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Flüchtlingsdiskussion
"Das Grundrecht auf Asyl wird schlechtgeredet"

Der Streit um die richtige Flüchtlingspolitik spaltet. Die Juristin Nora Markard spricht über den BAMF-Skandal, das Asylrecht und die Vernebelung der Rechts-Verhältnisse durch verbale Zuspitzung in der Politik. "Es steht viel auf dem Spiel, wenn wir sagen: 'Das Schicksal von Menschen ist uns egal, wenn sie nicht von hier sind.'"

Nora Markard im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Nora Markard, Professorin für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Hamburg
    Nora Markard ist Professorin für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Hamburg (Maurice Weiss)
    In der Politik ist der Ton rauer geworden, stellt die Juristin Nora Markard fest, das Engagement in der Bevölkerung für die Integration von Geflüchteten sei aber ungebrochen.
    Beim sogenannten BAMF-Skandal müsse man natürlich genau hinschauen, sagt Nora Markard. Die Rede von der "aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie", die dahinter stünde, hält sie aber für einen unsäglichen Vorwurf an die Anwaltschaft an sich: "Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die sich für Flüchtlinge einsetzen, haben die Aufgabe, deren Interessen möglichst gut zu vertreten, natürlich im Rahmen des Rechts." Dies verbal an den Rand des Rechts zu schieben, werde der Sachlage nicht gerecht.
    Der Rechtsstaat sei nicht reparaturbedürftig
    Aussagen von Politikern wie Horst Seehofer, der auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsdiskussion von einer "Herrschaft des Unrechts" gesprochen hat, bewertet Nora Markard kritisch: Der Rechtsstaat sei nicht reparaturbedürftig, er werde gerade reparaturbedürftig, nämlich durch solche Rhetorik: "Es gibt ein paar Mythen, die derzeit propagiert werden, zum Beispiel, dass Frau Merkel 2015 die Grenzen geöffnet hätte und dass sie dadurch das Recht gebrochen hätte… Das ist ein Mythos, weil wir im europäischen Binnenmarkt nach dem Schengenrecht sowieso offene Binnengrenzen haben, das heißt, wir haben gar keine Grenzkontrollen und die darf man auch nur unter engen Voraussetzungen wieder einführen. Dass Frau Merkel die Grenzen geöffnet hätte, ist natürlich Quatsch. Sie hat keine Grenzschließung angeordnet."
    Nora Markard ist Professorin für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Hamburg und leitet dort auch die refugees law clinic, die Rechtsberatung für Flüchtlinge anbietet. Sie ist Mitgründerin und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Freiheitsrechte (gff), die unter anderem für einen kostenlosen Zugang jedes Menschen zum Recht sorgt. "Da sehen wir uns auch als Dienstleister an der Zivilgesellschaft. Viele Menschen sorgen sich um den gesellschaftlichen Kitt, der uns zusammenhält und haben Angst vor Globalisierung, Entgrenzung, usw. Aber im Grunde, als plurale, demokratische Gesellschaft ist der Kitt, der uns zusammenhält, die Verfassung, auf die wir uns geeinigt haben: Die Grundwerte, die es braucht, um eine funktionierende Gesellschaft aufrecht zu erhalten."