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Flüchtlinge in Griechenland
Sport für die Würde

In Athen und Piräus leben fast zehntausend Flüchtlinge. Ihnen helfen zahlreiche Freiwillige - und zwar nicht mehr nur mit Nahrung und Kleidung, sondern auch mit Sport. Und der verändert nicht nur den Alltag der Flüchtlinge.

Von Victoria Reith |
    Gruppenbild: Die griechische Marathonrekordhalterin Maria Polyzou mit Flüchtlingen.
    Die griechische Marathonrekordhalterin Maria Polyzou (vierte von links) mit ihrem Team. (Deutschlandradio/Victoria Reith)
    Der Hafen von Piräus, wenige Kilometer südwestlich der griechischen Hauptstadt Athen. In einem inoffiziellen Lager leben hier derzeit rund 1.500 Flüchtlinge in Iglu-Zelten, die auf dem Asphalt stehen. Es waren einmal mehr, einige sind in offizielle Lager umgezogen, einzelne sollen wieder in ihre Heimat, nach Syrien oder Afghanistan zurückgegangen sein- das Warten darauf, dass die Grenze sich wieder öffnet, zermürbt, die Hoffnung schwindet.
    Zelte stehen auf dem Pier im Athener Hafen.
    Flüchtlinge campieren im Athener Hafen. (Deutschlandradio/Victoria Reith)
    "Die Leute haben hier nichts zu tun"
    Unter einem Vordach sitzen vier junge Afghanen: Suleiman, Ali Reza, Fayaz und der Blockflötenspieler Smiley. Am Hafen von Piräus gibt es nicht viel, was sie tun können. Freiwillige haben Englischunterricht organisiert, und die Flöte, die einer Helferin gehört, hat auch ein paar Minuten Abwechslung beschert. Der 21-Jährige spielt aber nicht nur Flöte, er ist auch ein guter Boxer, erzählen die jungen Männer:
    "Ja Sport! Er boxt!"
    "Du spielst nicht nur Flöte, du boxt auch?"
    "Yeah, yeah!"
    Ein Boxclub hier - eine Supersache, da sind die vier sich einig.
    Vier junge Afghanen stehen umarmt nebeneinander und posieren für die Kamera.
    Suleiman, Ali Reza, Fayaz und Smiley kommen aus Afghanistan. (Deutschlandradio/Victoria Reith)
    Ein paar Meter weiter spielen Kinder Ball, anfangs nur ein paar Jungen und Mädchen, dann immer mehr, bis 30 Kinder dem einen Volleyball hinterherrennen.
    "Die Leute hier, vor allem die jungen Männer haben nichts zu tun. Sie sind sehr gelangweilt, haben viel Energie. Dann steigen Spannungen, es kommt zu Auseinandersetzungen. Sie haben nach Sport gefragt, weil sie einfach Dampf ablassen wollen. Ich habe bei den Duschen gearbeitet und die Jungs dort beschweren sich, dass sie außer Form geraten. Wenn du ihnen etwas zu tun gibst, einen Ort zum trainieren bietest, ist das sehr ermutigend, weil du so an dir arbeitest. Und dieses sich selbst Verbessern ist gut für die Würde."
    Judo- und Boxtraining
    Arne Gorter aus den Niederlanden ist freiwilliger Helfer im Flüchtlingslager in Piräus. Der 26-Jährige hat Spenden gesammelt und davon Turnmatten gekauft. Diese Woche hat er erstmals eine Runde zum Boxen versammelt - jetzt will er herausfinden, was die Flüchtlinge noch brauchen, zum Beispiel Gewichte oder Hanteln - und anschließend mit weiteren Spenden ein kleines Fitnessstudio aufbauen.
    "Es soll eine offene Einrichtung werden. Ich selbst könnte Judotraining anbieten, weil ich mal Unterricht hatte. Aber ich möchte die Menschen auch ermutigen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Es gibt Leute, die viel geboxt haben, die könnten einen Boxworkshop anbieten. Andere können Yoga - die Matten sind perfekt dafür. Ich will nicht alles für sie organisieren, das sollen sie selbst übernehmen."
    Bild von Arne Gorters Trainingsgruppe bei Facebook.
    Auch Piräus' prominentester Sportclub Olympiakos hat vor einigen Wochen im Camp geholfen - Essen und Kleidung an die Flüchtlinge verteilt, einige Profis haben Fußball mit den Kindern gespielt. Wie das Lager Idomeni soll Piräus demnächst aufgelöst werden, und die Flüchtlinge sollen in offizielle Unterkünfte wie Eleonas im Zentrum von Athen umziehen. Dann will Arne Gorter mit seiner Sportausrüstung mitkommen.
    Marathonläuferin sammelt Schuhe
    Rund 25 Kilometer nordöstlich trainieren im Athener Olympiastadion von 2004 60 Mitglieder des Marathon Team Greece. Eine Mannschaft der griechischen Marathonrekordhalterin Maria Polyzou. Ihr Team ist eine Mischung aus Laufgruppe und Wohltätigkeitsorganisation. Schon zu Hoch-Zeiten der Finanzkrise ist das Team für Griechen in Not gerannt und hat Mahlzeiten gespendet. Viele Sponsoren hat das Team angesichts der Krise nicht, die Hilfe funktioniert eher über Mund-zu-Mund-Propaganda. Jetzt sammeln die Sportler Laufschuhe für Flüchtlinge - rund 1.000 Paar hat das Team zusammen bekommen. Maria Polyzou:
    "Das Projekt, Schuhe zu spenden, passt zu uns als Läufer. Wir sind damit viele Kilometer gerannt. Und wir geben sie jemandem, der sie dringender braucht als wir."
    Die griechische Marathonrekordhalterin Maria Polyzou steht in einem Stadion.
    Die griechische Marathonrekordhalterin Maria Polyzou. (Deutschlandradio/Victoria Reith)
    Die Flüchtlinge sollen in erster Linie Schuhe für den normalen Alltag bekommen, aber auch eine Teilhabe am Sport soll so möglich werden. Maria Stavara ist Teil von Maria Polyzous Team, das hier gerade seine Stadionrunden gedreht hat. Stavara war auch dabei, als das Team ein Athener Flüchtlingslager besucht und dort Essen verteilt hat. Aber ihrer Ansicht nach brauchen die Flüchtlinge mehr als die reine Grundversorgung.
    "Sport ist Leben. Er gibt dir Hoffnung. Menschen kommen zusammen zu einem guten Zweck: Leben, Gesundheit, Frieden. Diese Dinge fehlen heute leider. Und wenn du Sport machst, bist du optimistisch und dein Geist wird klar. Wenn wir uns alle mehr darauf konzentrieren würden, würden uns vielleicht ein paar gute Ideen kommen, um die Probleme zu lösen."
    Sie würde sich wünschen, dass demnächst auch Flüchtlinge im Team mitlaufen. Heute übergibt das Marathon-Team Greece die Laufschuhe im Flüchtlingslager Eleonas. Durch dieses Lager hat vor einem Monat Ibrahim al-Hussein die Olympische Fackel getragen, ein syrischer Schwimmer, der bei einem Bombardement einen Teil seines Beins verloren hat.
    Die Flüchtlinge gehören inzwischen zu Griechenland
    Die Fackel an al-Hussein übergeben hat Spyros Capralos, der Präsident des Hellenischen Olympischen Komitees. Er sagte dem Deutschlandfunk:
    "Das war ein Zeichen von Solidarität denjenigen gegenüber, die ihre Heimat wegen des Kriegs verlassen mussten und die woanders eine bessere Zukunft suchen. Wir trainieren auch einen Flüchtling in der griechischen Nationalmannschaft, der gut im Schießen ist. Wir hoffen, er schafft die Qualifikation für Rio. Wir finden wichtig, dass diese Leute Rechte haben - auch im Sport."
    Die Flüchtlinge gehören inzwischen zu Griechenland. Für diejenigen, die wegen des Kriegs ihre Heimat verlassen mussten, kann der Sport ein Ventil sein, vielleicht auch eine Möglichkeit zur Integration, zur Wahrung oder Wiederherstellung ihrer Würde. Auch wenn er keine Antwort auf die Frage gibt, wie es mit ihnen weitergehen wird.