, wenn wir sozusagen von guten Anfragen geflutet würden, auch noch mehr Mittel dafür zur Verfügung stellen. Da müssen wir einfach mal abwarten, was das kommende Jahr bringt."
    Mangelnde Information
    Das noch so vieles unklar ist, liegt auch daran, dass Informationen über den Ausbildungs- und Karrierestand von Flüchtlingen nicht systematisch erfasst werden. Was man weiß ist, dass viele von denen, die zurzeit nach Deutschland kommen, studieren wollen. Alleine auf ein entsprechendes Angebot des DAAD mit zweihundert Studienplätzen gingen fünftausend Bewerbungen ein.
    Wie viele schon studiert oder sogar promoviert haben, ist dagegen unbekannt. Schätzungen zufolge verfügen rund 15 Prozent der Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Deutschland gekommen sind, über einen Hochschulabschluss. Dass darunter auch einige sind, die eine wissenschaftliche Laufbahn verfolgen, legt die Resonanz auf die Förderprogramme nahe. Allein die DFG hat von Januar bis Anfang März gut 70 Anfragen bekommen. Erste konkrete Anträge sind bereits eingegangen und bewilligt.
    "Wir dürfen ja nicht vergessen, dass ist ein Personenkreis, der den höchsten Bildungsgrad überhaupt hat, den wir haben können. Angesichts dieser Tatsache finde ich die Resonanz für nur zwei Monate recht ordentlich."
    Wie lange das DFG-Programm zur Förderung geflüchteter Forscher laufen soll, bleibt fürs Erste offen. Die DFG hofft, dass es durch die Anschubfinanzierung gelingt, Hochqualifizierte in das deutsche Wissenschaftssystem zu integrieren. Langfristig soll der Sondertopf dadurch unnötig werden. Zunächst einmal dürfte der Bedarf aber steigen. Auch die Humboldt-Stiftung stellt sich auf wachsende Nachfrage ein. Eine nächste Stipendienrunde ist für den Sommer geplant.