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Flüchtlingsabkommen EU-Türkei
Proteste gegen bevorstehende Abschiebungen

Die Vorbereitungen für die Abschiebung von Migranten aus Griechenland in die Türkei laufen. Morgen sollen bereits Hunderte von der EU-Grenzschutzagentur Frontex in zwei kleine türkische Städte gebracht werden. Sowohl in Griechenland als auch in der Türkei gibt es Proteste gegen die Pläne. Es werden Ausschreitungen befürchtet.

    Flüchtlinge auf der griechischen Insel Chios halten Schilder hoch mit Sprüchen wie: "Nicht Türkei" oder "Wir wollen Freiheit/Frieden".
    Auf der griechischen Insel Chios haben Migranten gegen EU-Pläne protestiert, wonach sie zurück in die Türkei gebracht werden sollen. (afp / Louisa Gouliamaki)
    In den türkischen Kleinstädten Dikili und Cesme werden die Migranten von den griechischen Inseln morgen ankommen. Doch dort fühlt man sich derzeit nicht sonderlich gut vorbereitet, berichtet ARD-Korrespondent Reinhard Baumgarten im DLF. Bis zum Morgen sei an dem Ort, wo ein Auffanglager entstehen soll, nur Gras gewachsen. Mittlerweile sollen aber Zelte aufgebaut worden sein.
    Bei den Anwohnern in den türkischen Küstenstädten regte sich schon in den vergangenen Tagen Protest. Viele stehen der Ankunft Hunderter skeptisch gegenüber. Wie viele es genau sein werden, kann bisher keine Seite präzise sagen. Von bis zu 500 Menschen ist die Rede.
    Hunderte Flüchtlinge, die am Freitag aus dem sogenannten Hotspot der griechischen Insel Chios ausgebrochen waren, harrten heute weiter im Hafen der Inselhauptstadt aus. Sie fordern, dass Fähren sie zum griechischen Festland und nicht in die Türkei bringen. In den Hotspots werden Flüchtlinge seit Inkrafttreten des Flüchtlingspakts festgehalten, um in die Türkei abgeschoben werden zu können.
    Polizei soll Flüchtlinge begleiten
    Auf den griechischen Inseln werden Ausschreitungen befürchtet, sobald die Abschiebung in die Türkei beginnt. Ein großes Polizeiaufgebot soll Schlimmeres verhindern. Für jeden, der zurückgebracht werde, werde ein Beamter abgestellt, berichtet die griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA. Nach den Angaben hat die EU-Grenzsschutzagentur Frontex zwei Schiffe gechartert, mit denen die Flüchtlinge und Migranten aus Syrien, dem Irak und Afghanistan in die Türkei gebracht werden sollen.
    Karte Griechenlands mit der Zahl der auf den Inseln angekommenen Flüchtlinge und den Hauptherkunftsländern.
    Wie viele Flüchtlinge halten sich derzeit in Griechenland auf? Ein Überblick. (picture alliance / dpa-Grafik)
    Das Abkommen der EU mit der Türkei betrifft alle Migranten, die seit dem 20. März auf den griechischen Inseln angekommen sind. Wer keinen Asylantrag gestellt hat oder wessen Antrag bereits abgelehnt wurde, muss demnach Griechenland wieder in Richtung Türkei verlassen. Das sind insgesamt mehr als 5.000 Menschen. Bis auf syrische Flüchtlinge sollen viele zurück in ihre Heimatländer geschickt werden. Die Europäische Union hat sich bereit erklärt, nur syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Morgen werden etwa 40 Syrer in Hannover erwartet. Insgesamt hat Deutschland zugesagt, etwa 15.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen.
    Vorwürfe, die Türkei würde syrische Flüchtlinge ebenfalls in ihre Heimat zurückschicken, wies die Regierung in Ankara zurück. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte die Vorwürfe erhoben.
    Kritik an EU-Türkei-Abkommen
    Das Vorgehen der EU und der Türkei löst international Kritik aus. Der UNO-Sonderberichterstatter für Flüchtlinge, Peter Sutherland, sagte der britischen BBC: "Massenabschiebungen ohne Rücksicht auf individuelle Rechte sind illegal". Österreich Bundespräsident Heinz Fischer erklärte im Sender Ö1, die Lage in der Türkei sei sehr schwierig. Auch aus Deutschland kommt Kritik - vor allem von Linken und Grünen. Die Vizepräsidentin des Bundestages, Claudia Roth (Grüne), erklärte: "Die EU verkauft ihre Seele." Linken-Chefin Katja Kipping twitterte: "Das Abkommen zur Verteilung von Geflüchteten zwischen der EU und der Türkei ist eine Verabredung zum Sterbenlassen."
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hält das Modell dagegen für praktikabel, um auch Migranten aus Nordafrika, die nach Italien kommen, zurückzuschicken. Falls wieder mehr Menschen über diese Route kämen, müsse man Verhandlungen mit den nordafrikanischen Ländern aufnehmen, sagte der der Zeitung "Tagesspiegel am Sonntag".
    (pr/ach)