Das Jahr ist neu, die Krisen in Europa sind die Alten geblieben. Ganz oben auf der Liste steht noch immer die Flüchtlingsproblematik, sagt der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Seine Akutlösung lautet: Die Flüchtlingszahlen müssen deutlich runter in den kommenden Monaten.
Denn wenn erst der Frühling kommt, machen sich erfahrungsgemäß noch viel mehr Flüchtlinge auf den Weg nach Europa. Schafft die EU es bis dahin nicht, eine Lösung zu finden, dann - ja, was eigentlich dann? Dann könnten auch anderswo Maßnahmen um sich greifen, wie jetzt in Österreich, meint Rutte.
Reisefreiheit im Schengen-Raum gefährdet
Österreich hatte gestern die Notbremse gezogen: Das Land will die Aufnahme von Flüchtlingen bei sich klar begrenzen. Grenzkontrollen gibt es bereits seit Monaten in mehreren europäischen Ländern. Die ungelöste Flüchtlingskrise hat einen Dominoeffekt: Sie droht die Reisefreiheit im Schengenraum zu zerstören.
"Wir scheitern daran, weil einige Länder ihrer Aufgabe nicht nachkommen. Und wir scheitern daran, dass die Flüchtlinge selbst bestimmen möchten, wo sie hingehen", ärgert sich EU-Kommissionschef Juncker.
Gerechtere Verteilung derzeit nicht umsetzbar
Seine Strategie funktioniert bislang nicht: der Außengrenz-Schutz ist löcherig. Die meisten Registrierstellen für Flüchtlinge in Italien und Griechenland arbeiten unzuverlässig. Und eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU ist in absehbarer Zeit nicht umsetzbar. Denn viele europäische Regierungen wollen keine oder nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen. Und viele Flüchtlinge wollen nur in bestimmte Ländern gehen, etwa nach Schweden, Deutschland oder Österreich.
"Wenn alles so umgesetzt worden wäre, was beschlossen wurde, dann hätten wir keine Flüchtlingskrise", beschwert sich Kommissionschef Juncker.
Doch "hätte" und "wäre" helfen nicht weiter. Anstatt wiederholt gegen die sogenannten "Unwilligen" zu stänkern, sollte die Kommission vielleicht Plan B aus der Schublade holen, und auf die "Willigen" setzen. Die mitnehmen, die mitfahren wollen. Und den anderen einen Kompromiss anbieten, denn nur so kann es eine gemeinsame Lösung geben.
Brüssel will keinen "Brexit"
Kompromisse wird die Kommission auch Großbritannien gegenüber machen müssen. Wenn sie verhindern will, dass das Land aus der EU herausbricht. Der britische Premierminister Cameron wird wohl Erfolg damit haben, Sonderrechte für sein Land durchzuboxen - mit dem Druckmittel einer Volksabstimmung über den Verbleib in der EU. In Brüssel will kaum einer den "Brexit". Großbritannien soll in der EU bleiben, meint der niederländische Ministerpräsident Rutte.
Und Kommissionschef Juncker gibt sich überzeugt, beim EU-Gipfel in vier Wochen, werde man einen fairen Deal mit Großbritannien erreichen - und auch mit den 27 anderen EU-Ländern.
Sollte es so kommen, wäre eine Krise vom Tisch. Doch viele andere bleiben. Vor allem die schwierigste - die Flüchtlingskrise.