Freedom, Freedom, Freiheit, Freiheit - rufen Hunderte Flüchtlinge vor dem Budapester Ostbahnhof. Vor ihnen stehen Polizeiketten und sperren den Zugang zu dem Bahnhof. Zu den Gleisen kommen nur noch Touristen mit Ausweis und Ticket oder ungarische Staatsbürger.
Am Morgen hatte die Polizei den Bahnhof für zwei Stunden kurzerhand abgesperrt, erzählt Amar aus Homs, der in der unterirdischen Transit-Zone eingesperrt ist, zusammen mit etwa 1.500 anderen Flüchtlingen: "Morgens kam die Polizei und sagte den Syrern: Die Züge sind offen. Dann haben alle hier ein Ticket gekauft, 200 Euro pro Person. Dann kam die Polizei, hat alles gesperrt und gesagt: Die Züge sind für euch Syrer geschlossen. Geld haben wir nicht zurück bekommen." Amar liegt auf einer Decke auf dem blanken Boden, im unterirdischen Transit-Bereich, der zur U-Bahn führt. Sein Hinterkopf lehnt an einem großen Absperrgitter, das den Aufgang zu den Bahngleisen blockiert.
Am internationalen Fahrkartenschalter erklärt eine ungarische Bahn-Mitarbeiterin den Touristen den Fahrplan. Ob das Geld, das die Flüchtlinge ausgegeben haben, wirklich verloren ist? Sie gibt eine ausweichende Antwort. Zur Schließung des Bahnhofs meint sie nur: Es sei zu voll gewesen am Morgen. "Nicht als Eisenbahnerin, sondern allgemein als Mensch, meine ich, man müsste sie in Flüchtlingslager bringen, sagt sie. Und sie nicht hier im Metro-Zugang lassen, und das müsste organisiert sein." Kritik am Vorgehen der Regierung kommt auch von der linken Opposition. Nora Hajdu von der Partei „Gemeinsam" mahnte mehr Menschlichkeit an.
Warnung vor weiterer Flüchtlingswelle
Am Nachmittag immer wieder Pfeifkonzerte vor dem Bahnhof. Wütende Flüchtlinge skandieren vor einer Polizeikette, die den Haupteingang zum Ostbahnhof blockiert. Währenddessen warnt Kanzleramtsminister János Lázar, vor einer weiteren Flüchtlingswelle: "In der Türkei sind etwa zwei Millionen Flüchtlinge registriert. Im Libanon auch. Und wenn wir davon ausgehen, dass in der Türkei weitere zwei Millionen Nichtregistrierte sind, die kein Recht auf Verpflegung haben, die das Land verlassen wollen - dann müssen Ungarn, Mitteleuropa, die Europäische Union damit rechnen, dass diese Bedrohung, diese Völkerwanderungskrise weiter geht. Wir brauchen dauerhafte Maßnahmen."
Auf Kritik reagiert die Regierung in Budapest empfindlich: Am Montag hatte das Außenministerium den französischen Vertreter einbestellt. Heute Österreichs Botschafter in Budapest. Denn Österreichs sozialdemokratischer Kanzler Faymann hatte die Regierung Orbán angegriffen, weil sie gestern etwa 3.600 Flüchtlinge in Zügen nach Österreich und Deutschland hatte ausreisen lassen. Am Donnerstag wird Ungarns Premier Orbán in Brüssel über die Flüchtlingskrise sprechen.