Start der Moonbird, frühmorgens, vom Flughafen in Malta. Ein kleines, weißes Einpropellerflugzeug, in das sich vier Menschen gerade so hineinquetschen. Vorne links sitzt Fabio Zgraggen. Der 32-jährige Schweizer hat die "Humanitäre Piloten-Initiative" mitgegründet. Zusammen mit der deutschen Organisation Sea-Watch machen sie Aufklärungsflüge vor der libyschen Küste. Eineinhalb Jahre fliegt Fabio die Moonbird.
Man muss immer mit dramatischen Notfällen rechnen und mit schrecklichen Bildern, sagt er: "Nördlich von Tripolis, das ist das Gebiet, wo wir jetzt gerade reinfliegen. Letzte Woche gab’s da ein größeres Unglück mit 23 Toten. Und jetzt ist genau die Zeit: "Wenn die Menschen ertrinken und versterben, dann sinken sie in den ersten Tagen, die sinken relativ schnell unter die Wasseroberfläche. Und ungefähr nach vier bis sieben Tagen kommen die Körper wieder an die Wasseroberfläche. Das ist auch das, was wir oft sehen, leider."
Ein Gebiet von 800 Quadratkilometern
Rechts neben ihm, auch im orangefarbenen Overall, hat Matteo Zevi seinen Platz. Ursprünglich kommt er aus Italien, lebt aber in New York - wenn er nicht Migranten auf dem Mittelmeer rettet. Er hat schon monatelang auf Schiffen der NGOs gearbeitet. Seit Kurzem ist er mit dem kleinen Flugzeug unterwegs:
"Ich bin hier der Kopilot auf der Moonbird. Ich helfe dem Piloten dabei, Ausschau zu halten, arbeite am Flugplan, führe das Logbuch und kommuniziere mit den Schiffen in der Nähe, damit sie wissen, dass wir hier sind und ihnen helfen können, wenn sie Hilfe brauchen."
Fabio meldet sich bei der Flugleitung in Tripolis - auch das Rettungseinsatzzentrum in Rom weiß Bescheid, dass die Moonbird unterwegs ist. Das Gebiet, das sie heute aus der Luft überwachen wollen, ist rund 800 Quadratkilometer groß. Rund sieben Stunden kann die Moonbird in der Luft bleiben.
Die Küste Libyens ist deutlich zu sehen, die Skyline von Tripolis. Auf einmal steigt auf Höhe von Sabratha eine große Rauchsäule auf. Vermutlich eine Explosion. Ob die Boote voller Migranten aufbrechen, hängt nicht nur davon ab, ob das Wetter gut ist, wie heute, sondern auch von der Situation an Land. Sicher ist nur, dass kein Aufklärungsflug wie der andere ist, sagt Matteo:
"Die Lage hat sich seit dem Sommer verändert. Vor ein paar Monaten, vor einem Jahr war das Problem, dass so viele Flüchtlingsboote aufgebrochen sind und es nicht genug Rettungsschiffe und Flugzeuge gab, um sie zu finden. Jetzt sind es weniger Boote, - aber weiter draußen oder an ungewöhnlichen Orten. Das heißt, es gibt immer noch nicht genügend Abdeckung. Wir müssen weiter ausschwärmen. Und das ist der Vorteil von diesem Flugzeug: Wir überwachen ein größeres Gebiet, auch da, wo die Schiffe nicht sind."
Wahnsinn auf dem Mittelmeer
Heute Morgen hat ein NGO-Schiff schon 12 Migranten von einem Boot gerettet, um 08:23 Uhr kam ein weiterer Notruf vom Einsatzzentrum in Rom. Diesmal hat die Rettung ein italienisches Kriegsschiff übernommen. Fabio nimmt Kontakt auf.
Hier oben, aus der Luft wird klar, dass die Flüchtlingskrise noch längst nicht zu Ende ist. Auch in den letzten Tagen wurden wieder Tausende auf dem Meer gerettet. Rund 2.800 Menschen sind seit Jahresbeginn auf dem Meer ums Leben gekommen. Von hier oben versuchen, Fabio und Matteo die Rettung zu koordinieren:
"Es gibt natürlich sehr schöne Momente, es gibt sehr schwierige Momente. Zum Beispiel vor Ostern war das: wenn ein Boot sinkt und die Einsatzkräfte weit weg sind. Das Boot war am Sinken, und wir konnten eigentlich nur zuschauen, wie schon die ersten Menschen verstarben, darunter auch Kinder. Das ist natürlich sehr schwierig zu ertragen. Genau in der gleichen Situation war es natürlich der schönste Moment, als diese weißen Pfeile auf der Wasseroberfläche dahergeschossen kamen, und dann trotzdem noch sehr, sehr viele Menschen retten konnten."
Genau deshalb wollen sie weiter fliegen und weiter so viele Migranten wie möglich retten. Denn der Wahnsinn auf dem Mittelmeer - er geht weiter.