"Hello. Hey. Is there anyone who speaks English? Please help us, please give us your help, please now. Okay. We don´t have water to drink, please help us, please."
Ein verzweifelter Flüchtling in einem Boot irgendwo auf dem Mittelmeer. Der Schleuser hat die Gruppe wohl mit einem Satellitentelefon ausgestattet - und jemand hat den Migranten einen Zettel mit einer Telefonnummer zugesteckt: 00334 8651716. Die Nummer des Alarm Phones.
Ein verzweifelter Flüchtling in einem Boot irgendwo auf dem Mittelmeer. Der Schleuser hat die Gruppe wohl mit einem Satellitentelefon ausgestattet - und jemand hat den Migranten einen Zettel mit einer Telefonnummer zugesteckt: 00334 8651716. Die Nummer des Alarm Phones.
"Menschen, die in Seenot geraten sind, können diese Nummer eben anrufen und wir versuchen, eine Rettung zu organisieren. Wir haben keine eigenen Boote, was wir machen, wir wenden uns an die jeweilige Küstenwache, und überwachen den Prozess der Rettung, dass wir Druck aufbauen zur Rettung, genau." Das Telefon ist rund um die Uhr besetzt, sieben Tage die Woche, erzählt Lisa Groß, Soziologiestudentin aus Berlin. Gemeinsam mit Paul Müller sitzt sie in einem überhitzten Büro im alternativen Kreuzberger Kulturzentrum Mehringhof, wirft einen Blick auf die Uhr.
Jetzt ist gerade Bremen dran, sagt die 24-jährige mit den dunklen Locken, in der Nacht dann jemand aus Marokko. Mithilfe einer Software für Callcenter wird die Notrufnummer an einen der etwa 120 Aktiven aus Europa und Nordafrika weitergeschaltet - im digitalen Zeitalter lässt sich die Welt auch vom heimischen Küchentisch retten. Klingelt das Telefon, versuchen die Helfer herauszufinden: Wie viele Menschen sind an Bord, wie verzweifelt ist die Lage - und vor allem: Wo genau befindet sich das Boot. "Dass wir die Koordinaten bekommen. Über Handys kann man das per Internet machen. Bei einem Satellitentelefon sind es drei Klicks, und die können uns in der Regel die Koordinaten sagen, die total wichtig sind, um eben diesen Alarm weiterzugeben an die Küstenwache, dass die überhaupt wissen, wo sie suchen müssen", erläutert Lina Groß.
Paul Müller klappt seinen Laptop auf, klickt auf die Internetseiten, mit denen die Aktivisten arbeiten. Eine Mittelmeerkarte zeigt die Abdeckung durch Mobilfunknetze - nur in der Ägäis reicht ein simples Handy, sonst ist ein Satellitentelefon nötig. Die Datenbank www.vesselfinder.com liefert die Positionen von so gut wie allen Schiffen auf dem Mittelmeer. "Um zu gucken, ob sich in der Nähe Schiffe aufhalten. Im äußersten Notfall könnten wir versuchen, ein Cargoship oder einen Öltanker, der nur unweit davon entfernt ist, zu benachrichtigen. Dass in seiner unmittelbaren Nähe das und das stattfindet und sich die Küstenwache weigert zu retten."
Der 25-jährige Student der Sozialpädagogik - gepiercte Augenbraue, Basecap - versteht sein ehrenamtliches Engagement beim Alarmphone nicht nur als humanitäre Mission. "Das andere ist, dann eben dem Ganzen auch politischen Druck zu geben dann dadurch. Diese Geschichten überhaupt in die Öffentlichkeit zu holen und die Öffentlichkeit herzustellen. Und darauf basierend eben politische Forderungen zu erheben gegen diese Form der Politik, gegen Abschottung, auch gegen Ausbeutungsverhältnisse, die diese Fluchtgründe überhaupt verursachen."
Paul Müller versteht sich als Teil der sogenannten "No-border-Bewegung". Weg mit der Abschottung der EU, weg mit den Grenzen, die Türen weit auf machen für alle, die nach Europa, nach Deutschland wollen - das ist seine politische Maxime. Kriminelle Schleuser sind für den Berliner Studenten kein Problem. "Das ist das Konzept des freien Marktes im Prinzip. Da entsteht eine Lücke, die sie dann füllen. Es geht ja im Prinzip darum, nur Überfahrten anzubieten. Wenn das auf legaler Basis nicht stattfindet, dann muss es andere Anbieter geben, die diese Lücke füllen. Ob das gute oder schlechte Menschen sind, das kann ich nicht beurteilen. Aber Bedarf ist da."
Das Alarmphone ist Teil der Initiative „Watch the med“ - das Mittelmeer beobachten. Finanziert wird es unter anderem von "Pro Asyl" und der Hilfsorganisation "medico international". Die Aktivisten schreiben Berichte über geglückte Rettungsaktionen, dokumentieren aber auch, wenn Küstenwachen sich weigern zu helfen. Oder wenn - wie ein aktueller Fall in der Ägäis - maskierte Männer in der Uniform der griechischen Küstenwache Flüchtlingsboote attackieren. Wie viele Menschen ihnen ihr Leben verdanken, können sie nicht sagen - die wenigsten Anrufer melden sich nach der Rettung noch einmal.
Manchmal ist der Telefondienst langweilig, weil niemand anruft, manchmal höchst dramatisch, erzählt die Studentin Lina Groß - und nennt ein Beispiel. "Wir wurden informiert, da war das Boot schon den dritten Tag unterwegs, wir haben die Küstenwache auch informiert, und die waren auch immer noch am Suchen am dritten Tag, und wir haben eben weiterhin Druck aufgebaut. Und haben das zum Beispiel über Twitter-Nachrichten gemacht, die dann weiterverbreitet worden sind, und in dem Fall war es dann so, dass die spanische Küstenwache dieses Boot tatsächlich nach sechs Tagen gefunden hat."
Lina Groß klappt den Laptop auf und trägt sich für die nächsten Telefondienste ein. Bei dieser Hitze wäre ein Sprung in den See schöner, sinniert sie - aber da müsse man eben Prioritäten setzen.
Jetzt ist gerade Bremen dran, sagt die 24-jährige mit den dunklen Locken, in der Nacht dann jemand aus Marokko. Mithilfe einer Software für Callcenter wird die Notrufnummer an einen der etwa 120 Aktiven aus Europa und Nordafrika weitergeschaltet - im digitalen Zeitalter lässt sich die Welt auch vom heimischen Küchentisch retten. Klingelt das Telefon, versuchen die Helfer herauszufinden: Wie viele Menschen sind an Bord, wie verzweifelt ist die Lage - und vor allem: Wo genau befindet sich das Boot. "Dass wir die Koordinaten bekommen. Über Handys kann man das per Internet machen. Bei einem Satellitentelefon sind es drei Klicks, und die können uns in der Regel die Koordinaten sagen, die total wichtig sind, um eben diesen Alarm weiterzugeben an die Küstenwache, dass die überhaupt wissen, wo sie suchen müssen", erläutert Lina Groß.
Paul Müller klappt seinen Laptop auf, klickt auf die Internetseiten, mit denen die Aktivisten arbeiten. Eine Mittelmeerkarte zeigt die Abdeckung durch Mobilfunknetze - nur in der Ägäis reicht ein simples Handy, sonst ist ein Satellitentelefon nötig. Die Datenbank www.vesselfinder.com liefert die Positionen von so gut wie allen Schiffen auf dem Mittelmeer. "Um zu gucken, ob sich in der Nähe Schiffe aufhalten. Im äußersten Notfall könnten wir versuchen, ein Cargoship oder einen Öltanker, der nur unweit davon entfernt ist, zu benachrichtigen. Dass in seiner unmittelbaren Nähe das und das stattfindet und sich die Küstenwache weigert zu retten."
Der 25-jährige Student der Sozialpädagogik - gepiercte Augenbraue, Basecap - versteht sein ehrenamtliches Engagement beim Alarmphone nicht nur als humanitäre Mission. "Das andere ist, dann eben dem Ganzen auch politischen Druck zu geben dann dadurch. Diese Geschichten überhaupt in die Öffentlichkeit zu holen und die Öffentlichkeit herzustellen. Und darauf basierend eben politische Forderungen zu erheben gegen diese Form der Politik, gegen Abschottung, auch gegen Ausbeutungsverhältnisse, die diese Fluchtgründe überhaupt verursachen."
Paul Müller versteht sich als Teil der sogenannten "No-border-Bewegung". Weg mit der Abschottung der EU, weg mit den Grenzen, die Türen weit auf machen für alle, die nach Europa, nach Deutschland wollen - das ist seine politische Maxime. Kriminelle Schleuser sind für den Berliner Studenten kein Problem. "Das ist das Konzept des freien Marktes im Prinzip. Da entsteht eine Lücke, die sie dann füllen. Es geht ja im Prinzip darum, nur Überfahrten anzubieten. Wenn das auf legaler Basis nicht stattfindet, dann muss es andere Anbieter geben, die diese Lücke füllen. Ob das gute oder schlechte Menschen sind, das kann ich nicht beurteilen. Aber Bedarf ist da."
Das Alarmphone ist Teil der Initiative „Watch the med“ - das Mittelmeer beobachten. Finanziert wird es unter anderem von "Pro Asyl" und der Hilfsorganisation "medico international". Die Aktivisten schreiben Berichte über geglückte Rettungsaktionen, dokumentieren aber auch, wenn Küstenwachen sich weigern zu helfen. Oder wenn - wie ein aktueller Fall in der Ägäis - maskierte Männer in der Uniform der griechischen Küstenwache Flüchtlingsboote attackieren. Wie viele Menschen ihnen ihr Leben verdanken, können sie nicht sagen - die wenigsten Anrufer melden sich nach der Rettung noch einmal.
Manchmal ist der Telefondienst langweilig, weil niemand anruft, manchmal höchst dramatisch, erzählt die Studentin Lina Groß - und nennt ein Beispiel. "Wir wurden informiert, da war das Boot schon den dritten Tag unterwegs, wir haben die Küstenwache auch informiert, und die waren auch immer noch am Suchen am dritten Tag, und wir haben eben weiterhin Druck aufgebaut. Und haben das zum Beispiel über Twitter-Nachrichten gemacht, die dann weiterverbreitet worden sind, und in dem Fall war es dann so, dass die spanische Küstenwache dieses Boot tatsächlich nach sechs Tagen gefunden hat."
Lina Groß klappt den Laptop auf und trägt sich für die nächsten Telefondienste ein. Bei dieser Hitze wäre ein Sprung in den See schöner, sinniert sie - aber da müsse man eben Prioritäten setzen.