"Hey Kahsay, wie geht's dir, alles gut?" -
"Ja. Wie ist deine Schule?"
"Gut, anstrengend. Ich habe jetzt alle Prüfungen geschafft ..."
Kahsay Berhane und Ines Gebert sind eines von 20 Tandem-Paaren in Frankfurt. Was sie verbindet, ist die Pharmazie: denn Kahsay, ein Flüchtling aus Eritrea, ist diplomierter Pharmatechniker und hat bereits vier Jahre als Pharmazeut in seinem Heimatland gearbeitet. Ines ist eine Pharmaziestudentin im zweiten Semester, die für's Studium vom Schwarzwald nach Frankfurt gezogen ist. Und beide haben etwas, was dem anderen hilft: Kahsay hat Fachwissen und kann Ines ihre wissenschaftlichen Fragen erklären. Ines beherrscht die deutsche Sprache und kann bei Apotheken fragen, ob sie einen Job für Kahsay haben.
Win-Win-Situation
"Academic Experience Worldwide" - so der Name des Tandem-Programms - wurde von zwei Studentinnen der Frankfurter Goethe-Uni ins Leben gerufen. Eine von ihnen ist die 26-jährige Merle Becker:
"Uns war klar, wir müssen eine Zielgruppe finden – man kann nicht sagen: ok, wir machen jetzt ein Projekt um die Welt zu retten – und dass wir uns einfach gesagt haben: wo haben wir Ressourcen, wo haben wir Möglichkeiten, wo kennen wir uns aus? Und dann haben wir gesagt: ok, wir machen was an der Uni."
Wer am Tandem-Programm teilnimmt, kann auch im wöchentlichen Projekt-Seminar Fach-Vorträge halten. Denn dadurch bekämen die geflüchteten Akademiker wieder Selbstvertrauen- genau das, was ihnen hier am meisten fehle, sagt Becker:
"Für viele Menschen, die vorher zum Beispiel erfolgreiche Anwaltskanzleien hatten, Arztpraxen, die Manager waren, für die ist es sehr entmenschlichend und sehr erniedrigend, wenn sie hier ankommen und plötzlich gar nichts mehr sind. Plötzlich nicht mehr gefragt werden, was sie vorher gemacht haben. Also, es ist immer die Rede von so einer Masse von Flüchtlingen, die hier ankommen; sie sind nur noch Teil einer Masse."
Alltäglicher Druck
Mehr als 13.000 Flüchtlinge kamen vergangenes Jahr aus Eritrea nach Deutschland. So wie Kahsay. Seit der 30-Jährige hier ist, hat er nicht mehr gearbeitet. Er hat versucht, deutsch zu lernen. Kahsay spricht gut, hat aber oft Angst, Fehler zu machen und spricht deshalb lieber Englisch. Er sagt, besonders wenn es um Anträge auf Sozialämtern geht, die über seine Zukunft entscheiden, könne er sich keine Missverständnisse erlauben:
"Wir müssen in viele verschiedene Büros gehen, aber wir sprechen nicht richtig Deutsch. Eigentlich müssen wir einen Dolmetscher mitbringen. Aber wenn du keinen Dolmetscher findest, dann bist du gestresst – deswegen ist die Kommunikation mit den Büroleuten oft nicht gut."
Der Druck, dem Kahsay ausgesetzt ist, wäre für Ines die Hölle, sagt sie. Vor allem, weil sie weiß, wie viel Kahsay von seinem Fach versteht:
"Da habe ich ihm mal gezeigt das Chemische Rechnen, Stöchiometrie, und habe dann gesagt, oh wie schwer das ist und dann hat er nur gemeint: das ist doch voll einfach!"
Gegenseitige Unterstützung
Schon oft habe er ihr geholfen. Im Gegenzug ruft Ines bei Kahsay's Krankenkasse an, fragt nach, weshalb ein Druckfehler im Geburtsjahr auf seinem Kärtchen ist; oder geht mit ihm zur Bank und bittet darum, ein Konto für ihn zu eröffnen. Die 21-Jährige sagt:
"Die Flüchtlinge, sie wollen arbeiten und ich möchte ihnen eben helfen durch diesen Bürokratiedschungel durchzukommen, dass sie hier ihren Traum auch verwirklichen können, hier Fuß fassen können und sich integrieren können."
Auch Studierende aus anderen Städten wollen das Tandem-Programm an ihre Uni holen. In Mainz hätten sich schon einige Ehrenamtliche gemeldet, erzählt die Initiatorin Merle Becker. Denn noch finanziert sich das Projekt nur über Spenden. Von dem Geld bezahlt Becker dann Deutschkurse. Kahsay's Deutsch werde immer besser, sagt Ines. Auch weil er in ihren Büchern liest, wenn er ihr bei Aufgaben hilft. Umso mehr bemüht sich Ines, ihm bald einen Job zu organisieren:
"Ich werde mich in den Ferien darum kümmern, hier Kliniken anzufragen. Und wenn sie möchten, dann komme ich auch gerne mit, falls er nicht alles beim ersten Mal versteht oder falls Differenzen mal auftauchen, dass sie auch einen Ansprechpartner haben."
"Türen öffnen" - das Ziel des Programms. Denn nur so könnten Deutsche wie auch geflüchtete Menschen ihr Potenzial in Deutschland einbringen.