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Flüchtlinge in Regensburg
Ende der Geduld

In Regensburg besetzten Asylsuchende vom Balkan, denen die Abschiebung droht, zunächst den Dom, dann wurden sie in ein Pfarrheim umquartiert. Das sei kein Kirchenasyl, sondern eine "geduldete Präsenz", sagt das Bistum Regensburg. Nun sollen die Menschen das Haus verlassen.

Von Tobias Krone |
    Betten stehen in einem großen Raum eines Pfarrheims in Regensburg.
    Ein Pfarrheim bietet den Flüchtlingen aus dem Regensburger Dom Unterschlupf. (dpa / picture alliance / Armin Weigel)
    Eine Frau steht in einer Gruppe von aufgebrachten Besetzern vor dem Pfarrheim St. Emmeram. Das Gebäude und ein Vorhof werden von einer Mauer abgeschirmt – und einer Holztür. Genauer gesagt, sie wurden. Die Tür haben kurz zuvor Sicherheitsleute entfernt. Laut Bistum hatten die Geflüchteten sie verschlossen und nicht mehr geöffnet. Es sei eine Sicherheitsmaßnahme gewesen.
    "Unsere Kinder sind vier Monate bis 14 Jahre. Die denken, wir sind Terroristen, aber wir sind Asylanten, wir arme Leute, wir suchen Schutz, wir suchen Hilfe…", sagt der Albaner Bardoku Barthok. Ratlos steht er vor der Mauer, er und die Besetzer haben sie mit Transparenten behängt: "Bleiberecht für Alle" steht darauf, und "Stop Deportation". Ein Anwohner gegenüber steckt seinen Kopf zur Tür heraus. Er hat Mitleid mit den neuen Nachbarn: "Ich bin etwas überrascht, dass es so kommt. Weil, wenn das jetzt nur in der Verantwortung der Kirche liegt – und wenn man auf die Website des Bistums guckt, dann könnte man das ja so meinen – dann wundert mich doch, dass die Leitung des größten Bistums in Bayern keine Antworten hat, wenn sich solche Herausforderungen stellen. Das finde ich etwas überraschend."
    50 Geflüchtete besetzten den Regensburger Dom
    Die Herausforderung – sie beginnt vor genau einem Monat. 50 Geflüchtete aus dem Kosovo, Albanien und Mazedonien, darunter auch Roma, besetzen den Regensburger Dom. Die meisten von ihnen leben in den bayerischen Abschiebelagern für Geflüchtete vom Balkan – in Manching und Bamberg. Drei von ihnen steht die Abschiebung unmittelbar bevor. Mit der Aktion wollen sie für ein Bleiberecht für alle demonstrieren. Und gegen die Einstufung von Ländern wie Albanien, Mazedonien und Kosovo als sicheres Herkunftsland. Die Kirche lässt sie gewähren und stellt ihnen nach knapp einer Woche das Pfarrheim der katholische Arbeiterbewegung St. Emmeram zur Verfügung. Eines aber stellt der Pressesprecher des Bistums Jakob Schötz klar: "Wir haben von Anfang an gesagt: Es ist kein Kirchenasyl, das wir hier gewähren, dafür sind die Kriterien nicht gegeben, sondern wir haben gesagt: Es handelt sich hier um eine geduldete Präsenz, die aber auch wieder aufgehoben wurde."
    Am vergangenen Freitag forderte der Generalvikar Michael Fuchs die Besetzer auf, die Räume zu verlassen. Auch wenn er bisher keine Frist nannte. Das Bistum wolle den jungen Familien Zeit geben, die Phase danach zu planen. Doch die denken gar nicht daran, das Pfarrheim zu verlassen.
    "Eins zwei drei vier, alle bleiben hier", rufen sie. Die Besetzer wollen auch ein politisches Statement des Bistums gegen die Abschiebepolitik der Bundesregierung. Anders als deren Einschätzung beteuern sie, ihre Heimatländer geben ihnen keine Sicherheit. Bardoku Barthok erklärt: "Die Politik sagt, dass Albanien ein demokratisches Land ist, das stimmt überhaupt nicht. Dass Albanien ein Rechtsstaat ist, eine Polizei hat, das stimmt auch nicht. Das sind auch Kriminelle. Die leben mit der Mafia. Die verkaufen Menschen, die verkaufen Drogen. So ist das Leben in Albanien."
    Wunsch nach politischer Entscheidung
    Die Erwartungen der Besetzer an das Bistum waren hoch, doch gerade aus den Fragen der Flüchtlingspolitik möchte man sich in Regensburg heraushalten. Jakob Schötz: "Die Flüchtlinge wollen mit ihrem Anliegen eine politische Entscheidung herbeiführen. Das können wir nicht, wir sind Kirche, und sind aber nicht für politische Entscheidungen zuständig. Wir haben da weder Mandat noch die Kompetenzen. Das heißt für uns, wir haben uns in den vergangenen Wochen vorrangig um die humanitäre Hilfe gekümmert. Das heißt eben vor allem Essen, Unterkunft, die notwendigen Dinge, die die Leute eben brauchen. Es sind viele Kinder dabei, also Windeln, Waschzeug, Handtücher. Wir haben mobile Duschen aufgestellt im Pfarrheim, damit die Leute sich auch anständig waschen können, haben einen Einkaufsdienst organisiert – das sind so die Dinge, wo wir sagen, okay, da können wir was für die Leute tun, allerdings nur für eine begrenzte Zeit…"
    Im Innern des Pfarrheims riecht es nach Fritiertem. In einer winzigen Küche kocht eine Besetzerin das Abendessen für alle. Im Hauptraum sitzen einige Erwachsene neben Pritschen, rauchen und reden. Kinder spielen im Flur miteinander. Bardoku Barthoks Tochter Mathilda, zehn Jahre alt, führt durch die Räume.
    Mathilda Barthok sagt: "Das sind – vier Familien, glaub ich, eine hier, eine hier, und die beiden. Die schlafen so, die sind auch so ängstlich, die haben ihr Gepäck gepackt, weil sie hatten Angst, dass die Polizei uns nimmt heute…"
    Manche haben die gepackten Koffer neben ihre Pritschen gestellt. Abreisefertig. Jede Minute, glauben sie, könnte die Polizei ihre Besetzung räumen.
    Mathilda Barthok: "Jetzt haben wir Angst, dass die Polizei hier ist, und wir können auch nicht die Fenster aufmachen. Wir sind so ängstlich hier."
    Einzelne Flüchtlinge drohen mit Selbstmord
    Alle Beteiligen beginnen nun nervös zu werden. Auch das Bistum Regensburg. Die Geflüchteten hätten vereinzelt gedroht, sich umzubringen. Und auch schon einen dreitägigen Hungerstreik haben die Erwachsenen unter ihnen hinter sich.

    "Als die Gruppe gemerkt hat, es bewegt sich nichts, und sie können ihre Forderung nicht durchsetzen, wurde mit Hungerstreik gedroht. Der wurde dann auch tatsächlich umgesetzt. Daraufhin mussten wir die ärztliche Versorgung dann noch verstärken, also dann kam tatsächlich zweimal am Tag ein Arzt rein. Wir merken einfach, da stoßen wir selbst an unsere Grenzen, und es geht so nicht weiter", sagt Bistumssprecher Schötz.
    Knapp die Hälfte der einst 50 Besetzer ist inzwischen in ihre Asyleinrichtungen zurückgekehrt. Einerseits aus Angst vor der Polizei, andererseits auch, weil unklar ist, wer für sie öffentlich sprechen soll. Am Wochenende entzogen die Geflüchteten den Sprechern der politischen Organisation Romano Jekipe, die sich für die Rechte von Roma in Deutschland einsetzt, das Vertrauen. Sie vermissten konkrete Fortschritte bei den Verhandlungen. Nun wollen die restlichen 26 Besetzer, Roma und Albaner, allein für sich sprechen. Sie erwarten, dass die Kirche weiter mit ihnen redet. Doch Bardoku Barthok beklagt fehlende Kommunikation: "Zur Zeit handelt die überhaupt nicht, der Priester hier kommt nicht, interessiert sich nicht mehr für uns. Die haben uns einfach im Stich gelassen, zuerst haben sie uns Möglichkeiten gegeben. Sie haben gesagt, dass sie sorgen mit Krankenhaus, mit Essen, mit Lebensmitteln und alles. Und aber seit einer Woche ist es eine echte Katastrophe, hier sieht uns keiner."
    Und so verschanzen sich die Menschen im Pfarrheim St. Emmeram zunehmend in den Räumen. Das heißt, sie probieren es. Bardoku Barthok hält eine eingeklappte Bierbank an das Loch in der Mauer, wo vorher die Tür war. Sie passt.
    "Eine neue Tür jetzt?" Bardoku Barthok: (lacht) "Ja, haben wir eine neue Tür. Zusperren, wir gehen durchs Fenster raus…"
    Der Anwohner gegenüber blickt kopfschüttelnd über die Straße. Er lobt die Gemeinde vor Ort, er lobt die Studierendengemeinde, die im Hof der Pfarrei einen Sandkasten für die Kinder anlegte. Doch er versteht nicht, warum sich der Bischof an der Spitze des Bistums nicht mehr für die Geflüchteten einsetzt. Der Anwohner sagt: "Ich hab auf jeden Fall verfolgt, was der Papst letzte Woche auf dem Weltjugendtag in Krakau gesagt hat. Und das was der Papst gesagt hat und, das was man hier sieht, das passt nicht ganz zusammen, um das mal höflich auszudrücken."