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Flüchtlinge in Deutschland
"Die Integrationskraft auch eines starken Landes hat Grenzen"

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt fordert mehr Anstrengungen bei der Integration von Flüchtlingen. Die Sprache sei Grundvoraussetzung, es gehe aber auch um die Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft, sagte Hasselfeldt im Interview der Woche des Deutschlandfunks. Hier müsse man sich auch mit Fragen wie Vollverschleierung und Kinderehe auseinandersetzen.

Gerda Hasselfeldt im Gespräch mit Marcus Pindur |
    Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt
    Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt (dpa / picture-alliance / Wolfgang Kumm)
    Pindur: Frau Hasselfeldt, Sie sind als Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag nicht nur für den Zusammenhalt Ihrer Landesgruppe zuständig, Sie haben auch eine Scharnierfunktion zur Schwesterpartei CDU. Und mit diesem Verhältnis stand es ja in letzter Zeit nicht immer zum Besten. Wieder und wieder hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer von der Bundeskanzlerin etwas gefordert, was diese eben nicht bereit war zu konzedieren, nämlich eine Festschreibung einer jährlichen Aufnahmezahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern auf 200.000 Menschen pro Jahr. Als Sie da einen Kompromissvorschlag gemacht haben, man könne das ja als eine Orientierungsgröße betrachten, müsse das nicht starr festschreiben, da hat Herr Seehofer das ziemlich unwirsch als Ihre Privatmeinung abgetan. Bleiben Sie trotzdem bei Ihrem Standpunkt?
    Hasselfeldt: Ich bin mir, was die Obergrenze betrifft und die Definition dieser Obergrenze, treu geblieben. Schon im Januar 2016, als die 200.000 als Obergrenze von uns genannt wurden, stand ich fest hinter dieser Forderung und stehe auch heute noch dahinter, habe damals auch schon gesagt, diese Obergrenze verstehe ich als Orientierungsgröße, an der sich dann die politischen Entscheidungen orientieren sollen. Und da stand ich auch nicht alleine, sondern das war auch die Meinung und ist auch heute die Meinung der CSU-Landesgruppenmitglieder. Und übrigens hat da auch der Parteivorsitzende auch schon damals dieses so interpretiert. Es ist also kein Widerspruch. Es ist eine Deutung, aber wir sind uns einig. Wir brauchen eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen, sonst ist die Humanität und die Integrationsmöglichkeit der betroffenen Menschen in unserem Land nicht möglich.
    Pindur: Sie haben gesagt, das sei eine Deutungsfrage. Eine Deutungsfrage – ist das eine Deutungsfrage, der sich Herr Seehofer denn bald anschließen wird?
    Hasselfeldt: Nun, wir haben darüber keine streitige Diskussion, sondern ausschlaggebend ist das Ziel. Und das Ziel ist eine deutliche Begrenzung der Flüchtlingszahlen im Bewusstsein, dass die Aufnahmekraft, dass die Integrationskraft, auch eines so starken Landes wie Deutschland, Grenzen hat. Da sind wir übrigens nicht alleine. Das hat auch der Bundespräsident ja in seinen Ausführungen vor wenigen Monaten schon zum Ausdruck gebracht. Ausschlaggebend ist nur für uns in der CSU, dass wir das nicht mit Worten nur belegen wollen, sondern dass wir das durchaus auch mit einer Zahl verbinden, an der sich dann die politischen Maßnahmen ausrichten sollen. Maßnahmen beispielsweise in der Frage: Wie schützen wir die EU-Außengrenzen? Wie führen wir auch diejenigen zurück in die Herkunftsländer, die nicht schutzbedürftig sind? Da haben wir zum Beispiel noch einen erheblichen Nachholbedarf bei einer ganzen Reihe von rot-grün regierten Ländern.
    Pindur: Es ist aber auffallend, muss man schon sagen, dass in letzter Zeit führende Unionspolitiker – manchmal scherzhaft, manchmal nicht ganz so scherzhaft – gesagt haben, als Ultima Ratio müsse man auch eine Ausdehnung der CDU nach Bayern ins Gespräch bringen. Sehen Sie da nicht auch… Sie haben ja täglich auch mit den Kollegen der CDU zu tun. Sehen Sie da nicht auch eine große Wut auch und Empörung über die dauernden Querschüsse aus Bayern?
    "Ich schätze die Arbeit der Kirchen, der Vereine, der Asylhelferkreise"
    Hasselfeldt: Ich glaube nicht, dass eine Ausdehnung der CDU nach Bayern, und auch umgekehrt der CSU in das übrige Bundesgebiet, die Probleme, die wir im Land haben, besser lösen. Und ernsthaft will das nach meinen Kenntnissen und meinen Gesprächen auch niemand. Das wird immer wieder gelegentlich erwähnt. Das ist schon richtig. Aber ernsthaft will das niemand. Denn wir würden uns da auch immer nur mit uns selbst beschäftigen. Und das Ziel muss ja sein, dass wir die Aufgaben lösen, dass wir die Herausforderungen konkret angehen. Da haben wir schon eine ganze Menge auf den Weg gebracht, gerade auch in der Flüchtlingspolitik, und zwar gemeinsam CDU und CSU, auf den Weg gebracht. Bei manchen Dingen ist der Koalitionspartner SPD nicht mitgegangen, bei anderen, wie beispielsweise bei den sicheren Herkunftsstaaten. Für die Maghreb-Staaten hängt das Ganze noch im Bundesrat, weil die rot-grün regierten Länder dort die Zustimmung verweigern. Aber wir haben ja schon Erfolge erzielt. Die Zahlen sind zurückgegangen. Wir haben ein Integrationsgesetz verabschiedet. Die Integration mit Sprache, Gesellschaft, Arbeit ist zumindest auf einem guten Weg, wenn natürlich noch nicht vollständig gelöst. Kann auch derzeit nicht gelöst werden. Aber das alles sind gemeinsame Aufgaben und die sollten wir, denke ich, auch in der Zukunft in den Mittelpunkt stellen. Die Inhalte stehen im Mittelpunkt und nicht irgendwelche Befindlichkeiten.
    Pindur: Da wäre es dann vonnöten, dass sich CDU und CSU zusammensetzen, dass sich besonders die Kanzlerin und Herr Seehofer zusammensetzen, um zu einem – ich sage es jetzt mal – Formelkompromiss zu kommen, eine Einigung auf eine Deutung, wie Sie es eben ausgedrückt haben. Und solche Sprüche, wie sie der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ins Spiel gebracht hat, wo er Asylbewerber wörtlich als "das Schlimmste" bezeichnet hat, sind da, glaube ich, nicht hilfreich. Also Kirchen und Wohlfahrtsverbände haben dagegen protestiert. Und das sind Institutionen, die sich ja sehr um Integration verdient machen. Auch der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx hat sich dazu geäußert. Und der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz hat der CSU geraten, darüber jetzt mal das Gespräch mit den Kirchen zu suchen. Ist das nicht überfällig?
    Hasselfeldt: Nun, das Zitat von Generalsekretär Scheuer wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Er hat das auch mehrfach richtig gedeutet. Er hat auf ein Problem hingewiesen, das in der Realität durchaus vorkommt. Ich persönlich – und da spreche ich für alle CSU-Landesgruppenmitglieder – schätze die Arbeit der Kirchen, der Vereine, der Asylhelferkreise, all derer, die haupt- und ehrenamtlich sich um die Flüchtlinge kümmern, auch um die Integration der Flüchtlinge kümmern, sehr hoch ein. Und deshalb führen wir auch diese Gespräche vor Ort in den Wahlkreisen mit den Asylhelfern. Ich mache das auch persönlich in meinem Wahlkreis beispielsweise mehrfach. Und das machen die Kollegen auch. Und wir führen auch die Gespräche mit den Kirchen. Das ist auch notwendig, denn die Leistung, die dort vollbracht wird, ist eine hervorragende. Die darf man nicht unterschätzen.
    Pindur: Wenn ich dieses Zitat mal nehme – und ich glaube, der Zusammenhang war zwar klar, dennoch ist es eine Sprache, der sich in der Regel nur die AfD bedient. Wenn man so etwas macht, muss man sich dann nicht darüber im Klaren sein, dass man sozusagen das Geschäft der AfD befeuert?
    Hasselfeldt: Er hat ja deutlich gemacht, und zwar im Vorfeld dieses Satzes, der dann zitiert wurde, dass er zugespitzt jetzt formuliert. Und ein Generalsekretär einer Partei muss auch gelegentlich zugespitzt formulieren, um auf ein Problem in besonderer Weise dann auch aufmerksam zu machen. Und ich denke, damit soll es auch bewendet sein lassen. Das ist damit erledigt in meinen Augen.
    Pindur: Reden wir über das Erreichte. Sie haben es eben schon angesprochen. Das Integrationsgesetz – das ist ja nach dem Motto "fördern und fordern" gestrickt sozusagen. Das Gesetz ist erst seit Kurzem in Kraft. Man kann also noch nicht ganz absehen, wie das ausgehen wird, wie erfolgreich es sein wird. Was stellen Sie sich denn darüber hinaus noch vor? Was ist nötig an gesellschaftlicher Integration, was wir als Gesellschaft – nicht nur die Politik, aber auch die Gesellschaft – noch leisten müssen?
    Verheiratete Minderjährige: "Das entspricht nicht unserem Rechts- und Gesellschaftsverständnis"
    Hasselfeldt: Es ist in der Tat so, dass wir, was die Integration betrifft, verschiedene Ebenen haben. Das Eine ist die Sprache als Grundvoraussetzung. Das Zweite ist die Arbeitsmarktintegration, das heißt die Beschäftigungsmöglichkeit als Praktikant, in der Ausbildung, in der Qualifizierung, aber eben auch in einer Arbeitsmöglichkeit. Da haben wir beispielsweise gute Fortschritte in Bayern. In Bayern gibt es eine Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft, der Bundesagentur für Arbeit und der bayrischen Staatsregierung, die sich zum Ziel gesetzt hat, bis Ende des Jahres etwa 20.000 Flüchtlinge in Praktikumsplätze, in Ausbildungsplätze, in Beschäftigung zu integrieren. Die jetzigen Zahlen deuten darauf hin, dass Ende des Jahres das Doppelte voraussichtlich erreicht sein wird. Das ist enorm, ist eine Riesenleistung und macht deutlich: Wenn die Betroffenen zusammenarbeiten, entsprechend fördern, sich auch mit den Kapazitäten, die sie haben, gegenseitig unterstützen, dann ist das eine wichtige und gute Grundlage. Und das Dritte ist dann die Integration in die Gesellschaft. Da kommen dann zum Beispiel schon auch so Themen hoch: Wie halten wir es mit der Vollverschleierung? Wie halten wir es auch mit Kinderehen? Das heißt also, das ist eine ganz vielfältige Aufgabe, die teilweise gesetzlich geregelt werden kann, meines Erachtens bei den Kinderehen dringend gesetzlich geregelt werden muss. Wir haben an die 1.500 Minderjährige, die verheiratet sind. Das entspricht nicht unserem Rechts- und Gesellschaftsverständnis. Da kommt aber eben auch dann dazu: Wie erleben wir in den Kommunen die unterschiedlichen Kulturen? Das ist eine Aufgabe, die man nicht gesetzlich verordnen kann, sondern wo die Menschen zueinander kommen müssen. Und da möchte ich noch mal sagen, die Tätigkeit der ehrenamtlichen Helfer und der Vereine ist da von ganz entscheidender Bedeutung.
    Pindur: Integration durch Fußball ist sehr erfolgreich. Wir sehen das an unserer Nationalmannschaft in der Tat. Sie haben das Problem Kinderehen jetzt angesprochen. Also ein Integrationshindernis, etwas, was vielen Menschen Angst macht und was sehr, sehr, sehr fremd ist und befremdlich auch. Ist da schon irgendetwas gesetzlich auf dem Weg, wie man damit umgeht?
    Hasselfeldt: Wir haben im Fraktionsvorstand der CDU/CSU-Fraktion vor einigen Wochen dazu eine klare Stellungnahme abgegeben und haben deutlich gemacht, dass hier gesetzlicher Änderungsbedarf besteht. Das wurde auch dem Bundesjustizminister, der dafür zuständig ist, gleich mitgeteilt. Er hat jetzt eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern dazu eingerichtet. Unabhängig davon aber arbeiten auch die beiden Koalitionsfraktionen, die Rechtspolitiker der beiden Koalitionsfraktionen, an einem Gesetzentwurf. Denn dieses Thema darf nicht auf die lange Bank geschoben. Kinder gehören unseres Erachtens eben nicht in eine Ehe, sondern Kinder gehören in die Schule.
    Pindur: Die Zahl der abschiebepflichtigen, aber geduldeten Asylbewerber in Deutschland beträgt fast 200.000. Und der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, hat gesagt, wenn wir sie schon nicht in ihre Heimatländer zurückführen können, dann müssen wir ihnen wenigstens hier eine Perspektive geben. Er sagt, es gibt viele Geduldete, die sind schon seit sechs oder zehn Jahren in Deutschland und ohne eben arbeiten zu dürfen, ohne eine Ausbildung machen zu dürfen. Und er sagt jetzt, machen wir doch eine Stichtagsregelung. Wer vor einem bestimmten Stichtag hier gewesen ist, der soll auch bleiben dürfen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
    "Dieser Gefahr sollten wir uns nicht aussetzen"
    Hasselfeldt: Der ist sicher gut gemeint. Allerdings bringt das die Gefahr mit sich, dass man nur lange genug warten muss und vielleicht auch die Verfahren lange genug hinausziehen muss, mit Klagen und Ähnlichem, um dann auch eine langfristige oder dauerhafte Duldung zu bekommen. Und ich denke, dieser Gefahr sollten wir uns nicht aussetzen. Das muss uns bewusst sein. Im Übrigen, was die Zahl der Duldungen anbelangt, will ich schon noch einmal darauf hinweisen, dass dies auch Sache der Länder ist. Es ist schon auffällig, dass zum Beispiel die Zahl der Geduldeten, nicht anerkannten Flüchtlinge in manchen Ländern, beispielsweise in Bremen oder auch in Nordrhein-Westfalen wesentlich höher ist als zum Beispiel derjenigen in Bayern. Nicht nur um einige Tausend, sondern um ein Mehrfaches. Das macht deutlich, dass hier die Länder schon auch einen Teil dazu beitragen könnten, die wirklich Schutzbedürftigen von denen, die nicht schutzbedürftig sind und dann in ihre Heimatländer wieder zurückgeführt werden, dass die Länder dabei eine wichtige Verantwortung haben.
    Pindur: Die gesetzlichen Möglichkeiten gibt es? Oder sind Sie für eine weitere Änderung der Asylgesetzgebung, um auch die Verfahren zu beschleunigen?
    Hasselfeldt: Nun, wir haben in den vergangenen Jahren, jetzt insbesondere in diesem Jahr, eine ganze Reihe von Entscheidungen getroffen, um die Verfahren zu beschleunigen, um auch die Rückführungen zu erleichtern. Beispielsweise keine Anmeldung mehr von Abschiebungen. Aber das muss auch angewandt werden. Und in manchen Ländern, in manchen Bundesländern wird das nicht so angewandt, wie es der Geist des Gesetzes hergibt.
    Pindur: Kommen wir noch zu einem anderen Thema, das die Koalition beschäftigt hat in letzter Zeit – die Erbschaftssteuer für Familienunternehmen. Die Verfassungsrichter, deren Auflagen Sie ja umsetzen mussten, haben gesagt, Unternehmenserben würden im Vergleich zu Privatpersonen bei der Erbschaftssteuer zu stark bevorzugt. Sie können unter bestimmten Bedingungen die Steuer strecken, gestundet bekommen oder ganz erlassen bekommen. Das ist ja jetzt im Prinzip aber so geblieben. Wie sicher sind Sie, dass dieser Kompromiss, den man da jetzt gefunden hat, auch jetzt Bestand haben wird vor dem Verfassungsgericht?
    Zur Erbschaftssteuer: "Wir haben ziemlich enge Vorgaben gehabt"
    Hasselfeldt: Nach meinem Rechtsverständnis hat dies, was jetzt beschlossen wurde in dieser Woche im Deutschen Bundestag und bei der nächsten Bundesratssitzung voraussichtlich bestätigt wird, Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht. Wir haben ziemlich enge Vorgaben gehabt. Das ist richtig. Und diese Vorgaben wurden auch eingehalten. Das heißt, die Verschonungsregelung bisheriger Art, insbesondere für große Unternehmen, wurde modifiziert. Wir haben vonseiten der CSU dazu auch ein zusätzliches Optionsmodell mit eingebracht. Und für kleine Unternehmen wurde die bisherige Grenze von 20 Arbeitnehmern auf fünf Arbeitnehmer reduziert. Das ist die Grenze, bis zu der eine Lohnsummenprüfung der kleinen Unternehmen nicht notwendig ist in Bezug auf die Verschonung. Das heißt, die Vorgaben des Verfassungsgerichts sind meines Erachtens erfüllt. Es war ein nicht einfacher Kompromiss, denn Sozialdemokraten und Grüne hatten immer wieder den Versuch unternommen, diese Novelle der Erbschaftssteuer zu nutzen, um Steuererhöhungen durchzusetzen. Dem sind wir entgegengetreten und das ist auch nicht geschehen, außer den Dingen, die vom Verfassungsgericht zwingend vorgegeben wurden. Wir haben damit jetzt Rechtssicherheit. Das ist ganz wichtig. Und wir haben mit dieser Regelung auch dazu beigetragen, dass unsere gesunde Struktur in unserer Wirtschaft, nämlich die Familienunternehmen – die großen, genauso wie die kleinen – auch bei einem Übergang im Erb- oder Schenkungsfall die Arbeitsplätze erhalten können und auch weiter existieren können. Das war für uns ganz wichtig. Denn Familienunternehmen sind für die Struktur unserer Wirtschaft und damit unserer wirtschaftlichen Entwicklung von ganz entscheidender Bedeutung.
    Pindur: Für die Familienunternehmen, gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen ist natürlich aber auch eine staatliche Infrastruktur von großer Bedeutung, die funktioniert. Das reicht von dem Straßen- bis zum Bildungssystem. Und man kommt nicht umhin, es einfach festzuhalten: Es ist Einkommen, das der jeweilige Erbe hat. Einkommen wird normalerweise immer versteuert. Und es ist leistungsloses Einkommen. Kann man da nicht erwarten, dass es eine höhere Beteiligung eben auch der Mittelständler an der staatlichen Infrastruktur geben kann?
    Hasselfeldt: Es ist ja nicht so, dass sich die Mittelständler und unsere Unternehmen nicht beteiligen würden an den staatlichen Aufgaben, beispielsweise Infrastruktur. Sie bezahlen Einkommensteuer, sie bezahlen Körperschaftssteuer. All das, was erwirtschaftet wird, wurde ja schon im laufenden Geschäftsbetrieb besteuert und je nach Höhe auch nicht gering besteuert. Und deshalb kann man nicht sagen, das ist leistungslos. Sondern die Leistung und das Ergebnis der Leistung wurde ja im Vorfeld schon besteuert. Und es ist auch nicht so, dass im Erbfall generell keine Erbschaftssteuer anfällt. Aber sie wird eben in Abhängigkeit der Arbeitsplatzerhaltung modifiziert. Und diese sogenannte Verschonung im Erbfall, wenn Arbeitsplätze erhalten werden, wurde auch im Grundsatz vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet.
    Pindur: Kommen wir noch einmal zu einem anderen Thema, das Sie als ehemalige Bundesbauministerin natürlich interessiert. Es klingt zunächst ein wenig trocken. Das ist die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Betrifft aber viele Menschen, die sich ein eigenes Dach über dem Kopf anschaffen wollen, was ja nicht nur Wohnraum schafft, sondern auch eine gute Altersvorsorge ist. Jetzt sagt aber der Genossenschaftsverband Bayern, diese Richtlinie habe, so wörtlich "desaströse Folgen", weil sie dazu führe, dass viele Menschen keine Kredite mehr bekämen. Gleichzeitig wird Mietwohnraum teurer, weil zu wenig gebaut wird. Wie kommen wir denn aus diesem Dilemma raus?
    Immobilienkredite: "Das Ganze hat nichts mit der Stabilität der Banken zu tun"
    Hasselfeldt: Der Hintergrund ist, dass diese Richtlinie von Europa in nationales Recht umgesetzt wurde. Der Vorschlag kam aus dem Justizministerium. Und die Praxis bei der Anwendung dieses Gesetzes zeigt nun, dass in der Tat die Vergabe von Krediten für Wohnungen beispielsweise an so strenge Kriterien geknüpft ist, dass zum Beispiel junge Familien oder auch ältere Menschen, die durchaus Vermögen haben, aber nicht großes regelmäßiges Einkommen haben, bei der Kreditvergabe Schwierigkeiten haben. Die Klagen der Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisen sind meines Erachtens schon begründet. Und deshalb setzen wir uns auch dafür ein, entweder rechtliche Änderungen zu machen oder untergesetzliche Änderungen, damit diese zu restriktive Kreditvergabe geändert wird. Es wird derzeit unter den Rechtspolitikern geklärt, ob eine Gesetzesänderung oder auch eine untergesetzliche Regelung notwendig ist. Ich plädiere eher für eine wirkliche Klarstellung im Gesetz. Denn das, was derzeit praktiziert wird, geht an den erstens Bedürfnissen der Betroffenen, zweitens aber auch an der gesellschaftlichen Notwendigkeit – wir brauchen mehr Wohnungen – und drittens aber auch an der Sache vorbei. Denn das Ganze hat nichts mit der Stabilität der Banken zu tun.
    Pindur: Wenn ich darauf noch mal zurückkommen darf. Wie kann man sich das konkret vorstellen? Also werden da zu geringe Einkommen … oder zu hohe Einkommensgrenzen festgelegt, dass also Menschen nur ab einem bestimmten Einkommensniveau einen Kredit bekommen können? Oder wie hat man sich das vorzustellen? Wo hakt es da genau?
    Hasselfeldt: Es hakt daran, dass bei einer sehr strengen Anwendung des Gesetzes die Kreditvergabe fast ausschließlich von dem regelmäßigen Einkommen der Betroffenen abhängt. Und das kann beispielsweise bei älteren Menschen eben so sein, dass sehr wohl Vermögen da ist, vielleicht auch, dass das Haus, das umgebaut werden muss, belastet werden könnte, aber dass die Rente nicht so hoch ist, dass in kurzer Zeit die Raten bezahlt werden können. Und da kann man ja auch mit einkalkulieren, das Haus ist ja etwas wert und selbst im Erbfall kann es auch mit einer Belastung vererbt werden. Um diese Fälle zum Beispiel geht es. Und da brauchen wir eine Klarstellung, eventuell eben auch eine Gesetzesänderung.
    Pindur: Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich dafür ausgesprochen, dass Frau Merkel möglichst bald ihre Kandidatur für nächstes Jahr als Bundeskanzlerin erklärt. Können Sie sich dem anschließen, dass das möglichst bald geschehen sollte?
    Hasselfeldt: Ich gehe davon aus bzw. ich bin mir sicher, dass die Bundeskanzlerin zur richtigen Zeit sagt, was sie zu tun gedenkt. Und da bin ich ganz zuversichtlich, habe ich überhaupt keine Zweifel daran, dass sie das zur richtigen Zeit macht.
    Pindur: Sie wollen sie aber nicht dazu drängen?
    "Entscheidend ist die Persönlichkeit"
    Hasselfeldt: Ich denke, ich brauche sie nicht dazu drängen, denn sie weiß, wann der richtige Zeitpunkt ist, ihre Entscheidung zu treffen und dann auch kundzutun.
    Pindur: Zum Schluss noch eine Frage, die Sie betrifft. Viele sagen, dass die Zeit endlich reif wäre für eine Bundespräsidentin. Und viele handeln Sie auch als eine mögliche Kandidatin. Stünden Sie da zur Verfügung?
    Hasselfeldt: Ich bitte um Verständnis, dass ich auf solche konjunktive Fragen nicht antworte. Die Frage stellt sich für mich nicht und das sind reine Spekulationen, an denen ich mich nicht beteiligen möchte.
    Pindur: Das verstehe ich. Aber wären Sie denn auch für eine Präsidentin dieses Mal?
    Hasselfeldt: Ich habe bei allen Funktionen immer gesagt, ob Frau oder Mann, das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist die Persönlichkeit, die Talente und Fähigkeiten, die für die jeweiligen Positionen erforderlich sind. Und das hat nichts mit Geschlecht zu tun.
    Pindur: Wenn ich in Rechnung stelle, dass Frauen – ein bisschen bösartig gesagt – immer dann aufgestellt wurden als Kandidatinnen, wenn sie keine Chance hatten, gewählt zu werden, muss man einfach mal sagen, ist die Zeit nicht reif dafür?
    Hasselfeldt: Ist das wirklich so, dass Frauen immer dann aufgestellt werden, wenn es schwierig ist? Ich weiß es nicht, ob man das so pauschal sagen kann.
    Pindur: Okay, vielen Dank für das Gespräch.
    Hasselfeldt: Gerne.