"So, die Abfahrtszeit am Margaretenhof: 15:10 Uhr."
"Hm."
"Hier steigen Sie ein, und dann fährt die Linie 18 bis Ratzeburger Straße. Da steigen Sie aus."
"Hm, hm."
Zu Gast in jenem 90er-Jahre-Backsteinkomplex am Schweriner Stadtrand, wo direkt neben der Bundesarbeitsagentur und dem Jobcenter auch ein privater Dienstleister sitzt: die "Gesellschaft für Arbeitsförderung und Personalentwicklung mbH". Simone Niegisch, eine pädagogische Mitarbeiterin, erklärt Adhamon Kokobe aus Eritrea den Weg zu einer Adresse, an der er sich ein Fahrrad leihen könnte. Herr Kokobe möge es rasch ausprobieren, weil er es bald für seinen Job brauche werde.
Niegisch: "Wenn das nichts für Sie ist, melden Sie sich umgehend bei mir. Denn wir müssen gucken, dass wir für Sie ein Fahrrad kriegen. Sonst müssen Sie jeden Tag eine halbe Stunde laufen, hin und her."
Kokobe: "Oh, das ist schwierig. Zu Fuß?"
Reporterin: "Was machen Sie denn in Grabow? Wozu brauchen Sie ein Fahrrad?"
Kokobe: "In Grabow gibt es einen Familienbetrieb und letzten Monat habe ich in Grabow gefragt über Praktikum. Und die (sic) Arbeitgeber hat mir gesagt: 'Ja, wir haben freien Platz. Du kannst bei uns ein Praktikum machen. Und danach, wenn Sie wollen, Arbeit nach Praktikum als Tischler.'"
Reporterin: "Sind Sie Tischler von Beruf oder haben Sie es hier gelernt?"
Kokobe: "Nein. Im mein (sic) Heimatland habe ich zwei Jahre gearbeitet, aber nicht wie die in Deutschland. Aber jetzt in Grabow arbeite ich als Produktionshelfer."
Abbrecherquote ist hoch
Seit 2001 erhält der mecklenburgische Privatdienstleister staatliche Aufträge, um Langzeitarbeitslose fit zu machen für den Jobmarkt. Doch seit vorigem September konzentriert man sich auf Flüchtlinge und erhöhte den Mitarbeiterstamm von 15 auf 25. Darunter drei ehemalige Kursteilnehmer, die die Firma glatt als Dolmetscher für Arabisch und Persisch bei sich angestellt hat. Ansonsten weiß man auch bei der GAP Nord, dass in Schwerin von einer raschen Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt keine Rede sein kann, obwohl auch hier mittlerweile Handwerksbetriebe, Callcenter, Hotels, Restaurants händeringend Fach- und Hilfskräfte suchen.
Stadtverwaltung, Jobcenter und viele freie Träger arbeiten eng verzahnt daran, den Boden zu bereiten. Sie vermitteln und bieten jede Menge Sprach- und Integrationskurse, auch schon für Asylbewerber. Und doch meint der zuständige Sozialdezernent der Stadt, Andreas Ruhl:
"Wir stellen natürlich fest, dass doch auch viele abbrechen. Dass nur sehr, sehr wenige Menschen, die zu uns kommen, sofort fähig sind, auf dem Arbeitsmarkt einen Fuß in die Tür zu bekommen. Das sind keine 20 Prozent. Wir werden die Situation erleben, dass die Menschen auch in den nächsten fünf Jahren das Problem haben werden, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen oder eine Ausbildung zu bekommen. Da wird sich gar nichts ändern. Das wird eher noch schlimmer durch die Mengen, die zu uns kommen. Weil irgendwann dann auch die Angebote erschöpft sind."
Schwerin beliebt bei Flüchtlingen
Denn Schwerin ist zu einem sehr attraktiven Wohnort für bereits anerkannte Flüchtlinge geworden. Allein 500 sind in den letzten Monaten eigens hierher gezogen, um dauerhaft zu bleiben.
Es spricht sich herum, dass die Wohnungs- und Betreuungslage in Schwerin viel entspannter ist als in den Großstädten. Schon wachsen auch hier syrische, afghanische und eritreische Communities, in denen aber bislang kaum jemand eine bezahlte Arbeit hat.
Schwerin hofft, dass sich nicht neue, abgeschottete Gemeinschaften bilden, so wie man es mit den ca. 2000 Russlanddeutschen bereits kennt, die in den 90er Jahren mit deutlich besseren sprachlichen und kulturellen Voraussetzungen gekommen waren und nun immer noch überdurchschnittlich stark von Hartz 4 abhängen. Kosten, die vor allem die Kommune tragen muss.
Zurück in einem Integrationskurs des Privatanbieters GAP Nord. Geübt wird die Zeitangabe.
Schwierigkeiten mit deutschen Standards
Dass diese schon seit 8 Jahren in Schwerin lebende Afghanin bald eine bezahlte Arbeit finden kann, klingt unwahrscheinlich. Doch es sei auch schwer für viele jener Flüchtlinge und Migranten, die in der Heimat einen Beruf gelernt oder studiert haben und nun voller Begeisterung in die Trainingskurse kämen, sagt Wolfgang Hülst. Denn fast allen müsse man sagen, dass die deutschen Standards ganz andere sind.
"Ja, das heißt, die fangen hier bei null an. Tatsächlich bei null. Und Voraussetzung ist dann Sprachniveau C 2 oder ähnliches mehr, damit sie dann eventuell an einer Universität neu einsteigen können. Und diesen Schritt zu schaffen - da platzen dann auf dem Weg, denke ich, viele Träume".
Eine der dringend ersehnten Erfolgsgeschichten bahnt sich derweil bei seiner Kollegin Simone Niegisch an. Sie sagt mit Blick auf das dreiwöchige Tischlerpraktikum, das Herr Kokobe aus Eritrea nächste Woche beginnen kann:
Niegisch: "Das ist Herrn Kokobe selbst zu verdanken. Er ist auf die Menschen zugegangen, war bei IHK zu Schwerin und hat sich Informationen geholt. Und darüber hat das geklappt."
Reporterin: "Eine Frage noch an Herrn Kokobe: Wie lange sind Sie schon hier in Schwerin?"
Kokobe: "Ein Jahr und zwei Monate."
Reporterin: "Und würden Sie gern hier bleiben?"
Kokobe: "Wenn ich finde einen freien Platz von Arbeit her – das ist klar. Kein Problem. Aber wenn ich finde keine Arbeit hier, ich muss umziehen in andere Stadt. Weil – man kann ohne Arbeit nicht gut leben."