Doris Simon: Passau sei ein Praxislabor für Flüchtlingspolitik. So hat es diese Woche "Die Zeit" beschrieben. 700 Flüchtlinge erreichen die Stadt in Niederbayern jeden Tag, darunter auch viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. 700 am Tag, viele davon nach einer langen anstrengenden Flucht zu Fuß, angeschlagen und hilfsbedürftig. Das ist auch eine große Herausforderung bei der Aufnahme. Jürgen Dupper (SPD), Oberbürgermeister von Passau, habe ich kurz vor dieser Sendung gefragt, wie denn die Stadt und die Passauer damit zurechtkommen.
Jürgen Dupper: Zunächst einmal gilt es, diesen Menschen, egal ob jung oder alt, eine nach allen Regeln der humanitären Kunst Behandlung angedeihen zu lassen. Sie brauchen eine vernünftige Erstversorgung mit essen, trinken, mit Ruhe natürlich und dann auch die ersten medizinischen Checks. Wir kommen damit ganz gut zurecht, weil wir schon aufgrund der seit gut einem Jahr andauernden Welle an beispielsweise minderjährigen Flüchtlingen sehr viel Erfahrung sammeln konnten.
Simon: Es gibt ja jetzt Überlegungen - wir haben das vorhin gehört in dem Beitrag -, die Regeln für die Erstaufnahme zu ändern, dass Flüchtlinge nicht mehr spätestens nach drei Monaten auf die Kommunen verteilt werden sollen, sondern diese Frist verlängert wird auf ein halbes Jahr. Und der Bundesinnenminister überlegt ja wohl, Sachleistungen auch auf ein halbes Jahr zu verlängern statt Geldleistungen. Was halten Sie in Passau davon?
Dupper: Wissen Sie, ich denke, dass wir in diesem Land uns einmal Klarheit verschaffen sollten darüber, was wir denn wollen an dieser Stelle. Und da darf man doch die Augen nicht davor verschließen, dass die globalen Flucht- und Migrationsbewegungen irgendwie auch uns in Deutschland berühren werden. Wir erleben das ja tagtäglich und wir sollten uns lieber mit der Frage beschäftigen, was wir denn mit den Menschen, die zu uns hier herkommen, zu tun gedenken. Wir wollen sie möglichst schnell integrieren und wir sind hier nicht auf dem Trip zu sagen, wir unterscheiden in gute und schlechte Flüchtlinge, in die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge und die tatsächlich Asylsuchenden. Ich denke, das ist kein hilfreicher Ansatz. Wir sollten uns sehr schnell darüber im Klaren bleiben, dass viele von diesen Menschen auch bleiben werden in Deutschland, und deswegen sollten wir frühzeitig mit der Integration beginnen.
Auch Menschen vom Westbalkan Möglichkeiten bieten
Simon: Herr Dupper, Sie sprechen von der Integration und von guten und schlechten Flüchtlingen, in die Sie nicht einteilen wollen. Lehnen Sie damit auch die Schnellabschiebezentren ab?
Dupper: Ich kann das jetzt nicht beurteilen, ob das ein sinnvolles Vorgehen ist. Es geht ja da in erster Linie um die Menschen vom Westbalkan. Ich denke, auch diesen Menschen sollte man Möglichkeiten eröffnen, wenn sie denn hier in Deutschland ihr bescheidenes Glück suchen wollen, dies auch zu finden. Da sind ja Vorschläge auf dem Tisch, dass man jenseits des Asylrechts hier Zuwanderung ermöglichen soll. Ja warum denn nicht.
Simon: Sie sagen, Integration ist für Sie in Passau das Wichtigste. Fühlen Sie sich von Bund und Land angemessen unterstützt dabei?
Dupper: Ja. So schlecht würde ich jetzt Bund und Land nicht darstellen wollen, denn in der Tat: es geschieht sehr, sehr viel. Nicht zuletzt die Bundespolizei setzt hier wirklich Maßstäbe in ganz, ganz ordentlicher Polizeiarbeit, ebenso auch die Landespolizei. Wir sind auch mit allen anderen staatlichen Behörden hier in einem guten Dialog, in einer guten Zusammenarbeit. Nur die grundsätzliche Richtung geht mir an dieser Stelle noch ein bisschen ab. Wissen Sie, so was wie Sprachkurse müssen wir immer selber organisieren, im Übrigen auch selber bezahlen, und da sollte doch ein Rad in das nächste greifen. Integration findet statt über die Bildung, findet statt über den Arbeitsmarkt und da sollte man jetzt die ersten Schritte sehr tatkräftig beginnen.
Simon: Herr Dupper, wir werden später in diesem Programm noch mal berichten über eine neue Studie zu den kommunalen Finanzen in Deutschland, die sehr unterschiedlich verteilt sind. Da gibt es nämlich Gegenden, wo es ganz gut aussieht. Das ist auch bei Ihnen in der Region bei vielen Kommunen so. Und es gibt Gegenden, wo die Städte und Kommunen tiefrot in den Zahlen sind. Haben Sie Verständnis dafür als Oberbürgermeister von Passau, dass Bürgermeister in anderen Gegenden, wo es keinerlei Arbeitsplätze gibt und wo es schon viele Probleme sowieso gibt, auch bei Unterbringung von Menschen, dass die sagen, der tut sich leicht, in Passau zu reden von Unterbringung und Integrieren, wir wissen überhaupt nicht, wie wir das ansatzweise bewältigen sollen?
"Wir sind jetzt auch nicht die guten Passauer"
Dupper: Selbstverständlich habe ich dafür Verständnis, zumal auch die Stadt Passau nicht so auf Rosen gebettet ist, wie sich das vielleicht darstellt. Wir haben aus der Situation heraus ganz pragmatisch reagiert mit unseren Aktivitäten und wir sind jetzt auch nicht die guten Passauer, die allen anderen dann den Spiegel vorhalten. So möchte ich auch unser Tun nicht verstanden wissen. Aber gleichwohl hat das natürlich was mit Finanzen zu tun und da würde ich mir schon noch mehr Engagement von Bund und Land auch erwarten. Denn in der Tat: Es können nicht die Kommunen sein, die zum Schluss dann die Rechnung bezahlen für diese großen Integrationsbemühungen.
Simon: Das war Jürgen Dupper (SPD), der Oberbürgermeister von Passau. Herr Dupper, vielen Dank für das Gespräch.
Dupper: Einen schönen Tag noch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.