Der Fernseher läuft den ganzen Tag. Auch beim Kochen und auch, wenn Lisa nicht versteht, was dort gesagt wird. Vor einem Jahr ist die 31-Jährige aus Nigeria geflohen. Seit ein paar Monaten lebt sie nun mit ihren drei Kindern in einem Bochumer Übergangsheim. Auf zwölf Quadratmetern.
Sie zieht das grün-gelbe Tuch fester um ihren schweren Körper. Auf dem Boden liegen, robben, krabbeln die Kleinkinder, die Flecken auf dem dunkelroten Teppich lassen die Speisereste vieler Mahlzeiten erahnen. Die Flüchtlingsfrau hat jedoch größere Sorgen.
"Manchmal, wenn du mitten in der Nacht die Tür öffnest, um auf die Toilette zu gehen, dann betatschen dich die Männer. Hier, da. Das ist schrecklich. Alle Frauen haben hier Angst, die Tür zu öffnen. Deshalb nehmen sie sich einen Eimer wie den hier, um da reinzumachen. Das ist nicht gut."
Lisa lässt sich aufs Sofa fallen, reibt sich über die müden Augen. Angst vor den fremden Männern im Heim, Krankheit und Isolation, all das hat Spuren im Gesicht der jungen Frau hinterlassen. Ihre größte Angst aber ist die Abschiebung. Vor ein paar Wochen wurde ihr Antrag auf Asyl abgelehnt, weil sie nicht aus politischen Gründen geflohen ist, sondern vor häuslicher Gewalt.
Heute ist Rosette zu Besuch, um Lisa zuzuhören und um ihr Mut zu machen. Sie selbst ist vor einigen Jahren aus Kamerun geflohen und seit ein paar Monaten Mitglied der Organisation Karawane. Hier engagieren sich Flüchtlinge für Flüchtlinge, erklärt Sprecherin Eylem Silan das Prinzip:
"Wir versuchen, der Frau zu sagen: Jeder von uns hat das durchgemacht, in irgendeiner Form. Wir möchten dir sagen, du bist nicht alleine. Das ist auch der Grund, warum die Frauenkonferenz eigentlich zustande kommt."
Deshalb sind Frauen wie Silan und Rosette seit Monaten in Übergangsheimen in ganz Deutschland unterwegs, um für das erste große Treffen der Flüchtlingsfrauen in Hamburg zu werben. Wie viele Mitglieder die Organisation genau hat, ist schwer zu sagen. Es gibt keine zentrale Koordination. Sich untereinander zu vernetzen, ist mühselig und wird von vielen Behörden nicht gern gesehen, sagt Silan.
"Ich bin von der Außenwelt abgeschlossen. Ich bin in einem Heim, in einem Lager untergebracht, wo immer eine Kontrolle entweder durch die Hausmeister passiert, durch die Ausländerbehörde und das Sozialamt und dann zugleich aus der eigenen Community – ich bin mit derselben männlichen Welt konfrontiert, aus der ich eigentlich auch geflohen bin."
Wenn Frauen fliehen, spielen häufig andere Gründe eine Rolle als Krieg und politische Verfolgung. Zwar gibt es im Gesetz seit 2005 den Passus der "geschlechtsspezifischen Asylgründe", in der Praxis ist dieser jedoch schwer durchzusetzen, erzählt Silan. Den Betroffenen fällt es außerdem schwer, ihre Geschichte auf dem Amt zu erzählen, gibt sie zu bedenken. Die Folge: Die Anträge auf Asyl werden häufig abgelehnt. Deshalb fordert Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW:
"Dass mehr berücksichtigt wird, dass man eben in der Anhörung, dass es da verstärkt die Möglichkeit gibt, zuerst mit einer Beratungsstelle in Kontakt zu kommen, Vertrauen aufzubauen und dann zu akzeptieren, die Frau konnte es da noch nicht sagen, aber jetzt kann sie es sagen. Jetzt zählt es noch als Grund, das ist eine unserer Hauptforderungen in dem Bereich."
Der Gang über die dunklen Flure des Wohnheims ergänzt das trübe Bild. Hier teilen sich rund zehn Personen einen Waschraum und zwei Toiletten. Sozialarbeiter Ralf Zyla klopft an Türen, sieht nach dem Rechten. Gemeinsam mit fünf Kolleginnen ist er zuständig für die soziale Betreuung und Unterbringung der rund 500 Flüchtlinge in Bochum. Auf die schwierigen Umstände der Frauen habe man bereits reagiert.
"Wir haben hier in Bochum so verfahren, dass alleinstehende oder alleinerziehende Frauen einen Flur haben, wo die zusammen untergebracht sind und das klappt also auch recht gut."
Allerdings nur dort, wo es diese separaten Flure auch gibt. Im Heim in der Wohlfahrtstraße leben 120 Frauen und Männer Tür an Tür. Flüchtlingsrat und Karawane fordern deshalb, Flüchtlinge generell dezentral unterzubringen, also in kleinen Wohnungen, die über die Stadt verteilt sind. Der Sozialarbeiter hält das jedoch für keine gute Idee.
"Eine gewisse Zeit im Übergangsheim zu leben, hat gewisse Vorteile. Sie lernen das Leben hier nämlich richtig kennen und lernen auch durch die anderen Flüchtlinge, wie das alltägliche Leben läuft. Und hier haben sie jeweils einen Ansprechpartner für die jeweiligen Probleme. Und deshalb halte ich es für günstiger, dass sie eine bestimmte Zeit im Übergangsheim sind."
In den Augen des Sozialarbeiters ist es ein gewisser Halt, der von dem geteilten Wohnraum ausgeht. Für die Flüchtlingssprecherin ist es eine unhaltbare Situation, die sie gemeinsam auf der Konferenz diskutieren möchte. Dort wird es auch um andere Kernthemen gehen, wie Abschiebung, Residenzpflicht oder Asylbewerberleistungsrecht. Ob das Bundesamt für Migration die Kritik aufgreifen wird, ist jedoch fraglich. Kein Kommentar, hieß es auf Nachfrage. Das Treffen in Hamburg dient der Vorbereitung auf eine dreitägige Demonstration im Juni. Dann will man sich in Berlin wiedertreffen, um die Bundesregierung – so wörtlich – vor ein Tribunal zu stellen. Dabei widerspricht die Kriegsrhetorik den selbst erklärten Zielen. Denn bei der Veranstaltung geht es den Flüchtlingen vor allem darum, sich selbst Mut zu machen:
"Wir klagen an. Wir haben das Recht, wer soll denn außer uns noch eigentlich klagen? Ob die Parteien das hören oder nicht, die werden das natürlich hören und werden dazu vielleicht auch Stellung nehmen, aber das ist uns egal. Wir wollen einfach uns stärken, dass wir uns das Recht nehmen, dass wir Handelnde sind."
Es ist ein Tribunal, zu dem der Angeklagte selbst nicht geladen ist. Und auch, wer das genau sein mag, ob Kanzlerin Merkel, Innenminister Friedrich oder das gesamte Parlament, bleibt im Vagen. Die erste Frauenkonferenz morgen hat hingegen eine klare Zielgruppe – über 100 Frauen haben sich bereits angekündigt. Lisa wird nicht dabei sein – sie hat niemanden, der auf ihre drei Kinder aufpasst.
Sie zieht das grün-gelbe Tuch fester um ihren schweren Körper. Auf dem Boden liegen, robben, krabbeln die Kleinkinder, die Flecken auf dem dunkelroten Teppich lassen die Speisereste vieler Mahlzeiten erahnen. Die Flüchtlingsfrau hat jedoch größere Sorgen.
"Manchmal, wenn du mitten in der Nacht die Tür öffnest, um auf die Toilette zu gehen, dann betatschen dich die Männer. Hier, da. Das ist schrecklich. Alle Frauen haben hier Angst, die Tür zu öffnen. Deshalb nehmen sie sich einen Eimer wie den hier, um da reinzumachen. Das ist nicht gut."
Lisa lässt sich aufs Sofa fallen, reibt sich über die müden Augen. Angst vor den fremden Männern im Heim, Krankheit und Isolation, all das hat Spuren im Gesicht der jungen Frau hinterlassen. Ihre größte Angst aber ist die Abschiebung. Vor ein paar Wochen wurde ihr Antrag auf Asyl abgelehnt, weil sie nicht aus politischen Gründen geflohen ist, sondern vor häuslicher Gewalt.
Heute ist Rosette zu Besuch, um Lisa zuzuhören und um ihr Mut zu machen. Sie selbst ist vor einigen Jahren aus Kamerun geflohen und seit ein paar Monaten Mitglied der Organisation Karawane. Hier engagieren sich Flüchtlinge für Flüchtlinge, erklärt Sprecherin Eylem Silan das Prinzip:
"Wir versuchen, der Frau zu sagen: Jeder von uns hat das durchgemacht, in irgendeiner Form. Wir möchten dir sagen, du bist nicht alleine. Das ist auch der Grund, warum die Frauenkonferenz eigentlich zustande kommt."
Deshalb sind Frauen wie Silan und Rosette seit Monaten in Übergangsheimen in ganz Deutschland unterwegs, um für das erste große Treffen der Flüchtlingsfrauen in Hamburg zu werben. Wie viele Mitglieder die Organisation genau hat, ist schwer zu sagen. Es gibt keine zentrale Koordination. Sich untereinander zu vernetzen, ist mühselig und wird von vielen Behörden nicht gern gesehen, sagt Silan.
"Ich bin von der Außenwelt abgeschlossen. Ich bin in einem Heim, in einem Lager untergebracht, wo immer eine Kontrolle entweder durch die Hausmeister passiert, durch die Ausländerbehörde und das Sozialamt und dann zugleich aus der eigenen Community – ich bin mit derselben männlichen Welt konfrontiert, aus der ich eigentlich auch geflohen bin."
Wenn Frauen fliehen, spielen häufig andere Gründe eine Rolle als Krieg und politische Verfolgung. Zwar gibt es im Gesetz seit 2005 den Passus der "geschlechtsspezifischen Asylgründe", in der Praxis ist dieser jedoch schwer durchzusetzen, erzählt Silan. Den Betroffenen fällt es außerdem schwer, ihre Geschichte auf dem Amt zu erzählen, gibt sie zu bedenken. Die Folge: Die Anträge auf Asyl werden häufig abgelehnt. Deshalb fordert Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW:
"Dass mehr berücksichtigt wird, dass man eben in der Anhörung, dass es da verstärkt die Möglichkeit gibt, zuerst mit einer Beratungsstelle in Kontakt zu kommen, Vertrauen aufzubauen und dann zu akzeptieren, die Frau konnte es da noch nicht sagen, aber jetzt kann sie es sagen. Jetzt zählt es noch als Grund, das ist eine unserer Hauptforderungen in dem Bereich."
Der Gang über die dunklen Flure des Wohnheims ergänzt das trübe Bild. Hier teilen sich rund zehn Personen einen Waschraum und zwei Toiletten. Sozialarbeiter Ralf Zyla klopft an Türen, sieht nach dem Rechten. Gemeinsam mit fünf Kolleginnen ist er zuständig für die soziale Betreuung und Unterbringung der rund 500 Flüchtlinge in Bochum. Auf die schwierigen Umstände der Frauen habe man bereits reagiert.
"Wir haben hier in Bochum so verfahren, dass alleinstehende oder alleinerziehende Frauen einen Flur haben, wo die zusammen untergebracht sind und das klappt also auch recht gut."
Allerdings nur dort, wo es diese separaten Flure auch gibt. Im Heim in der Wohlfahrtstraße leben 120 Frauen und Männer Tür an Tür. Flüchtlingsrat und Karawane fordern deshalb, Flüchtlinge generell dezentral unterzubringen, also in kleinen Wohnungen, die über die Stadt verteilt sind. Der Sozialarbeiter hält das jedoch für keine gute Idee.
"Eine gewisse Zeit im Übergangsheim zu leben, hat gewisse Vorteile. Sie lernen das Leben hier nämlich richtig kennen und lernen auch durch die anderen Flüchtlinge, wie das alltägliche Leben läuft. Und hier haben sie jeweils einen Ansprechpartner für die jeweiligen Probleme. Und deshalb halte ich es für günstiger, dass sie eine bestimmte Zeit im Übergangsheim sind."
In den Augen des Sozialarbeiters ist es ein gewisser Halt, der von dem geteilten Wohnraum ausgeht. Für die Flüchtlingssprecherin ist es eine unhaltbare Situation, die sie gemeinsam auf der Konferenz diskutieren möchte. Dort wird es auch um andere Kernthemen gehen, wie Abschiebung, Residenzpflicht oder Asylbewerberleistungsrecht. Ob das Bundesamt für Migration die Kritik aufgreifen wird, ist jedoch fraglich. Kein Kommentar, hieß es auf Nachfrage. Das Treffen in Hamburg dient der Vorbereitung auf eine dreitägige Demonstration im Juni. Dann will man sich in Berlin wiedertreffen, um die Bundesregierung – so wörtlich – vor ein Tribunal zu stellen. Dabei widerspricht die Kriegsrhetorik den selbst erklärten Zielen. Denn bei der Veranstaltung geht es den Flüchtlingen vor allem darum, sich selbst Mut zu machen:
"Wir klagen an. Wir haben das Recht, wer soll denn außer uns noch eigentlich klagen? Ob die Parteien das hören oder nicht, die werden das natürlich hören und werden dazu vielleicht auch Stellung nehmen, aber das ist uns egal. Wir wollen einfach uns stärken, dass wir uns das Recht nehmen, dass wir Handelnde sind."
Es ist ein Tribunal, zu dem der Angeklagte selbst nicht geladen ist. Und auch, wer das genau sein mag, ob Kanzlerin Merkel, Innenminister Friedrich oder das gesamte Parlament, bleibt im Vagen. Die erste Frauenkonferenz morgen hat hingegen eine klare Zielgruppe – über 100 Frauen haben sich bereits angekündigt. Lisa wird nicht dabei sein – sie hat niemanden, der auf ihre drei Kinder aufpasst.