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Flüchtlinge ohne Bleiberecht
Die Rückkehr schmackhaft machen

Auf einen abgelehnten Asylantrag folgt meist die Abschiebung. Doch die muss nicht zwingend von Beamten durchgeführt werden. Immer mehr Flüchtlinge, die keine Chancen auf Asyl haben, reisen freiwillig aus. Spezielle Rückkehrberatungen und finanzielle Starthilfen im Heimatland sollen Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive die Rückkehr schmackhaft machen.

Von Oliver Ramme | 10.12.2015
    Das Bild zeigt, wie die Flüchtlinge von der Gangway in die weiße Maschine steigen. Zwei Polizisten überwachen das Ganze.
    Flüchtlingen mit abgelehntem Asylantrag bleibt nur die Abschiebung, das Katz- und Mausspiel mit den Behörden, das Untertauchen - oder die freiwillige Rückreise. (Patrick Seeger / dpa)
    Das Gemeindehaus der Evangelischen Kirche in Kreuzau Düren vor den Toren Kölns. Holzvertäfelung, große Fenster, dunkler Kachelboden. Dutzende von Menschen drängen in den Saal. Jeden Donnerstag wird das Gemeindehaus zum Café Welcome. Willkommen werden hier Flüchtlinge geheißen. Pfarrer Martin Gaevert fragt in die Runde, wer denn heute neu hier sei. Ein Mann aus der zweiten Reihe übersetzt ins Arabische.
    Syrer, Afghanen, Iraker, Eritreer sind da. Und Ibrahim - 19 Jahre - aus Ghana. Vor drei Jahren hat er seine Heimat verlassen. Ist quer durch die Sahara nach Libyen gereist. Hat dort gekellnert, Geld nach Hause geschickt zu seiner Mutter. Als dann die Situation zu brenzlig wurde, stieg er in ein Boot nach Lampedusa. Gelandet ist er in Düren. Hier fühlt er sich geborgen, anders als in seiner Heimat:
    "Würde ich zurückgehen, ich wüsste nicht wohin. Auch habe ich dort nichts zu tun. Außerdem gibt es dort keine Unterstützung."
    Rat für abgelehnte Asylsuchende oder freiwillige Rückkehrer
    Ibrahims Asylantrag wurde abgelehnt. In Düren genießt er Kirchenasyl. Das heißt die Gemeinde unterstützt seine Gastfamilie. Aber seine Perspektiven, hier in Deutschland einen Schulabschluss nachzuholen, eine Ausbildung zu machen oder gar zu arbeiten, sind gleich Null. Vielleicht muss sich Ibrahim bald mit der Rückkehr beschäftigen. Das Kirchenasyl ist endlich und ihm droht die Abschiebung. In seinem Fall nach Italien, weil er sich auf Lampedusa registrieren ließ. Oder er geht freiwillig.
    "Was wir hier machen ist Perspektiv- und Rückkehrberatung."
    Einen Termin bei Annegret Spitz in diesen Tagen zu bekommen, ist schwierig. Bei der Diakonie in Köln berät sie abgelehnte Asylsuchende oder freiwillige Rückkehrer. Angefangen vom Organisieren des Tickets bis hin zu Perspektivmaßnahmen. Rückkehren soll schmackhaft gemacht werden.
    "Dann gibt es in dem Fall Nordirak, Iran noch die Möglichkeit, weitere Förderung zu bekommen. Zum Beispiel für die Förderung eines kleinen Geschäfts - oder zuletzt hatte ich eine kleine Waschstraße für Autos. Da gibt's verschiedene Programme. Das wird dann im Herkunftsland geprüft, ob das Sinn macht. Und wenn dem so ist, dann bekommen diese Personen dafür eine Förderung."
    Perspektivmaßnahmen: Start- und Reisehilfe
    Ein bis viertausend Euro – soviel kann eine Starthilfe umfassen. Das variiert von Bundesland zu Bundesland. Außerdem können jene, die freiwillig zurückgehen, eine Reisehilfe beantragen. Pro Person variiert das zwischen 200 und 900 Euro. Mit diesem Geld können unter anderem Koffer oder Kleidung gekauft werden.
    Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern, wie zum Beispiel die West-Balkanstaaten, haben übrigens keinen Anspruch auf Starthilfen. Albaner, Kosovaren und andere können nur freiwillig ausreisen. Oder es droht die Abschiebung. Und diese Abschiebung kann mühselig sein, sagt Dagmar Dahmen, Chefin der Ausländerbehörde Köln:
    "Manches Mal haben sich die Personen bereitgehalten, oftmals nicht. Dann wurde ein zweiter Abschiebetermin angekündigt, wir werden dann und dann da sein. Die Personen waren vielleicht auch nicht da. Und dann hatten wir die Möglichkeit, eine Abschiebung durch Abschiebehaft zu sichern. Wir mussten einen Antrag vor dem Amtsgericht stellen. Oft wurde das bestätigt. Dagegen war aber die Beschwerde beim Landgericht."
    Neues Verfahren: Abschiebung ohne Ankündigung
    Kurz: ein juristisches Katz- und Mausspiel. Die Abschiebequote war und ist bescheiden. Nur jede vierte Abschiebung ist geglückt. Nun aber soll ein neues Verfahren die Dinge beschleunigen: Abschiebung ohne Ankündigung.
    Im Café Welcome in Düren schaut fast jeden Donnerstag auch der Afghane Habibullah vorbei. Er hat sonst nicht viel zu tun. Sechs Jahre ist er schon in Deutschland, er darf nicht arbeiten. Habibullah ist kein anerkannter Flüchtling. "Geduldet – Aussetzung der Abschiebung" steht auf seinem passähnlichen Dokument. Mit anderen Worten: Der junge Mann ist von der Abschiebung bedroht. Afghanen will der Bundesinnenminister vermehrt rückführen – wie es im Beamtendeutsch so schön heißt.
    "Ich habe Angst, wenn ich morgens aufwache. Ich habe gehört, die Polizei kommt um vier Uhr. Und wenn ich aufwache und immer noch hier bin, überrascht mich das."
    Freiwillige Rückkehr als Königsweg?
    "Jetzt mit der unangekündigten Rückführung kann das passieren. Aber diese Zeiten werden nicht von uns gewählt, sondern durch die Flugzeiten vorgegeben. Wenn die Menschen auf dem Luftweg zurückgeführt werden, wird verlangt, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt am Flughafen sind."
    Habibullah stemmt sich gegen die Abschiebung und hat bereits zwei Anwälte beauftragt. All jenen, denen Asyl verwehrt bleibt, bleiben also nur die Abschiebung, das Katz- und Mausspiel mit den Behörden oder das Untertauchen. Ist deshalb die freiwillige Rückkehr der Königsweg? Die Starthilfe in der alten Heimat? Annegret Spitz von der Diakonie ist da skeptisch:
    "Was ich hier mitbekomme: Es ist eher eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem, was sie aufgebracht haben, um herzukommen und es ist ein Tropfen auf den heißen Stein."