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Flüchtlingsabwehr
Bulgarien stellt Grenzzaun zur Türkei auf

Drei Meter hoch, 30 Meter lang und mit Stacheldraht gespickt - so sieht der bulgarische Abwehrzaun zur türkischen Grenze aus. Damit will der Verteidigungsminister den zunehmenden Strom syrischer Flüchtlinge eindämmen, die über die Türkei in die EU kommen wollen. Das eigentliche Problem löst er damit nicht.

Von Ralf Borchard |
    Bulgarien hat einen Stacheldrahtzaun zur Flüchtlingsabwehr aufgebaut. Der Zaun ist 30 Kilometer lang.
    Bulgarien hat einen Stacheldrahtzaun zur Flüchtlingsabwehr aufgebaut. Der Zaun ist 30 Kilometer lang. (AFP/Dimitar Dilkoff)
    Dieser 50-jährige Syrer hat es nach Bulgarien geschafft, bevor der Grenzzaun fertig wurde. "Wir sind vor den Bombardements in Aleppo geflohen", erzählt der Vater von fünf Kindern. "Es war die Hölle. Wir haben alles zurückgelassen und sind hierher gekommen."
    Umgerechnet 200 Euro pro Kopf hat er in der Türkei an Schlepper bezahlt. Die bulgarische Grenzpolizei griff die Familie auf, sie landeten in einem Flüchtlingsheim in Sofia.
    "Hier wollen wir nicht bleiben. Wenn wir rausgehen, finden wir keine Arbeit. Wir wollen irgendwohin, wo wir leben können. Mein Sohn studiert in Deutschland, vielleicht können wir dorthin."
    30 Kilometer Grenzzaun mit Stacheldraht
    Seit vergangenen Herbst die Zahl der Syrien-Flüchtlinge in die Höhe geschnellt ist, hat Bulgarien die Grenzkontrollen drastisch verschärft. Jetzt ist ein 30 Kilometer langer Grenzzaun fertiggestellt. Vor allem Soldaten haben den drei Meter hohen, stacheldrahtbewehrten Metallzaun gebaut. Der bulgarische Verteidigungsminister Angel Najdenow sagt:
    "Ich habe allen Grund, auf das Ergebnis der Arbeit stolz zu sein. Begeistert bin ich nicht, schließlich bauen wir hier Mauern. Normal wäre es, wenn es keine Schutzanlagen, Trennwände, keinen Stacheldraht gäbe. Aber leider haben wir ein Problem."
    Das Problem betrifft nicht nur Flüchtlinge aus Syrien, betont Hristo Stefanov, der das Polizei-Revier von Elkovo leitet, zu dem der Grenzabschnitt mit dem Zaun gehört:
    "Schauen Sie sich eine Karte von Afrika an, suchen Sie sich irgend ein Land aus – garantiert haben wir auch jemanden von dort hier. Die größten Gruppen kommen aus Syrien und Afghanistan, aber es kommen auch viele Nord- und Schwarzafrikaner."
    Ressentiments der Bevölkerung
    Die bulgarische Bevölkerung, vor allem in Städten in Grenznähe, fühlt sich überfordert, etwa in Harmanli, wo zwei Frauen vor dem Rathaus schimpfen:
    "Wir haben nicht den besten Eindruck von den Flüchtlingen, sie zerstören alles, es sind zu viele."
    "Allen geht es schlecht: uns und ihnen."
    "Es ist für alle besser wenn sie nicht aus der Türkei zu uns kommen, damit wir ihre Probleme lösen."
    Bulgarien ist das ärmste EU-Land, kämpft selbst mit hoher Arbeitslosigkeit. Zwar gab es EU-Gelder auch für den Grenzzaun. Andere EU-Länder haben mehr Flüchtlinge aufgenommen. Doch Nikolaj Tschirpanliew, Direktor der staatlichen bulgarischen Flüchtlingsagentur, fragt:
    "Wo bleibt die Solidarität der europäischen Partner? Geteilte Verantwortung kann nicht heißen, dass die ersten Länder auf dem Weg der Flüchtlingsströme die meiste Last tragen. Das sollte am Bruttoinlandsprodukt jedes Landes bemessen sein, anteilig an der Gesamtwirtschaftsleistung der EU."
    Kanalisieren statt Stoppen
    Bulgarische Menschenrechtsgruppen reagieren ganz anders. Sie betonen zum einen, dass der 30 Kilometer lange Zaun nur ein kleines, bisher besonders frequentiertes Teilstück der 270 Kilometer langen Grenze zur Türkei abdeckt, die Flüchtlingsströme eher kanalisiert als stoppt. Zum anderen, sagt Krassimir Kanew, Vorsitzender des bulgarischen Helsinki-Komitees - selbst wenn der Zaun abschreckt, löst er das Gesamtproblem nicht.
    "Mit diesem Stacheldraht lässt Bulgarien diese Menschen ungeschützt, spornt sie an, andere Wege nach Europa zu suchen, zum Beispiel über das Meer, mit Booten. Das ist für sie viel gefährlicher, als wenn sie auf dem Landweg über die Grenzen kommen."