Maarouf, Bashar und Bassel MSheilem, 34, 29 und 25 Jahre alt. Drei Brüder aus Damaskus. Seit neun Monaten leben sie in Berlin. Getrennt von ihren Ehefrauen, getrennt von ihren Kindern. Ihr Asylantrag: nicht bewilligt. Ein Leben im Wartezustand.
"Hier von Deutschland aus können wir unsere Familien nicht in Sicherheit bringen", klagt Maarouf, der älteste Bruder, von Beruf Mechaniker. "Meine Frau und meine vier Kinder brauchen mich. Und ich sitze meine Zeit ab, hier kann ich nichts tun. Ich darf nicht arbeiten, nichts. Ich kann meine Familie noch nicht einmal finanziell unterstützen."
Maarouf MSheilem wirkt verzweifelt. Er holt sein Smartphone aus der Tasche, zeigt Fotos der vier Kinder. Vor zwei Wochen wäre eine der Töchter fast ermordet worden. Seine Familie ist auf der Flucht – mal bei entfernten Verwandten untergebracht, mal bei Freunden.
"Deutschland betrachtet sich als hoch entwickeltes Land, als Verteidiger der Menschenrechte. Doch wir sind hier ohne Perspektive, wir können nicht planen", klagt sein Bruder Bassel MSheilem. "Ich habe in Damaskus Jura studiert, aber hier fühle ich mich abgestellt. Ich soll warten. Worauf, warum, wieso? Keiner gibt mir eine Antwort."
"Ich verstehe, warum die Leute zurückwollen"
Die Geduld der drei Brüder ist am Ende, sie haben genug von Deutschland. Deshalb haben sie sich einen Termin bei Hannelore Thoelldte gemacht. Sie leitet die Rückkehrberatung beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, kurz Lageso.
"Ich verstehe, warum die Leute zurückwollen. Es gibt Familie zu Hause, sie sind so lange getrennt. Da habe ich durchaus Verständnis dafür. Aber zum Teil ist es auch nur Frust, dass sie nicht das hier bekommen, was sie erwartet haben."
Immer mehr syrische Flüchtlinge sprechen bei den Rückkehrberatungen der Länder vor. Bundesweite Zahlen liegen nicht vor, teilt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF auf Anfrage mit. Allerdings hat das Land Niedersachsen jetzt sieben Syrern die Rückflüge über Teheran nach Damaskus finanziert. Die drei Brüder Maarouf, Bashar und Bassel wollen nicht zurück nach Syrien. Viel zu gefährlich, sagen sie.
Die drei wollen in den Sudan. Ungläubiges Staunen. In den Sudan? Ein muslimisches Land, das zu den ärmsten der Welt gehört. "Dort können wir wenigstens arbeiten, wir können unsere Familien aus Syrien in den Sudan holen und sind wieder vereint, erklären die Brüder. Im Laufe des Gesprächs wird klar: Die drei haben ihr Taschengeld monatelang nicht für Essen ausgegeben, sondern gespart und sich dafür drei Flugtickets nach Khartum gekauft. Die Asylanträge haben sie zurückgezogen, doch das BAMF ließ sich Zeit mit der Rückgabe ihrer Pässe. Die Flugtickets sind mittlerweile verfallen, Geld haben sie auch keines mehr.
"Wir haben nicht mehr einen Cent zum Essen"
Hannelore Thoelldte seufzt. Ein schwieriger Fall.
"Das einzige, was ich anbieten kann, ist, die Adressen von Suppenküchen herauszusuchen. Sie wollen gerne in ihrer Unterkunft bleiben, aber sie haben kein Geld zum Essen, was sollen sie machen? Ja, deshalb Suppenküche."
Die Chefin der Rückkehrberatung versucht, die verschiedenen Zuständigkeiten zu erläutern. Der Bund mit dem BAMF, das Land Berlin mit dem Lageso, außerdem die Internationale Organisation für Migration IOM, die möglicherweise die Kosten für die Flugtickets übernimmt. Die drei müssen jetzt einen Antrag stellen. Und warten.
"Nur damit Sie mich verstehen. Es ist nicht mein Geld. Und ich muss für jeden Euro und jeden Cent, den ich ausgebe, Rechenschaft ablegen. Und ich kann nicht einfach sagen: Mensch, die wollen in den Sudan. Tschüs. Ma´a Salama."
Bassel MSheilem trommelt nervös mit den Fingern auf dem Tisch. Von bürokratischen Zuständigkeiten wollen die drei Brüder nichts hören. Sie haben kein Geld, keine Flugtickets, zu Hause in Syrien warten verzweifelte Frauen und Kinder.
Vor dem Krieg zu fliehen und nach Deutschland zu kommen, war anstrengend, sehr anstrengend. Dass es allerdings so schwer sein würde, Deutschland wieder zu verlassen, daran haben sie nicht im Traum gedacht.