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Flüchtlinge
Merkel will Transitzonen durchsetzen

Ein Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium sieht die Möglichkeit vor, Transitzonen an deutschen Grenzen einzurichten. Die SPD lehnt das ab und kritisiert, dass es sich dabei um Haftzonen handele. Dass auf diesem Wege überhaupt Flüchtlinge abgewehrt werden könnten, zweifelt die Linkspartei an. Nun hat sich auch die Kanzlerin erstmals deutlich zu den Transitzonen geäußert.

Von Gudula Geuther |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einem Rednerpult; sie blickt nach unten.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (Marius Becker, dpa picture-alliance)
    So deutlich wie auf dem Deutschlandtag der Jungen Union hatte sich Angela Merkel bisher nicht zu den sogenannten Transitzonen positioniert:
    "Ich werde jedenfalls nicht ruhen und rasten, bis wir nicht auch die Sozialdemokraten überzeugt haben, liebe Freunde."
    Seit gut zwei Wochen liegt ein Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium vor. Er sieht die Möglichkeit vor, Zonen an der deutschen Grenze einzurichten, in denen nach Ansicht der Behörden offensichtlich unbegründete Asylanträge geprüft werden. Die Betroffenen würden dann gegebenenfalls gar nicht einreisen dürfen. In der "FAZ" präzisierte die Kanzlerin: Dem Ergebnis der Gespräche in der Koalition könne sie nicht vorgreifen. Und: Erst einmal gehe es ihr um die Möglichkeit, darum, die rechtliche Grundlage zu schaffen. Am Abend in Hamburg sagte sie:
    "Ich bin der Meinung, das wird nicht alle Probleme lösen. Aber wenn die EU uns solche Möglichkeiten einräumt, wenn wir aus gutem Grund, weil wir die Prozesse ordnen müssen, Grenzkontrollen temporär wieder eingeführt haben, dann müssen wir doch auch von der Möglichkeit Gebrauch machen können."
    Gestern hatte Erwin Sellering, SPD, der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, den Vorschlag als nicht durchdacht kritisiert und im Bundesrat in Richtung Bayern gefragt:
    "Wie wollen Sie sicherstellen, dass diejenigen, die nach einem langen Treck und vielen Entbehrungen die deutsche Grenze erreichen, dass die sich dann freiwillig in Einrichtungen begeben, aus denen sie ihre Abschiebung befürchten müssen, wenn andererseits nur wenige Kilometer weiter sie über die grüne Grenze gehen können, Asyl sagen und dann haben sie ein Bleiberecht in Deutschland?"
    Bedeuten deshalb Transitzonen nicht doch Zäune an der Grenze? Angela Merkel verneint das in der "FAZ". An sich spricht sich im Deutschlandfunk auch Thomas Bareiß gegen Zäune aus. Auf die Frage, wie dann solche Transitzonen funktionieren sollten, sagt der Vorsitzende des CDU-Bezirksverbandes Württemberg-Hohenzollern aber doch:
    "Sie können nicht Zehntausende von Menschen, 100.000 Menschen unkontrolliert in unser Land lassen. Ich glaube, das will niemand. Da müssen wir, glaube ich, wieder zu Recht und Ordnung zurückkehren. Und das heißt, dass wir auch vielleicht stärker unsere Grenzen sichern, dass wir vielleicht auch Grenzen sichern mit Zäunen."
    "Die Transitzonen sind nach dem Gesetzentwurf, der vorliegt, Haftzonen"
    Die SPD bleibt bei ihrem Nein. In einem Zeitungsinterview bekräftigt Justizminister Heiko Maas, was er bereits früher kritisiert hatte:
    "Die Transitzonen sind nach dem Gesetzentwurf, der vorliegt, Haftzonen. Und an den Grenzen viele tausende Menschen, die dort immer noch jeden Tag hinkommen, in Haft zu nehmen, oder zumindest von denjenigen, die dort ankommen, dann auch festzustellen, wer einem solchen Landgrenzenverfahren unterfällt und dort auch in Haft genommen werden kann, um direkt wieder zurückgewiesen zu werden, das halte ich weder für durchdacht noch für durchführbar."
    Tatsächlich spricht der Referentenentwurf selbst von Haft. Als Gründe dafür nennt er unter anderem die Feststellung oder Überprüfung der Identität oder der Staatsangehörigkeit. Ein Haftgrund ist aber auch schlicht die Durchführung des Verfahrens, um über die Einreise zu entscheiden. In der "Rheinischen Post" ergänzte Justizminister Maas nun, es seien schnellere Asylverfahren nötig, alles, was dazu beitrage und mit den geltenden Gesetzen vereinbar sei, werde man tun.
    Bartsch setzt auf Bekämpfung der Fluchtursachen
    Die Linkspartei glaubt nicht an die Möglichkeit, Flüchtlinge abzuwehren. Im Interview der Woche im Deutschlandfunk erteilt der frisch gekürte Fraktionschef Dietmar Bartsch der Vorstellung eine Absage, das könne durch Grenzsicherung geschehen. Und er wendet sich gegen die Verminderung von Anreizen, nach Deutschland zu kommen, wie sie die gerade verabschiedete Reform des Asylrechts vorsieht.
    "Es lässt sich ein Wasserhahn abdrehen, aber nicht der Flüchtlingszustrom. Und keine Mauer und kein Stacheldraht wird die Flüchtlinge abhalten. Das ist eine absurde Vorstellung, zu meinen, es gibt Sachleistungen und nicht mehr Geldleistungen, dass dann die Flüchtlinge weniger werden."
    Er setzt auf Bekämpfung der Fluchtursachen. Dagegen bekräftigt die CSU ihre Forderung nach weiteren Verschärfungen des Asylrechts. Generalsekretär Andreas Scheuer fordert in der "Passauer Neuen Presse" neben den Transitzonen erneut eine Begrenzung des Familiennachzuges. Und bezogen auf Europa pocht er auf Kontingentierung der Flüchtlingszahlen. Und eine strenge Obergrenze.
    Das ganze Interview der Woche mit dem Fraktionschef der Linken Dietmar Bartsch können Sie am 18. Oktober 2015 im Deutschlandfunk ab 11.05 Uhr hören.