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Flüchtlingsabkommen
Schwierige Partnerschaft mit der Türkei

Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei sollte der EU helfen, die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Doch rund zwei Monate nach Inkrafttreten des sogenannten Türkei-Deals wachsen die Zweifel an der Wirksamkeit. Zudem droht die Türkei mit der Aufkündigung des Abkommens, sollte die erhoffte Visafreiheit für Türken in der EU nicht wie geplant kommen.

Von Rodothea Seralidou und Gunnar Köhne |
    Flüchtlingscamp Piräus
    Flüchtlinge warten im Camp Piräus auf Lebensmittel. (Rodothea Seralidou)
    Im Flüchtlingscamp am Hafen von Piräus. Rund 1500 Menschen leben hier in der Wartehalle des Hafentors E1 und in den Zelten rund um die Halle. Darunter auch Kusai Lubani mit seiner Frau. Der 29-jährige Syrer zeigt auf ein braunes Zelt. In den letzten Monaten ist das sein Zuhause:
    "Wir verstauen hier unsere Sachen und wir schlafen hier. Im Moment ist es zu heiß, aber am Abend können wir hier rein; da legen wir einen Teppich auf den Boden. Den Tag verbringen wir drinnen, in der Halle. Schlafen können wir dort aber nicht. Wir fühlen uns da nicht sicher und ich habe Angst, dass meine Frau sexuell belästigt wird. Sie ist ja so hübsch!"
    Kaum Privatsphäre, schlechte Hygiene
    Tatsächlich gibt es in der Halle keinerlei Privatsphäre für die Flüchtlinge. Einige Familien haben Pappkartons aufeinander gestapelt, so gibt es wenigstens eine Sichtbarriere. Alle übrigen sitzen auf dem Boden oder auf den Metallsitzen der Wartehalle. Und auch sonst sind die Bedingungen prekär, sagt der junge Syrer Lubani: Die Toiletten seien ständig verstopft, das Wasser in den Duschräumen fast immer kalt. Trotzdem, verglichen mit Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze habe er es in Piräus viel besser, sagt Lubani. Gemeinsam mit Tausenden anderen Flüchtlingen harrte er dort über Monate aus, bis die Regierung das Camp letztendlich Ende Mai räumte.
    Kusai Lubani im Flüchtlingscamp Piräus
    Kusai Lubani im Flüchtlingscamp Piräus (Rodothea Seralidou)
    "Ich war drei Monate lang in Idomeni. Das Leben dort war sehr schwer, wie soll ich das beschreiben. Das Wetter war furchtbar: Dort kannst du vier Jahreszeiten an einem Tag erleben. Das ist schlecht für die Kinder und für ältere Leute. Aber die Menschen sind trotzdem geblieben. Sie wollten dadurch Druck auf die Regierung ausüben."
    Die Hoffnung, dass die Grenze wieder geöffnet wird, war groß, sagt Lubani. Ende Mai aber war der Traum einer Weiterreise endgültig ausgeträumt. Mit großem Polizeitaufgebot wurde das Camp an der Grenze geräumt. Immerhin verlief die Räumung friedlich. Die Flüchtlinge wurden in nahegelegene Unterkünfte gebracht, doch auch da seien die Lebensbedingungen schlecht gewesen:
    "Ich habe jedes einzelne Flüchtlingscamp rund um Thessaloniki gesehen. Keins war gut. Wir sollten mit Fremden in einem Zelt schlafen, die Zelte standen in alten Fabrikgebäuden. Wie in einer Geisterstadt sah es dort aus. Um irgendwohin zu fahren, um etwas zu Essen zu kaufen, musst du weit reisen. Da ist es nicht leicht in diesen Camps zu bleiben."
    Regierung mit Krisenmanagement überfordert
    Die griechische Regierung bestätigt diese Schilderungen. Giorgos Kyritsis ist Regierungssprecher für Flüchtlingspolitik. Er gesteht ein, dass die Regierung mit dem Krisenmanagement überfordert ist:
    "Sie müssen bedenken: Diese Menschen sind hier stecken geblieben, weil vor zweieinhalb Monaten andere Länder einfach so beschlossen haben, ihre Grenzen dicht zu machen. In kurzer Zeit mussten wir Unterkünfte für 50.000 Menschen errichten; und das in einem Land, das seit sechs Jahren unter der uns auferlegten Austeritätspolitik leidet, ein Land, in dem der öffentliche Sektor unterfinanziert ist und Personalmangel herrscht. Und ohne vorherige Erfahrung in diesem Gebiet. Da ist es logisch, dass einiges in Eile gemacht wurde, dass es Mängel gibt und dass wir Fehler machen."
    Entlastung soll der im März beschlossene sogenannte "Türkei-Deal" schaffen – war doch bislang ein Großteil der Flüchtlinge von dort aus über das Mittelmeer nach Griechenland, und damit in die EU, eingereist. Das Flüchtlingsabkommen schlossen die EU und die türkische Regierung ab - unter maßgeblicher Federführung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Im Kern handelt es sich dabei um eine Art Tauschgeschäft: Für jeden Syrer, der von Griechenland aus in die Türkei zurückgewiesen wird, gelangt ein Syrer, der bislang in der Türkei untergekommen war, über legale Verfahren in die EU. Für dieses 1:1-Umsiedlungsverfahren stehen theoretisch 18.000 Plätze in verschiedenen EU-Staaten zur Verfügung. Zwar gibt es diese Umverteilung bislang vor allem auf dem Papier und auch der Fortbestand des Abkommens wurde von türkischer Seite unlängst in Frage gestellt: Doch die Vereinbarung zeigt zumindest insofern Wirkung, als mittlerweile deutlich weniger Flüchtlinge mit dem Boot von türkischen Küsten aus gen Griechenland aufbrechen: Während früher im Durchschnitt 2.000 Flüchtlinge täglich ankamen, gibt es nun Tage, an denen auf den griechischen Inseln kein einziger Neuankömmling registriert wird. Diejenigen Flüchtlinge wiederum, die bereits in Griechenland sind, sollen in Zukunft besser versorgt werden, sagt Regierungssprecher Kyritsis.
    "In der ersten Phase ging es darum, diese Menschen schnellstmöglich irgendwo unterzubringen und sie einigermaßen zu versorgen. Bis zum Herbst dieses Jahres aber werden die meisten Flüchtlinge in bessere Camps umgesiedelt werden: Mit Kontainerhäuschen, in bewohnten Gebieten, so dass die Flüchtlinge Kontakt zur griechischen Bevölkerung haben können."
    Griechenland fordert mehr Hilfe von der EU
    Das dafür nötige Geld komme aber nur in sehr geringem Umfang von der EU, kritisiert er:
    "Die Finanzierung seitens der Europäischen Union ist geringfügig und konzentriert sich vor allem auf die bessere Grenzkontrolle und auf die Unterstützung der Asylbehörde. Das hat wenig mit den Ausgaben für das Leben der Flüchtlinge zu tun. Innerhalb von acht Monaten haben wir aus unserem nationalen Investitionsprogramm 300 Millionen Euro für die Flüchtlinge ausgegeben, während wir von der EU weniger als 100 Millionen Euro bekommen haben."
    Die Vertreter der Europäischen Union verweisen hingegen auf andere Zahlen. Neben den 500 Millionen Euro, die Griechenland bis 2020 ohnehin im Bereich Flüchtlingspolitik zustehen, bekäme das Land immer wieder hohe Not-Finanzspritzen, sagt Panos Karvounis, Chef des griechischen Büros der EU-Kommission in Athen.
    "Die EU unterstützt Griechenland in jeder Hinsicht. Materiell und finanziell. Auch die Flüchtlingsunterkünfte: Es vergeht kaum eine Woche, in der die Europäische Union nicht neue Finanzhilfen für Griechenland ankündigt. Bisher hat das Land 260 Millionen Euro an Nothilfe bekommen und weitere 80 Millionen Euro als humanitäre Hilfe."
    Letzterer Betrag sei zwar an Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk und die Internationale Organisation für Migration gegangen; diese unterstützten aber damit wiederum die Arbeit des griechischen Staates. Letztendlich käme also auch dieses Geld Griechenland zu Gute. Auch sei schon ein Großteil der angeforderten Experten eingetroffen, die den griechischen Beamten unter die Arme greifen sollen: vor allem Mitarbeiter der Grenzschutzagentur Frontex und der europäischen Asylagentur. Sie arbeiten über ganz Griechenland verteilt. Eintausend Kilometer weiter östlich, in einem Istanbuler Vorort durchwühlt Mohamed, Flüchtling aus Aleppo, mit flinken Bewegungen einen Müllcontainer auf der Suche nach Plastikflaschen. Der junge Mann kam vor zwei Jahren zu Fuß über die Grenze in die Türkei. Für eine Weiterreise nach Westeuropa fehlte ihm das Geld. Die Fundstücke landen in einem großen Sack, der auf eine Karre gebunden ist. Umgerechnet 10 Euro am Tag könne er mit dem Verkauf der Flaschen an Recyclinghöfe verdienen, sagt er.
    "Als Syrer eine richtige Arbeit zu finden ist sehr schwer. Dafür braucht man ein offizielles Personaldokument. Und das zu bekommen kann Monate dauern. Darum versuchen viele von uns mit solchen Jobs zu überleben."
    Langes Warten auf Arbeitsgenehmigungen
    Die rund 2,5 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei dürfen seit Anfang des Jahres eine offizielle Arbeitsgenehmigung beantragen. Das war eine der Forderungen der Europäischen Union, um die Lage der Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern, bevor im März das Abkommen mit der Türkei geschlossen wurde. Nur, sagt Müllsammler Mohammed, dauere die Beantragung der Arbeitsgenehmigung nicht nur sehr lange und sei kompliziert, sie schütze ihn auch nicht davor, ausgebeutet zu werden. Syrer bekämen oft nur die Hälfte des Lohns eines Türken. Und sozialversichert seien auch nur die wenigsten:
    "Hier auf der Straße aber bin ich mein eigener Herr. Im großen und ganzen behandeln mich die Türken hier mit Respekt."
    Die meisten Syrer in der Türkei versuchen sich, wie Mohammed, in den türkischen Großstädten durchzuschlagen. In den Flüchtlingslagern entlang der syrischen Grenze leben nur noch etwa zehn Prozent. Seit langem schon haben die Flüchtlinge das Recht auf eine kostenlose Behandlung in staatlichen Krankenhäusern. Und auch die türkischen Schulen stehen den Kindern grundsätzlich offen. Allerdings fehlt es an Sprach- und Integrationshilfen. Darum ziehen es viele Eltern vor, ihr Kind in eine arabischsprachige Flüchtlingsschule zu schicken - doch davon gibt es zu wenige in der Türkei.
    Nur jedes dritte der geschätzt 700.000 syrischen Kinder in der Türkei besucht eine Schule. Seit Inkrafttreten des Abkommens zwischen der EU und der Türkei Anfang April sind erst knapp 500 Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei abgeschoben worden; Syrer waren keine darunter. Was mit den zurückgeschickten Afrikanern und Pakistanern danach passiert ist, ist unklar. Menschenrechtsorganisationen fürchten, dass sie von der Türkei wiederum in ihre Heimatländer abgeschoben wurden. Denn: Nicht-Syrer sind von dem Abkommen ausgenommen und haben keine Chance in die EU umgesiedelt zu werden. Und auch für die in der Türkei lebenden Syrer hat der sogenannte "Deal" noch keine besonderen Auswirkungen. Erst knapp 200 Syrer wurden in die EU ausgeflogen - auch weil sich viele EU-Mitgliedsstaaten weigern, überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen.
    Abkommen mit der Türkei funktioniert nicht richtig
    Das Abkommen funktioniert also nicht - und erfüllt dennoch nach Meinung der EU seinen Zweck. Schließlich ist die Zahl der täglich in Griechenland ankommenden Flüchtlinge inzwischen deutlich niedriger. Allein die Aussicht, als Flüchtling wieder in die Türkei zurückgeschickt zu werden, scheint viele Verzweifelte davon abzuhalten, die lebensgefährliche Überfahrt über die Ägäis auf sich zu nehmen. Der Leiter des türkischen Migrationsforschungsinstituts IGAM, Metin Çorabatir zu den Ursachen des Rückgangs:
    "Da ist zunächst die stärkere Kontrolle der Küstenabschnitte durch die türkische Polizei. Seit dem Abkommen werden die Flüchtlinge in der Region vermehrt daran gehindert, überhaupt in die Nähe der Strände zu kommen. Dann wird verstärkt die Residenzpflicht durchgesetzt. Das heißt, die Flüchtlinge werden bei Verstößen umgehend in die Kommunen zurück geschickt, in denen sie gemeldet sind. Hinzu kommen die gemeinsamen Kontrollen auf See mit der NATO und der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Dann werden die Flüchtlinge aber auch durch die schlechten Zustände in den Lagern auf den griechischen Inseln abgeschreckt. Und letztlich hat die Schließung der Balkan-Route zum Rückgang der Zahlen geführt."
    Das Flüchtlingsabkommen beinhaltet auch das Versprechen der EU, der Türkei bis 2018 insgesamt sechs Milliarden Euro Hilfe für die Betreuung der Flüchtlinge im Land zu zahlen. Darüber hinaus sollten die zähen EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei wiederbelebt werden; und nicht zuletzt sollten türkische Staatsbürger visafrei in die EU einreisen können - wenn denn das Land seinerseits alle 72 Bedingungen für die Visafreiheit erfüllt.
    Türkei ist nicht zu Kompromissen bereit
    Doch bei der Frage der Visafreiheit hakt es seitdem. Ankara ist nicht, wie von der EU gefordert, zu einer Reform seines weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes bereit. Menschenrechtler beklagen, dass auf dessen Grundlage Journalisten und Regierungskritiker verfolgt würden. Die EU fürchtet eine Welle von politischen Flüchtlingen - diesmal aus der Türkei -, sollte die Regierung ihren Terrorbegriff nicht enger fassen. Doch dagegen wehrt sich Erdogan, weil er sich im Kampf gegen die Terroristen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK befindet. Ein Kampf, der täglich neue Opfer fordert. Zwar geht die Suche nach einer Lösung in dieser Frage auf Expertenebene weiter - doch Erdogan droht immer wieder damit, das Flüchtlingsabkommen auszusetzen oder gar ganz aufzukündigen, sollte die EU ihre Zusagen nicht einhalten - womit vor allem die Visafreiheit gemeint ist.
    Für Erdogan wäre die Visafreiheit ein großer Erfolg auf dem Weg zu dem von ihm angestrebten Präsidialsystem. Die dafür nötige Volksabstimmung hofft er so leichter gewinnen zu können. Doch die Stimmung zwischen der EU und der Türkei ist nach den jüngsten Ausfällen Erdogans gegen die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern durch den Deutschen Bundestag zusätzlich vergiftet. Und so glaubt derzeit niemand an eine schnelle Einigung in der Visafrage. Gleichzeitig sehen EU-Diplomaten in Ankara den Drohungen der Regierung, den Flüchtlingsdeal aufzukündigen, gelassen entgegen. Denn, so fragen sie hinter vorgehaltener Hand, will Erdogan die Flüchtlinge im Land wirklich ermuntern wieder die gefährliche Passage über die Ägäis anzutreten? Auch der Migrationsforscher Metin Corabatir hat seine Zweifel:
    "Ich halte das für unwahrscheinlich. Die Türkei braucht dieses Abkommen genauso wie die Europäer es brauchen. Denn die Türkei ist mehr denn je auf die Beziehungen zu Europa angewiesen. Außerdem wäre es fatal, wenn ein Land, das fast drei Millionen Menschen die Türen geöffnet hat, sich plötzlich gegenüber denselben Menschen von einer herzlosen Seite zeigen würde."
    Ist die Türkei überhaupt ein sicheres Drittland?
    Allerdings droht das Abkommen auch auf der anderen Seite der Ägäis zu scheitern: In Griechenland nämlich stellt sich beim Asylverfahren die Frage: Ist die Türkei überhaupt ein sicheres Drittland? Nur dann - so die völkerrechtlichen Bestimmungen - dürften syrische Flüchtlinge, die nach dem 20. März nach Griechenland gekommen sind, zurück in die Türkei geschickt werden. Die griechischen Asylkommissionen, die diese Entscheidung in zweiter Instanz treffen, verneinen diese Frage mehrheitlich; die Flüchtlinge können somit nicht einfach abgeschoben werden. Ihre Asylanträge müssen von den griechischen Behörden bearbeitet werden. Rechtsanwältin Eleni Koutsouraki arbeitet für den Griechischen Flüchtlingsrat. Die Nichtregierungsorganisation hat schon vielen Flüchtlingen geholfen, abgelehnte Asylgesuche anzufechten. Mitte Mai erfolgte die erste Entscheidung in zweiter Instanz. Sie gab einem 26-jährigen Mann aus Syrien recht, der gegen einen ablehnenden Bescheid geklagt hatte.
    "Die Kommission entschied, dass der Mann nicht den nötigen Bezug zur Türkei hat, um ihn dorthin abzuschieben. Und dass der ablehnende Asylbescheid unter anderem die zahlreichen Fälle ignoriert, in denen die Türkei Flüchtlingen die Einreise verweigert oder sie nach Syrien abschiebt. Außerdem, so die Entscheidung, setze die Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention nicht vollständig um."
    Flüchtlinge harren in der Wartehalle des Hafenterminals aus, der eigentlich für Reisende gedacht ist.
    Flüchtlinge harren in der Wartehalle des Hafenterminals aus, der eigentlich für Reisende gedacht ist. (Rodothea Seralidou)
    Die Türkei könne deshalb für den 26-jährigen Syrer nicht als sicheres Drittland bezeichnet werden, entschied die Asylkommission; er darf in Griechenland bleiben. Zwar ist diese erste Entscheidung für andere Fälle, die gerade geprüft werden, rechtlich nicht bindend. Dadurch aber, dass die Kommission nicht nur auf die Situation des konkreten Antragstellers einging, sondern die Verletzung der Rechte der Flüchtlinge in der Türkei als Begründung anführte, wurde das Ganze zum Präzedenzfall. Nur in zwei Fällen entschieden die Asylkommissionen seither anders und erlaubten die Abschiebungen. Für Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International ein Grund zur Freude. Für die Europäische Union aber, die sehr auf den Erfolg des EU-Türkei-Abkommen setzt, ein Grund zur Sorge. Das Problem könnte ganz einfach gelöst werden, sagt wiederum Panos Karvounis vom griechischen Büro der EU-Kommission:
    "Für die Asylkommissionen wäre alles viel unkomplizierter, wenn Griechenland die Türkei per Gesetz zum sicheren Drittstaat erklären würde. Dann wäre es von vornherein klar und die Kommissionen müssten diese Frage gar nicht erst beantworten."
    "Wir wollen sie nicht massenabfertigen"
    Das hat aber die griechische Regierung auch mit ihrem neuen Asylgesetz vom April dieses Jahres nicht getan. Und sie hat es auch in Zukunft nicht vor, sagt Regierungssprecher Giorgos Kyritsis:
    "Andere EU-Staaten erkennen die Türkei auch nicht als sicheres Drittland an. Warum sollte das also ausgerechnet Griechenland tun? Klar ist da die politische Sorge: Was passiert, wenn nun keiner zurückgeschickt werden kann und alle hier bleiben? Aber es gibt die Gesetze und es gibt das Schicksal dieser Menschen. Wir wollen sie nicht massenabfertigen. Die Asylkommissionen müssen jeden Fall einzeln untersuchen und erst dann entscheiden sie."
    So ist das Abkommen zwischen der EU und der Türkei bislang nur begrenzt wirksam. Ob es als Modell für ähnliche Abkommen etwa mit afrikanischen Ländern tauglich ist – wie von der EU-Kommission erwogen wird? Zweifel erscheinen angebracht.