Silke Hahne: In Deutschland arbeiten mindestens 100.000 Flüchtlinge, und zwar schwarz, in vielen Fällen wohl unter schlechten Arbeitsbedingungen und zu Dumpinglöhnen. So berichtet es heute der Norddeutsche Rundfunk. Die Recherche bezieht sich in Teilen auf Studien der Universitäten Linz und Tübingen. Studien auch des Linzer Professors Friedrich Schneider; er ist jetzt am Telefon. Guten Tag!
Friedrich Schneider: Ja! Guten Tag nach Deutschland.
Hahne: Herr Schneider, Sie gehen davon aus, dass etwa 30 Prozent der Flüchtlinge arbeiten, die im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen sind. Das wären mehr als 300.000 Menschen. Wie kommen Sie zu dieser Zahl?
Schneider: Meine plausibelste Schätzung ist die Variante zwei mit ungefähr 300.000 Flüchtlingen, weil ich davon ausgehe, dass für die große Mehrheit der Flüchtlinge, auch die, die in Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben können, die aus Syrien oder aus Afghanistan stammen, dort Parallelwirtschaften oder Schattenwirtschaften Gang und Gebe sind, die meisten gar nichts anderes kennen und auch diese Menschen gewohnt sind zu arbeiten. Die sind es überhaupt nicht gewohnt, monatelang im Zimmer zu sitzen oder in Lagern untergebracht zu sein und nichts zu tun. Daher werden die sehr schnell schauen, wie es in ihrem Heimatland ist, gibt es irgendwo einen Job, wo ich Teller waschen kann, wo ich was sauber machen kann, und wenn sie das finden und einigermaßen ein paar Brocken Deutsch oder Englisch sprechen, dann werden sie das tun. Die 300.000 ist eine durchaus realistische Variante und die Dumpinglöhne sind meistens nur fünf Euro die Stunde.
"Die sind in den Branchen, wo ich rasch etwas tun kann"
Hahne: Sie sagen, Teller waschen und sauber machen. Das heißt, diese Menschen sind in den üblichen Branchen für Schwarzarbeit tätig?
Schneider: Ja! Die sind im Reinigungsgewerbe, im Dienstleistungsgewerbe. Die sind in den Branchen, wo ich rasch, ohne dass ich gut Deutsch kann, etwas tun kann, und natürlich wird das vom Arbeitgeber ausgenutzt, dass der Flüchtling schon gut bedient fünf Euro die Stunde kriegt, was weit unterm deutschen Mindestlohn liegt.
Hahne: In diesen Branchen ist ja schlechte Bezahlung sowieso üblich. Birgt das eigentlich sozialen Sprengstoff, wenn Flüchtlinge mit gering qualifizierten deutschen Arbeitskräften konkurrieren?
Schneider: Die meisten gering qualifizierten sind nicht mehr Deutsche, sondern sind Rumänen, Bulgaren oder andere aus anderen EU-Ostblock-Staaten. Deutsche verdrängen die kaum. Wir haben ja kaum oder nur noch sehr wenig Deutsche, die in diesen Bereichen wirklich in großem Stil arbeiten. Die klassische Putzfrau bei uns, die macht nebenher sauber, aber hat häufig dann einen anderen Job noch. Aber es werden auch etliche Deutsche verdrängt und das kann sicherlich zu sozialem Sprengstoff führen, aber das Verdrängen von EU-Bürgern führt natürlich auch zu Spannungen zwischen den Flüchtlingen und diesen Gruppen.
Hahne: Jetzt könnte man ja auch sagen, die Leute verdienen was, sammeln Arbeitserfahrungen und lernen vielleicht schneller Deutsch. Was ist also so schlimm daran?
"Sie haben Arbeit, sie werden gezwungen, sich schneller zu integrieren"
Schneider: Na ja. Für die Flüchtlinge ist eigentlich nichts schlimm daran. Für die Flüchtlinge ist es außer, dass sie etwas ausgebeutet werden (aber häufig ist der Stundenlohn immer noch viel höher als im Heimatland) gut. Sie haben Arbeit, sie haben etwas Geld, sie werden gezwungen, sich schneller zu integrieren. Das könnte man aber genauso erreichen, indem man ihnen nach zwei, drei Wochen die Arbeitserlaubnis gibt, nachdem die erste Prüfung gemacht wurde, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in Deutschland bleiben können. Hätten sie dann die Arbeitserlaubnis, könnten sie in eine Reinigungsfirma integriert werden, und das ging alles viel schneller und müsste nicht im Verborgenen geschehen.
Hahne: Eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis gibt es erst nach dem positiven Asylbescheid. Vorher ist das eine Einzelfallentscheidung. Das heißt, Sie plädieren dafür, generell über den Kamm zu scheren und zu sagen, wer arbeiten will, der soll auch eine Erlaubnis dafür haben?
Schneider: Aber natürlich! Das ist auch die beste Integrationsmaßnahme und auch die Maßnahme, das Selbstwertgefühl der Flüchtlinge zu heben. Das Gefühl vieler deutscher Bundesbürger, die liegen uns nur auf der Tasche, schwindet damit dahin. Ich verstehe das auch nicht, wieso man hier so penibel nach einem halben, nach einem Jahr oder noch länger überhaupt erst entscheidet. Wir müssen mit den Menschen, die zu uns kommen, die auch von uns versorgt werden, wo ich uneingeschränkt dafür bin, ja auch was machen und müssen die arbeiten lassen. Das ist wie eine ganz entscheidende Variante der schnelleren Integration und auch des Selbstwertgefühls derjenigen, und ein Abgleiten in die Kriminalität würde damit auch verhindert.
Hahne: … sagt Friedrich Schneider, Experte für Schattenwirtschaft von der Universität Linz. Herr Schneider, danke für Ihre Zeit.
Schneider: Ich bedanke mich. Auf Wiederhören!
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