Frauen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan pauken bei einer ehrenamtlichen Lehrerin deutsche Verben. Im umgebauten Jugenheimer Pfarrhaus. Das bietet außerdem Wohnraum für 40 Flüchtlinge, mit Gemüsegarten im Innenhof. Dort reifen riesige Zucchini heran, freut sich Pfarrerin Sarah Kirchhoff, die im Nachbardorf lebt,
"und wann immer wir hier im Gemeindehaus sind, begegnet man sich im Garten, und dann kriegt man mal ne Tomate geschenkt oder ne Zucchini."
"Der Sinn und Zweck war, insbesondere die Frauen anzusprechen, die eher im Haus sind, um sie mal heraus zu locken",
ergänzt Verena Matthes, die sich um die irakische Familie Yussif kümmert, Christen, die lange in Syrien lebten. Die erwachsenen Söhne sind Friseure und würden gern in dem Beruf arbeiten, wenn sie besser Deutsch sprechen. Tochter Sara lebt schon seit vier Jahren und damit am längsten in Deutschland. Sie will jetzt ihr Chemie-Studium an der Uni Mainz fortsetzen. Über Jugenheim sagt sie:
"Das ist ein kleines Dorf, aber die Leute bieten hier so viel Hilfe an. Sie machen immer Integration. Zum Beispiel hier gibt’s auch eine Lehrerin und sie macht Deutschunterricht mit meinen Eltern."
"Every Friday she comes to our house – this teacher is very, very good", lobt Vater Yussif, Lehrerin Verena Matthes lacht. Die jungen Yussifs kommen soeben von einer Freizeit für junge Leute im französischen Taizé zurück, organisiert von der evangelischen Gemeinde,
"Das war total schön, da kamen wir uns noch näher", schwärmen Svenja und Annika, deren Mutter zwei syrische Familien betreut. Jugenheim hat ein engmaschiges Patenschaftsnetz. So dass keine Flüchtlingsfamilie hier allein mit komplizierten Formularen oder um Kostenübernahme für die Zahnbehandlung der Kinder kämpfen muss. Angelika Fingerhut hilft, "weil auch meine Eltern damals als Kinder flüchten mussten, nach dem Krieg, und dann eben nach Süddeutschland verschickt wurden als Kinder, wo sie eben auch als Flüchtlinge leben mussten. Und ich kann sehr stark auch mit denen mitfühlen und hoffe, dass ich nicht in diese Situation komme. Und das ist ein Anlass für mich zu helfen."
"Ein bisschen von dem Glück abgeben"
"Uns geht es so gut, dass man ein bisschen von dem Glück abgeben muss", bekräftigt Sabine Klein. Den Einblick in eine neue Kultur und die wachsende Freundschaft zu einer afghanischen Familie empfindet sie als zusätzliches Glück. Getrübt wird es allerdings durch die langen Hängepartien, die vor allem die Flüchtlinge, aber auch die Paten belasten. Die afghanische Mutter von zwei Kindern, die Sabine Klein betreut, wartet seit zehn Monaten auf ihre Anhörung als Asylbewerberin, seit acht Monaten lebt sie in Jugenheim.
"Sie fürchtet halt bei jedem Brief, den sie bekommt, dass diese Anhörung da ist, und diese psychische Belastung – es ist jetzt so, dass sie schon mal ne Nacht durchschlafen kann, ohne nachts mit Angst aufzuwachen, und wenn jetzt diese Anhörung kommt, wird alles wieder aufgewühlt, und ich finde, die Zeit ist viel zu lang."
Warum sich sein Dorf so engagiert? Bürgermeister Herbert Petri: "Wir haben ein breit gefächertes Ehrenamt über unsere Vereinsstrukturen. Wir sind eine inklusive Gemeinde, Behinderte sind Teil unserer Gemeinschaft, da hat Jugenheim immer schon so eine tolle Offenheit gehabt. Und das hat sich jetzt – diese Strukturen haben sich ausgezahlt."
Der Gesangsverein lädt Flüchtlingskinder in den Chor ein, die Sportvereine öffnen die Türen.
Dreyer: "Alle wirken zusammen."
Hendricks: "Gelungene Flüchtlingsunterbringung ist mehr als Unterbringung, ist mindestens der Beginn von Integration. Das gelingt in Jugenheim", loben die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer und Bundesministerin Hendricks, zuständig für den ländlichen Raum. Um die langen Asylverfahren zu verkürzen, befürworten die beiden Sozialdemokratinnen den Vorschlag des baden-württembergischen Regierungschefs Kretschmann von den Grünen, syrische Flüchtlinge komplett herauszunehmen.
Dazu sagt Barbra Hendricks: "Über dieses Thema haben wir im Bundeskabinett noch nicht gesprochen. Persönlich halte ich das für einen guten Vorschlag. Denn wir können den Syrern natürlich, wenn wir denn wollen, den Status als Bürgerkriegsflüchtlinge zubilligen, und damit muss dann ein Asylverfahren gar nicht durchlaufen werden. Das würde natürlich die Dauer der Verfahren auch für alle anderen deutlich verkürzen."