Ein Fußballplatz im Süden Kölns. An einem klaren Sommerabend trainiert die Mannschaft der Spielvereinigung Arminia 09 auf der roten Asche. Umgangssprache ist ein Mix aus Deutsch, Englisch und Arabisch.
Passspiel in kleinen Zirkeln steht auf dem Programm. Mit dabei ist auch Mohammed. Der junge Mann aus Syrien kam Anfang 2015 als Flüchtling nach Deutschland und ist seit einem Jahr fester Bestandteil des Teams.
"Als ich hierhergekommen bin, hatte ich keine Freunde, keine Kontakte zu anderen Leuten. Ich habe meinen Trainer Ben getroffen. Der hat mich hierher gebracht und ich habe viele Freunde kennengelernt. Ich konnte besser Deutsch sprechen und er hat mir auch einen Sprachkurs gefunden. Das hat mir sehr geholfen."
Sein Trainer Ben heißt mit vollem Namen Benjamin Meßner. Er arbeitet für die Initiative "Rheinflanke", die sich darum kümmert, dass Flüchtlinge auf und neben dem Platz möglichst viel Hilfe bekommen.
"Allein mit Fußballspielen ist Integration natürlich noch nicht getan. Aber viele Vereine sind auf Ehrenamt aufgebaut; und das Ehrenamt ist irgendwann überfordert und kann nicht so viel leisten, wie es eigentlich müsste, damit noch mehr Integration passieren kann."
Neue Strukturen und zusätzliche Hilfen
Viel bürokratischer Aufwand und neue Herausforderungen für die Trainer, wie etwa der Umgang mit traumatisierten jungen Menschen. Mit ehrenamtlicher Arbeit allein ist das auf Dauer nicht zu leisten, sagt Benjamin Meßner – und er fordert neue Strukturen und zusätzliche Hilfen von den Fußballverbänden.
Auch Gaetano Bomba kennt die Hürden, die man bei der Arbeit mit jungen Flüchtlingen nehmen muss. Bomba ist ein muskulöser Mann in den Vierzigern – mit Glatze und Sonnenbrille. Er leitet die Fußball-Jugendarbeit beim Post SV Sieboldshöhe Würzburg.
"Es geht darum, dass die Jungs spielen wollen. Es kommen immer die Fragen: Wann kann ich spielen. Und der Papierkram verhindert es ein bisschen."
Gaetano Bomba ist vor 28 Jahren nach Deutschland gekommen. Aufgewachsen in Lanciano, einer Kleinstadt in der Nähe der italienischen Adriaküste, zog es ihn als Fußballer nach Würzburg.
Bomba kann sich gut in seine jungen Spieler hineinversetzen, die erst vor kurzem nach Deutschland gekommen sind. Er kennt die Situation in einem fremden Umfeld mit einer fremden Sprache.
"Durch den Fußball habe ich das Glück gehabt, mich schnell einzufügen in einer Mannschaft und Fußball hat mir natürlich geholfen, sehr schnell alles zu erreichen, was ich erreichen wollte und mich zu integrieren. Innerhalb von kürzester Zeit, in sechs Monaten, habe ich auch die Sprache gut beherrscht."
Fußball als Integrationshilfe im Blick der Wissenschaft
Nur wenige Straßen vom Fußballplatz des Post SV entfernt befindet sich das Büro von Heinz Reinders – in einem umgebauten ehemaligen Kasernengebäude auf dem weitläufigen Universitätscampus am Rande von Würzburg. Reinders ist Professor für Bildungsforschung und er hat sich systematisch mit der Frage beschäftigt wie Sport – insbesondere Fußball – bei der Integration helfen kann.
"Viele der Menschen, die nach Deutschland kommen, sind in Gesellschaften groß geworden, die diese – man sagt immer so despektierlich – deutsche Vereinsmeierei nicht so einschätzen können. Das ist aber nun mal in Deutschland der wichtigste Weg für gesellschaftliche Teilhabe, neben Bildung als wichtige Ressource. Und da ist es natürlich auch sinnvoll gerade Kinder und Jugendliche auch früh mit diesem Gesellschaftsmodell vertraut zu machen und sie auch aktiv einzubinden."
Gerade hat Reinders für eine Studie der Uni Würzburg untersucht, wie Vereine bei der Integration von jungen Flüchtlingen aufgestellt sind.
"Der innere Kreis der Vereinsmitglieder, gerade im Bereich der aktiven, da haben wir eine große Unterstützung. Da sagen die Vereine hier funktioniert es sehr gut ...
Im Fokus standen die Fußballvereine, die im BFV, dem Bayerischen Fußballverband, organisiert sind. Fast jeder dritte hat sich an der Umfrage beteiligt.
"Dann der nächste Kreis: Das sind die Unterstützer um den Verein herum. Auch da sind die Vereine in der Regel sehr zufrieden, was Sachspenden angeht zum Beispiel. Und dann gibt es diesen dritten konzentrischen Kreis, da sagen viele Vereine: Wir fühlen uns im Stich gelassen. Das sind dann eben die Verbände."
Der Sportplatz des SC Heuchelhof – er liegt etwas versteckt im Grünen direkt neben einer vierspurigen Ausfallstraße im Süden von Würzburg.
Gleich auf der anderen Straßenseite liegen mehrere Hochhausviertel. Eine Fußgängerbrücke führt hinüber. Ein Pfeiler ist bunt besprüht mit der Aufschrift: "Recht auf Asyl". Eine Notunterkunft liegt in unmittelbarer Nähe – und so wurde das Thema "Flüchtlingshilfe" schon früh – im Herbst 2014 – aktuell im Verein.
Die meisten der neuen Mitspieler kommen aus Syrien und Afghanistan.
Der SC Heuchelhof ist auch der Verein, in dem sich Prof. Heinz Reinders engagiert.
"Wir haben natürlich zum einen das Phänomen der neuen Zuwanderung von Menschen, die aus den Kriegsgebieten kommen, auch in erheblicher Zahl und hier Hilfe und Unterstützung suchen und auch bekommen sollten. Zum anderen ist es so, dass wir selbst aus unserer eigenen Vereinsarbeit gemerkt haben, dass es eine Herausforderung ist für Vereine und da eine Menge geleistet wird. Das wissen wir wiederum aus unserer Forschung: Vereine sind der erste wichtige Schritt für den Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe. Und da lag es nahe, zu sagen: Wir schauen uns an, was leisten die Fußballvereine. Sie leisten erhebliches. Und unter welchen Bedingungen leisten sie das. Unter sehr schwierigen."
Im Ansatz gut, aber ausbaufähig
Die zentralen Ergebnisse seiner Studie zeigen, dass drei von fünf Vereinen in Bayern in der Flüchtlingsarbeit engagiert sind. Und die Offenheit für neue Spieler aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea ist Teil der Vereinsphilosophie. Aber 17 Prozent aller Vereine wollen sich auch ganz aus der Arbeit mit Flüchtlingen heraushalten. Und auch die erlebte Überforderung ist ein Thema. Diese empfänden die meisten Vereine nicht wegen der häufig großen Zahl der neu zu integrierenden Spieler, sondern vor allem weil Unterstützung von den Verbänden ausbleibe.
Post SV-Trainer Gaetano Bomba erzählt von seinen Erfahrungen.
"Es wird praktisch uns überlassen, was wir machen. Es gibt von der Führungsebene nichts."
In der Kritik steht also der Deutschen Fußball Bund, aber auch der Bayerische Fußballverband. BFV-Vizepräsident Jürgen Pfau hat ein anderes Bild.
"Ich glaube, wir machen schon vieles sehr gut. Und trotzdem soll das kein Ausruhen sein, sondern was man besser machen könne ist, dass wir noch mehr informieren können. Obwohl wir schon verschiedene Maßnahmen ergriffen haben, um zu zeigen, so geht es, so können wir euch unterstützen."
Chancen erkennen und nutzen
BFV-Vize Jürgen Pfau hat auch die Chancen im Blick. Gerade in Zeiten zurückgehender Mitgliederzahlen, in denen mancher Dorfverein seine Jugendmannschaften aufgeben muss.
"Unsere Vereine haben die Chancen erkannt und sie greifen die Möglichkeit auf, hier zu helfen und sie werden hiermit auch ihrer Verantwortung gerecht und leisten einen Beitrag, den die Gesellschaft ansonsten so auch gar nicht finanzieren könnte."
Jürgen Pfau weiß, dass aber auch die Integrationsarbeit im Fußballverein viel Geld kostet. Mit der Aktion "1:0 für ein Willkommen" hat der DFB über seine Egidius-Braun-Stiftung Geld für die Vereine mit Flüchtlingsarbeit bereitgestellt. Mehr als 2.000 Vereine haben schon jeweils 500 Euro erhalten. Der Bayerische Fußballverband hat Anfang des Jahres spezielle Trainerschulungen angeboten. Und außerdem seien schon mehrere Aktionen sehr erfolgreich gestartet worden.
"Wir in Bayern haben im Rahmen unserer Sozialstiftung 1.000 Fußballschuhe an Vereine verteilt. In einem zweiten Hilfspaket haben wir dann in diesem Jahr 1000 Regenjacken verteilt. Auch diese waren ruckzuck vergriffen."
"Wir werden die nächsten 10/ 15 bis 20 Jahre Integrationsarbeit leisten und das ist eben nicht damit getan, dass ich einmal für 500 Euro Schuhe kaufen kann oder Regenjacken bekomme, sondern das ist eine Arbeit die dauert zwei, drei, vier Trainergenerationen an."
Heinz Reinders macht auf die langfristige Dimension der Integrationsarbeit aufmerksam. Und gerade jetzt ist eine entscheidende Phase. Da ist sich Reinders ganz sicher. Immer mehr Flüchtlinge kommen dauerhaft an bestimmte Wohnorte – und verlassen die Notunterkünfte. Das bedeutet auch, dass sie in ihren neuen Vereinen heimisch werden können.
"Wenn jetzt die Bildung als die eine Säule nicht richtig bewerkstelligt wird und wenn auf der anderen Seite gesellschaftliche Teilhabe durch Vereinsmitgliedschaft – und da ist es egal, ob Sport-, Kultur- oder Sozialverein – wenn das nicht geregelt wird, dann haben wir Tendenzen, die werden gehen in Richtung Gettoisierung, in Richtung Abschottung von der Aufnahmegesellschaft, die werden gehen in Richtung von Vorurteilen auf beiden Seiten. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Wenn wir jetzt aber alles richtig machen, wenn wir die Integration in den Vereinen massiv unterstützen, auch monetär und strukturell, dann haben wir gute Chancen, dass wir in 15 Jahren erheblich von dieser neuen Zuwanderung profitieren werden."
Eigene Erfahrungen weitergeben
Mohammed von der Spielvereinigung Arminia 09 im Kölner Süden spielt nicht nur in der ersten Mannschaft. Er ist inzwischen auch Ko-Trainer in der A-Jugend. Hier sind die meisten Spieler kaum jünger als er. Aber mit seinen Erfahrungen beim Ankommen in Deutschland und im Verein kann er einiges weitergeben.
"Ich weiß, was sie denken und was sie machen wollen und das hilft mir im Umgang mit ihnen. Ich helfe ihnen auch gerne, weil mein Trainer mir auch geholfen hat. So möchte ich auch anderen helfen."