Die bisherigen Berufungskommissionen bestanden aus drei Experten: Einen stellte das UN-Flüchtlingshilfswerk, einen das nationale Menschenrechtskomitee, das als unabhängiges Gremium die griechische Regierung berät; den dritten stellte der Staat.
Zwar sollten diese Kommissionen tatsächlich bald von neuen abgelöst werden, doch das Gesetz sah ein ganz konkretes Auswahlverfahren vor, das die Regierung nun über Bord wirft, erklärt Rechtsanwalt Spyros Apergis, Mitglied des Nationalen Menschenrechtskomitees:
"Die Regierung hatte für die neuen Berufungskommissionen eine transparente öffentliche Ausschreibung vorgesehen mit mündlichen und schriftlichen Prüfungen. Doch dies setzt sie gar nicht erst um. Stattdessen werden die neuen Kommissionen - neben dem Vertreter des UNHCR - aus zwei Verwaltungsrichtern bestehen. Die Regierung hat das beschlossen, ohne den Rat des nationalen Menschenrechtskomitees einzuholen, der sie ja eigentlich in solchen Themen berät."
"Die EU übt zweifelsohne Druck auf die griechische Regierung aus"
Die Berufungskommissionen gehören der griechischen Asylbehörde an. Auch wenn sie in ihren Entscheidungen unabhängig sind, sind sie Teil der griechischen Verwaltung und gehören somit zur exekutiven Staatsgewalt. Ihre Besetzung mit Richtern sei deshalb verfassungsrechtlich äußerst problematisch, sagt Rechtsanwalt Apergis. Und auch der Zeitpunkt dieses Schrittes werfe Fragen auf:
"Die Besetzung ändert sich in einer Zeit, in der es viele positive Entscheidungen der alten Asylkommissionen gibt. Weil damit das EU-Türkei-Abkommen in Sachen Rückführungen nicht umgesetzt werden konnte, übte die EU zweifelsohne Druck auf die griechische Regierung aus. Denn in mehreren Briefen, die sich auch an Griechenland richten, betont die EU-Kommission, dass die Türkei als sicherer Drittstaat anerkannt werden muss."
Ginge es nach der EU, würden alle Flüchtlinge, die nach dem EU-Deal mit der Türkei nach Griechenland gelangten, in die Türkei zurückgeschickt werden. Doch die griechischen Berufungs-Kommissionen entschieden in fast allen Fällen, dass die Türkei kein sicherer Drittstaat sei und die Flüchtlinge deshalb nicht abgeschoben werden dürften.
Kritik von Asylexperten und Menschenrechtsorganisationen
Dadurch brachten sie die Planung der Europäischen Union durcheinander. Dass die Regierung die Zusammensetzung der Berufungs-Kommissionen nun ändert, lässt deshalb erahnen, dass sie auf andere Entscheidungen hofft. Das sehen zumindest Asylexperten wie Spyros Apergis und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International so. Giorgos Kyritsis, Regierungssprecher für Flüchtlingspolitik, streitet dies jedoch ab:
"Die Prüfung der Asylanträge in zweiter Instanz ist eine sehr komplexe rechtliche Angelegenheit. Das ist der Grund, warum wir uns entschlossen haben, dass zwei von den drei Mitgliedern dieser Kommissionen erfahrene Richter sein sollen. Das ist auch in den meisten anderen europäischen Ländern der Fall. Jegliche Kritik diesbezüglich basiert nicht auf Fakten, sondern auf politischer Voreingenommenheit."
Darauf wendet Rechtsanwalt Spyros Apergis ein: Die griechischen Richter seien weder Asylexperten, die die Umstände in der Türkei oder in den Herkunftsländern der Flüchtlinge vertieft kennen, noch hätten sie die Zeit, sich auf diesem Feld weiterzubilden oder jeden Einzelfall detailliert zu prüfen:
"Wer sich heute an die Verwaltungsgerichte wendet, bekommt einen Gerichtstermin in fünf Jahren! Wenn sie also jetzt schon alle Hände voll zu tun haben: Wie können wir erwarten, dass die Richter sich auch noch mit den Asylkommissionen befassen können?"
Dabei betonen sowohl die griechische Regierung als auch die EU-Kommission, dass das griechische Asylverfahren unbedingt beschleunigt werden müsse. Ob dies mit der neuen Besetzung der Berufungskommissionen durch schon überlastete Richter möglich ist, ist mehr als fraglich.