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Flüchtlinge in Sachsen
Kritik an Polizei nach fremdenfeindlicher Randale

So sieht Willkommenskultur nicht aus: Flüchtlinge wurden am Donnerstagabend bei ihrer Ankunft in einer Unterkunft in Clausnitz, etwa 60 Kilometer südlich von Dresden, von einer grölenden Menge empfangen. Erst nach zwei Stunden konnte die Polizei die Blockade auflösen. Doch gerade auch die Polizei soll die Flüchtlinge hart angegangen haben.

Von Bastian Brandau | 20.02.2016
    "Reisegenuss"? Flüchtlinge werden in Clausnitz von einem Mob bedrängt (18.02.2016)
    "Reisegenuss"? Flüchtlinge werden in Clausnitz von einem Mob bedrängt (18.02.2016) (Screenshot Youtube)
    "Wir sind das Volk. Wir sind das Volk." Eine grölende Menge umlagert einen Reisebus, in dem etwa 20 Flüchtlinge sitzen. Zu sehen sind verängstige Flüchtlinge, ein Junge weint.
    Am Donnerstagabend sollten die Flüchtlinge ihre Unterkunft beziehen in Clausnitz, etwa 60 Kilometer südlich von Dresden. Nach Polizeiangaben etwa 100 Demonstranten stellten sich dem Reisebus entgegen, blockierten zudem mit Autos die Auffahrt der Unterkunft. Erst nach rund zwei Stunden gelang es der Polizei, die Blockade aufzulösen. Am Tag drauf hatte eine rechte Gruppierung aus Döbeln das Video ins Internet gestellt, das schnell in den sozialen Medien die Runde machte.
    Sachsens Innenminister Ulbig (CDU) sagte am Mittag, es sei zutiefst beschämend, wie mit den Menschen in Clausnitz umgegangen worden sei. Empörte Reaktionen gab es auch von SPD, Linken und Grünen.
    Am Nachmittag wurde ein weiteres Video veröffentlicht, das den brutalen Einsatz eines Polizisten in Clausnitz zeigt. Der Beamte der Bundespolizei greift im Bus einen Jungen am Nacken und führt in aus dem Bus heraus – sichtlich gegen dessen Willen. Der Mob vor dem Bus grölt.
    Minister Ulbig kündigte daraufhin eine Untersuchung des Polizeieinsatzes an. Er habe sich das Video angesehen, sagte er. Die Bilder sprächen eine deutliche Sprache.
    Entsetzen über das Vorgehen des Polizisten auch beim Koalitionspartner SPD. Der stellvertretende Vorsitzende Henning Homann sagte dem ZDF:
    "Von einem sächsischen Beamten erwarte ich ein anderes Verhalten. Da erwarte ich Einfühlungsvermögen und Empathie. Der Versuch, dem Kind die Angst zu nehmen und sicher ins Haus trägt. Ich werde dieser Sache nachgehen."
    "Gegebenenfalls hart gegen die Polizei durchgreifen"
    Eine Untersuchung fordern auch die oppositionellen Grünen. Ihr innenpolitischer Sprecher Valentin Lippmann bezeichnet das Verhalten des Polizisten als skandalös.
    "Ich erwarte, dass das aufgeklärt wird und hier auch gegen der Polizei gegebenenfalls - wenn sich das bewahrheitet, dass es unverhältnismäßig ist und so sieht es eindeutig aus - hart durchgegriffen wird. Wir können es uns in der momentanen Situation nicht leisten, dass Polizisten Flüchtlinge hart angreifen, wenn der rechte Mob daneben steht und Beifall klatscht.
    Fremdenfeindliche Blockaden von Asylunterkünften gibt es in Sachsen immer wieder. Bundesweit bekannt wurden die Ausschreitungen in Heidenau und Freital, bei denen die Polizei zunächst völlig in der Unterzahl war. Wie es immer wieder dazu kommen kann, fragt sich auch der Grünen-Politiker Lippmann.
    "Ich habe auch an dieser Stelle erhebliche Fragen bezüglich der Einsatzplanung der Polizei. Man braucht nun wirklich keine prophetische Gabe, um zu wissen, dass gerade die Ankunftssituation von Flüchtlingen regelmäßig Anlass bietet für vermeintlich besorgte Bürger und aggressive Neonazis, dort Stimmung zu machen. Da erwarte ich dann auch von der Polizei, dass sie mit entsprechenden Kräften vor Ort ist, um die Lage zu bereinigen. Das war offensichtlich nicht der Fall."
    30 Beamte seien im Einsatz gewesen, hieß es von der Polizeidirektion Chemnitz. Man ermittle gegen mindestens 13 Menschen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten.
    Unterdessen haben die Flüchtlinge ihre dezentralen Unterkünfte in Clausnitz beziehen können. Dort blieb es den Tag über ruhig.