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Flüchtlinge
Richtung Norden auf der Balkan-Express-Route

Mazedonien und Serbien sind zu Durchgangsländern für die Flüchtlinge geworden, wie weiter in Richtung Norden wollen. Die sogenannte Balkanroute ist viel sicherer als der Weg über das Mittelmeer und es geht auch relativ schnell. Das hat sich inzwischen auch bei den Flüchtlingen herumgesprochen.

Von Tim Heller |
    Flüchtlingen an der ungarisch-serbischen Grenze nahe dem Ort Röszke.
    Flüchtlingen an der ungarisch-serbischen Grenze nahe dem Ort Röszke. (AFP / Csaba Segesvari)
    Es waren nur drei Tage, in denen sich Mazedonien hart zeigte. Die Regierung in Skopje verhängte vor einer Woche den Ausnahmezustand über die Grenzregionen. Soldaten wurden dorthin abkommandiert, um den Strom der Flüchtlinge aufzuhalten. Doch auch Tränengas, Blendgranaten und Stacheldraht konnten die Menschen nicht dauerhaft stoppen - der Druck wurde zu groß, Mazedonien musste seine Grenzen schon am vergangenen Wochenende wieder öffnen. Der Versuch, die sogenannte Balkanroute zu unterbrechen, war eindrucksvoll gescheitert. Rund 45 Prozent aller Migranten, die nach Nord- und Mitteleuropa kommen, haben genau diesen Weg hinter sich: Von Griechenland über Mazedonien und Serbien nach Ungarn - und von dort aus weiter nach Österreich, Deutschland, Skandinavien. Es ist eine Art Expressroute, wie auch Hussein erzählt, ein 27-Jähriger aus dem Irak, den wir in Serbien treffen: "Ich bin in der Türkei gestartet. Das war vor drei Tagen. Ja, man kommt hier wirklich schnell durch."
    In der global vernetzten Welt klappt der Informationsaustausch - auch unter den Flüchtlingen. Sie wissen, dass die Flucht über das Mittelmeer lebensgefährlich ist. Der Balkan ist da die deutlich sicherere Route. Für die Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan ist es die naheliegende Variante - auch geografisch gesehen. Die Länder, durch die sie reisen, sehen den Flüchtlingstreck mit gemischten Gefühlen: Sie müssen die Menschen registrieren, zeitweilig unterbringen, verpflegen. Sie müssen eine grundlegende medizinische Versorgung sicherstellen, und dann ist da ja noch das Transportproblem. In vielen Regionen Mazedoniens und Serbiens werden die Busse schon knapp, die Züge Richtung Norden sind völlig überfüllt. Man tut, was man kann, sagt Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic: "Wir erledigen unsere Arbeit professionell, seriös, verantwortungsvoll. Wir handeln nicht nach der Devise 'Pack sie in einen Container und schaff sie über die Grenze deines Landes', ohne dass man ihnen hilft, ihre Kinder behandelt, sie registriert. Ich bin stolz darauf, dass einige ausländische Regierungen uns schon dafür gelobt haben, wie wir die Flüchtlinge behandeln."
    Grenzzaun könnte zur Umleitung werden
    In der Tat: Vieles klappt inzwischen ganz gut, auch, weil man in Belgrad natürlich weiß, dass die EU genau hinschaut. Serbien hofft auf Verhandlungen über das erste Beitrittskapitel mit Brüssel, da kann man sich als Krisenmanager natürlich schon mal profilieren. Viel weniger Wert auf die Meinung der EU legt man dagegen im Nachbarland Ungarn.

    "Der Zaun beginnt anderthalb Meter tief im Boden, dann kommt eine drei Meter hohe Wand, und darauf kommen noch einmal 50 bis 70 Zentimeter NATO-Draht. Insgesamt wird die Sperre also knapp vier Meter hoch", so beschreibt János Lázár, Minister in der Budapester Regierung, das, was derzeit an der Grenze zu Serbien entsteht. Nächste Woche soll die Grenzsicherung zumindest provisorisch fertiggestellt sein, auf den gesamten 175 Kilometern Länge. Im November soll dann der endgültige Zaun stehen. Für die einen ist es der notwendige Versuch, eine EU-Außengrenze zu sichern. Andere sehen darin eine Abschottung, einen Verstoß gegen die Menschlichkeit. So oder so - der Bau des Zauns sorgt für Hektik auf der Balkanroute, jeder will es noch auf dem einfachen Weg über Ungarn in die Europäische Union schaffen. Im Nachbarland Kroatien, seit zwei Jahren ebenfalls EU-Mitglied, fürchtet man nun, das nächste große Etappenziel der Flüchtlinge zu werden - auf einer dann umgeleiteten Balkanroute.